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Bergrheinfeld
Solidarische Landwirtschaft: Viel mehr als Kraut und Rüben
Bilanz des ersten Erntejahres bei der Solawi Schweinfurt: Nicht nur Gemüse, sondern auch das Gemeinschaftsgefühl ist gewachsen. Nur die Kaninchen müssen Klettern üben.
Männer mit grünem Daumen. Von links die beiden Gärtner Till Brather und Markus Löffler Willner sowie Solawi-Vorsitzender Erich Morgenstern.
Foto: Helmut Glauch | Männer mit grünem Daumen. Von links die beiden Gärtner Till Brather und Markus Löffler Willner sowie Solawi-Vorsitzender Erich Morgenstern.
Helmut Glauch
Helmut Glauch
 |  aktualisiert: 07.04.2020 13:02 Uhr

Sie haben viel erlebt, in diesem ersten Gartenjahr der Solawi (Solidarische Landwirtschaft) Schweinfurt. Stundenlang während der Osterfeiertage Wasser auf die Beete gepumpt zum Beispiel, weil die Elektropumpe nicht so wollte wie geplant, oder mit Grablichtern die jungen Pflanzen im Folientunnel vor dem Erfrieren gerettet. Ein Jahr in dem viel Pionierarbeit geleistet, aber auch viele Erfahrungen gesammelt wurden, bilanziert Erich Morgenstern, Mitinitiator und Vorsitzender der Solawi.

Ein Projekt, das es mittlerweile mehr als 100 Schweinfurtern und Mitgliedern aus dem Landkreis ermöglicht, zweimal in der Woche gesundes und selbst gezogenes Gemüse in einer Lagerhalle direkt neben dem Feld, oder aus einem der sieben Depots abzuholen und in ihren Speiseplan einzubauen.       

Arbeit gibt es zu jeder Jahreszeit auf dem Feld der Solawi in Bergrheinfeld.
Foto: Helmut Glauch | Arbeit gibt es zu jeder Jahreszeit auf dem Feld der Solawi in Bergrheinfeld.

111  Mitglieder hat die junge Solawi zum Ende der Saison. Neben einigen reinen Fördermitgliedern, die die Idee spannend finden und einfach dabei sein wollen, haben die meisten Mitglieder einen kleinen oder großen Ernteanteil gebucht. Die Klinik am Steigerwald zum Beispiel ist mit zehn Ernteteilen dabei. Auch im Winter wird es dank Folientunnel frisches Gemüse geben, von Dezember bis Februar dann allerdings nur noch einmal in der Woche an den Freitagen.  

Im Folientunnel ist auch im Oktober noch alles im 'grünen Bereich'.
Foto: Helmut Glauch | Im Folientunnel ist auch im Oktober noch alles im "grünen Bereich".

Jedem Anfang wohnt nicht nur ein Zauber inne, er ist manchmal ganz einfach nicht ganz einfach. Am 26. März wurden erstmals noch bescheidene Ernteanteile ausgeben. Ein Salatkopf und ein bisschen was dazu – mehr war zunächst nicht drin. Doch das Gartenjahr ließ sich gut an. Trotz Trockenheit, Erdflöhen und räuberischer Kaninchen war es im Hochsommer manchmal sogar fast zu viel des Guten, vor allem beim Gemüse. Gut 750 Kilogramm Tomaten wurden geerntet, das bedeutete mitunter mehr als zwei Kilogramm Tomaten pro Anteil und Abholtag. "Wir haben sogar für die Mitglieder einen Einkochabend veranstaltet, bei dem die Leute erfuhren, wie man die Tomaten haltbar machen kann", erzählt Erich Morgenstern.    

Wasserau dem eigenen Brunnen 

Außergewöhnlich, aber lecker. Schwarze Tomaten sind eine Besonderheit.
Foto: Helmut Glauch | Außergewöhnlich, aber lecker. Schwarze Tomaten sind eine Besonderheit.

Die reiche Ernte wurde auch möglich, weil man auf dem 6000 Quadratmeter großen Feld nicht auf den Regen angewiesen ist. Ein Brunnen ist vorhanden, die Bewässerungsanlage eines Erdbeerbauern, der aufgegeben hat, wurde übernommen. Dank Tröpfchenbewässerung kann der  Boden optimal und bedarfsgerecht bedient und dennoch gegenüber der Beregnung rund 30 Prozent Wasser gespart werden. Rund 50 Kulturen wurden entweder im Freiland oder in einem der Folientunnel angebaut. Der gute alte Grünkohl oder Rote Beete, die es mittlerweile auch als aromatische Bunte Beete gibt, wurden zu heimlichen Stars.  

Dass die Idee Kreise zieht, zeigt auch, dass die Solawi Schweinfurt und Umgebung ganz aktuell neun Interessierte aus Gerolzhofen und Umgebung hat und über die Einrichtung eines Depots für diese neuen potenzielle Anteileigner nachdenkt. Fest steht bereits, dass in der kommenden Saison auf größerer Fläche angebaut wird. 1600 Quadratmeter eines benachbarten Feldes wurden zugepachtet, was weitere Ernteanteile ermöglicht. 

