So manche Diskussionen kommen einem angesichts der Corona-Pandemie vor, als wären sie Jahre her. Sind aber nur Monate. Zum Beispiel der Streit im Stadtrat über den erst in einigen Jahren geplanten Neubau des Friederike-Schäfer-Heims am Martin-Luther-Platz. Dafür sollte der Rückertbau abgerissen werden, das Archiv in den Abrams-Club kommen. Jetzt gibt es von der SPD einen neuen Vorschlag, denn die finanziellen Auswirkungen der Pandemie wegen der stark sinkenden Gewerbesteuer für die Stadt sind dramatisch, alle Projekte müssen auf den Prüfstand.
Die SPD-Stadträte Peter Hofmann und Julia Stürmer-Hawlitschek beantragten, dass das Stadtarchiv im Rückertbau bleibt, dieser renoviert wird und vor allem das Stadtarchiv ein neues archiv-pädagogisches Konzept bekommt, wenn ein neuer Stadtarchivar für den in zwei Jahre in Rente gehenden Uwe Müller seine Stelle antritt.
Die Forderung dürfte für Diskussionen sorgen, denn sie bedeutet auch, dass die CSU-Fraktion und insbesondere Oberbürgermeister Sebastian Remelé (CSU) von einem zentralen Vorhaben der nächsten Jahre, dem bis zu fünf Stockwerke hohen Neubau des Friederike-Schäfer-Heimes am Martin-Luther-Platz, Abschied nehmen müssten. Der Neubau des Heimes ist nötig, da nach jetzigem Stand eine Sanierung im Bestand zu teuer wäre im Vergleich zu einem Neubau. Eigentlich wollte die Verwaltung in der Friedrich-Stein-Straße auf dem Gelände des Verkehrsübungsplatzes das Heim neu bauen. Dort gibt es aber zum einen Altlasten im Boden, zum anderen ist es schwierig, einen neuen Standort für den Übungsplatz im Stadtgebiet zu finden.
An den Plänen für den Neubau am Luther-Platz gab es von Anfang an massive Kritik: zu teuer, unklare Kosten für Abriss Rückertbau, Erweiterung der Tiefgarage Graben und Sanierung des Abrams-Clubs für das Archiv, städtebaulich fragwürdig an dieser Stelle. Überdies wurde das Pflegekonzept als nicht zeitgemäß kritisiert.
Es gibt auch bei den Schweinfurter Christsozialen namhafte Kommunalpolitiker, die den massiven Stimmenverlust der CSU mit über 50 000 bei der Stadtratswahl darauf zurückführen, dass Wähler die Idee mit dem Neubau am Martin-Luther-Platz für falsch hielten. Die CSU hat nur noch 17 statt 21 Mandate und ging eine Koalition mit den Grünen ein, um eine sichere Mehrheit für die nächsten sechs Jahre zu bekommen. Die Grünen hatten im alten Stadtrat und im Wahlkampf die Pläne am Martin-Luther-Platz für den falschen Weg befunden, aus ihrer Sicht wäre ein Neubau des Friederike-Schäfer-Heims am Messeplatz gegenüber dem Josefs-Krankenhaus ideal.
Bisher nicht offiziell bestätigt ist darüber hinaus die Information, dass die Hospitalstiftung als Eigentümer des Friederike-Schäfer-Heimes einen Neubau wie er am Martin-Luther-Platz mit Kosten von geschätzt 19 Millionen Euro bei 94 Pflegeplätzen geplant ist, wohl nicht schultern könnte. Finanzreferentin Anna Barbara Keck hatte in der Stadtratssitzung am 28. April nicht-öffentlich über die Finanzen der Stiftung informiert.
Hofmann und Stürmer-Hawlitschek geht es in ihrem Antrag um zwei Themen, da aus ihrer Sicht das Vorhaben Neubau des Schäfer-Heimes "schlichtweg nicht finanzierbar ist": zum einen die Sanierung des Rückertbaus, zum anderen den Erhalt und Ausbau des Stadtarchivs.
Der Rückertbau, "ein würdiger Repräsentant der Nachkriegsarchitektur in Schweinfurt", so Peter Hofmann, wäre günstiger zu sanieren, als den Abrams-Club, das ehemalige Offizierskasino der US-Armee gegenüber der Ledward-Kaserne, komplett für das Stadtarchiv umzubauen. Da die Wissenswerkstatt nach Ledward ziehen soll – dort wären Fachhochschule und Fraunhofer-Institut in unmittelbarer Nähe – gäbe es genügend Platz im Rückertbau, um nach der Sanierung auch den noch unerschlossenen Bestand an Akten lagern zu können.
"Ein Stadtarchiv gehört ins Herz der Stadt", findet Julia Stürmer-Hawlitschek, die als Geschichtslehrerin am Celtis-Gymnasium mit ihren Klassen immer wieder auch stadthistorische Themen durchnimmt. Dabei hat sie eine Erfahrung gemacht, die auch Peter Hofmann bestätigt, der auf seiner Internetseite "schweinfurtfuehrer.de" mehrere tausend historische Bilder der Stadt veröffentlicht hat: "Der Bezug zur eigenen Stadt kommt bei Schülern immer gut an und sorgt dafür, dass sie sich für Geschichte interessieren."
Die grundsätzliche Zusammenarbeit mit Stadtarchiv-Leiter Uwe Müller loben Hofmann und Stürmer-Hawlitschek. Ihre Forderung nach einem neuen Konzept für das Archiv vor allem unter pädagogischen Aspekten und einer viel stärkeren Öffnung hin zu Schulen sowie einer Zusammenarbeit mit dem neuen Stadtmuseum und Kulturforum, wollen sie ausdrücklich nicht als Kritik an Müller verstanden wissen. Die personelle Situation im Archiv sei zu schlecht, mehr als bisher könne man gar nicht leisten.
Müller geht in zwei Jahren in Rente. Deswegen findet die SPD, sollten schon jetzt die Weichen gestellt werden, über ein neues Konzept für das Archiv nachzudenken und einen neuen Leiter sowie eine archiv-pädagogische Kraft einzustellen. Auch mehr Werkstudenten würden die Kapazitäten im Archiv erhöhen helfen. Nötig ist aus SPD-Sicht unter anderem auch eine verstärkte Digitalisierung der Bestände und eine neue, zeitgemäße Internetseite. "Lernen aus der Vergangenheit kann man in erster Linie, wenn man sich mit der eigenen Stadtgeschichte auseinander setzt", betont Peter Hofmann.