Viele Erfahrungen und neue Freundschaften

Wie früher auf dem Bauernhof. Fleißige Helferinnen haben die Zwiebeln zusammengebunden.
Foto: Helmut Glauch | Wie früher auf dem Bauernhof. Fleißige Helferinnen haben die Zwiebeln zusammengebunden.

Gewachsen ist aber in diesem Jahr nicht nur reichlich gesunde und vitaminreiche Nahrung, sondern vor allem auch die Gemeinschaft, so die Erfahrung von Erich Morgenstern und den beiden Gärtnern Till Brather und Markus Löffler-Willner. Ein Image-Film wurde erstellt, Kinder haben ihre eigenen Beete, kamen zum Beispiel auch zum "Kartoffelkäfersammeln" und entdecken die Natur für sich.

Viele Mitglieder kommen zum Helfen, vor allem ältere Menschen, die früher vielleicht selbst einen Garten hatten, schätzen es, unter Leuten und in der Natur zu sein. Gisela Brather und Elfriede Endres zum Beispiel haben knapp 30 Stunden damit verbracht Zwiebel zu Bündeln zu binden und zum Trocknen unters Dach zu hängen. Genauso gehört für die beiden aber auch dazu, sich Nachmittags den mitgebrachten Kaffee und Kuchen beim Kaffeekränzchen im Grünen schmecken zu lassen. So ist eine richtige Solawi-Community mit neuen Freundschaften entstanden.     

Der Humustag war gut besucht, beim "Ackertag" waren mehr als 30 Mitglieder da, eine Jurte wurde angeschafft, die mittlerweile mit einem Ofen ausgestattet wurde und mehr und mehr zur "guten Stube" auf dem Acker wird. Ein Workshop zum Thema Ayurveda fand bereits statt, am Samstag, 19. Oktober, um 15 Uhr kommt Elias Bretscher, der bekannt wurde, weil er auf den Grüninseln im Kreisverkehr Musik macht, um in der Jurte auf dem Acker am Keilgarten in Bergrheinfeld ein Konzert zu geben. 

Reichlich was los auf dem Acker

Solawi, so eine Bilanz nach dem ersten Jahr, ist mehr als nur Früchte und Gemüse, sondern auch Lebensqualität und das Zusammensein mit Gleichgesinnten.  "Natürlich gibt es einige, die der Solawi nach der ersten Saison den Rücken kehren, weil sie merken, dass sie nicht zu ihnen passt, die allermeisten aber bleiben dabei", so Erich Morgenstern. Kindergärten und Schulen haben das Feld besucht, Gäste aus Texas und Dubai wurden begrüßt. Der Boden für eine gute Entwicklung ist also im wahrsten Sinn des Wortes bereitet. Auch die Akzeptanz seitens Anliegern und Landwirten sei sehr gut,  betont Erich Morgenstern. "Wenn wir mal einen Traktor brauchen, findet sich immer ein Landwirt, der uns aushilft", so seine Erfahrung.   

Hier darf jeder mit anpacken. An geeignetem Gartengerät herrscht jedenfalls kein Mangel.
Foto: Helmut Glauch | Hier darf jeder mit anpacken. An geeignetem Gartengerät herrscht jedenfalls kein Mangel.

Meist braucht die Solawi aber keine schweren Maschinen. Nach wie vor bewältigen die angestellten Gärtner das meiste in Handarbeit, achten darauf, dass der Boden nicht zu sehr verdichtet wird. Fachleute wie Markus Löffler-Willner oder Till Brather tun alles, damit der Bodenorganismus stimmt, die Kompostierung optimal verläuft und Kulturen, die gut zusammenpassen, sich ein Beet teilen. Samen für die nächste Aussaat werden selbst gezogen, und die heuer mit den verschiedenen Kulturen gemachten Erfahrungen werden im kommenden Frühjahr in die Arbeit einfließen.        

Samen, wie hier zum Beispiel der von Sonnenblumen, werden gesammelt und stehen im kommenden Frühjahr für die Aussaat zur Verfügung.
Foto: Helmut Glauch | Samen, wie hier zum Beispiel der von Sonnenblumen, werden gesammelt und stehen im kommenden Frühjahr für die Aussaat zur Verfügung.

2020 wird es, wenn alles klappt, den ersten Solawi-Honig geben und mehr von den Wunschfrüchten Honig- und Wassermelone.  Insofern schauen die Solawi-Macher ganz entspannt auf die kommende Saison, in der man nicht wie heuer "von Null" anfangen muss. Strukturen, Anbaufläche Gemeinschaftsgefühl, der Erfahrungsschatz und reichlich Feldfrüchte und Gemüse – alles darf in der kommenden Saison bei der Solawi Schweinfurt und Umgebung munter weiterwachsen. Nur die hungrigen Kaninchen, die heuer schon kurz nach dem keimen junge Pflänzchen abfraßen, dürften es im kommenden Jahr schwerer haben – denen wurde nämlich ein Zaun in den Weg gestellt.   

 
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