Wer von Schweinfurt nach Bergrheinfeld fährt oder die Autobahnauffahrt dort nutzt, hat ihn vielleicht schon gehört. Elias Bretscher spielt Gitarre am Kreisverkehr und singt gegen den Lärm der Autos an. Doch die Abgase der Fahrzeuge stören den Schüler noch viel mehr. Mit seiner Aktion will er auf den Klimawandel aufmerksam machen. "Ich spiele ein bisschen Gitarre und versuche, die Leute darauf hinzuweisen, dass jeder etwas zum Klimaschutz beitragen kann", sagt der 17-Jährige.
Durch die Autobahn und den Stadtverkehr Richtung Schweinfurt ist am frühen Abend viel Verkehr. Einige Autofahrer hupen und winken ihm freundlich zu. Einer lässt die Scheibe herunter und ruft "Respekt!" heraus. Andere fahren zusätzliche Runde, um ihn singen zu hören. Nicht alle Reaktionen sind Bretscher zufolge so positiv. "Manche Autofahrer schütteln auch den Kopf oder tippen sich an die Stirn, während sie hier vorbeifahren", sagt er.
Als Bretscher Anfang Februar das erste Mal für den Klimaschutz musizierte, stand er mitten auf dem Kreisverkehr. "Das gab ein bisschen Ärger mit der Polizei", sagt der Schüler. Er sei gerügt worden, müsse aber nicht mit weiteren Konsequenzen rechnen. Heute steht er am Rand des Kreisverkehrs auf dem Radweg – das habe die Polizei ihm abgesegnet.
"Am Anfang hat es Überwindung gekostet, auf dem Kreisel zu spielen", sagt der Schüler, der sich als zurückhaltend beschreibt. In die Innenstadt will er daher nicht spielen, auch wenn er dort vielleicht mehr Menschen erreichen würde. "Da bin ich nicht der Typ dafür", sagt Bretscher. Dort wirke es, als würde er für Geld spielen. "Mach es einfach für das Herz, nicht für Geld" steht auf Englisch auf einem seiner Pappschilder. Vier Schilder mit verschiedenen Sprüchen lehnen an seinem Fahrrad.
Aktion soll zum Nachdenken anregen
Bretschers Forderungen an die Politik darauf sind klar: Ernsthafte Bemühungen zum Klimaschutz, ein möglichst früher Kohleausstieg und die Senkung des CO2-Ausstoßes, wie er in den Klimaverträgen zugesichert wurde. Auch deshalb spielt er nicht in der Fußgängerzone, sondern an der viel befahrenen Straße. "Ich möchte die Leute zum Nachdenken darüber anregen, ob sie wirklich mit dem Auto fahren müssen", sagt er. Der Kreisverkehr sei deshalb auch ein symbolisch passender Ort für seinen musikalischen Protest.
Bretschers Schilder kommen auch bei den "Fridays for Future"-Demonstrationen in Schweinfurt zum Einsatz. Er ist im Organisationsteam für den Auftritt in den Sozialen Medien verantwortlich und veröffentlicht regelmäßig einen Podcast zu Umweltthemen. Besonders freut er sich, wenn der Stadtbus vorbeifährt, in dem viele junge Leute sitzen, die seine Botschaften sehen.
Bretscher geht in die elfte Klasse der Fachoberschule in Schweinfurt. "Die erste Demo in Schweinfurt war sehr, sehr spät. Deshalb habe ich überlegt, was ich tun kann", sagt der Schüler aus Grafenrheinfeld. "Ich spiele vor allem Lieder, die man aus den Charts kennt", sagt Bretscher. Viel von Ed Sheeran, weil die Lieder des britischen Sänger leicht zu spielen seien. Überwiegend Liebeslieder, selten Songs mit gesellschaftskritischen oder politischen Texten. "Da ist die Auswahl zu klein, weil ich lieber Lieder spiele, die einfach zu singen sind und mit wenigen Akkorden auskommen."
Im Inneren des Berges.
Ich sehe Feuer,
welches die Bäume verbrennt.
Und ich sehe Feuer,
Das die Seelen aushöhlt.
Schon sechs Nachmittage macht er am Kreisverkehr Musik. "Meistens bleibe ich so lange, wie meine Finger durchhalten". Als Fünfjähriger spielte er das erste Mal auf der Gitarre, dann habe er das Instrument lange Zeit vernachlässigt. Vor eineinhalb Jahren brachte ihm sein Vater die Grundgriffe auf der Gitarre noch einmal bei, alles weitere lehrte er sich selbst.
Meistens sitzt er mittwochs am Kreisverkehr und singt zwei bis drei Stunden. An diesem Nachmittag muss Bretscher etwas früher los als sonst. Eine Besprechung für die nächste Demo steht noch an. Mit der Gitarre auf dem Rücken und den Plakaten in der Hand, fährt er auf seinem Fahrrad in Richtung Bergrheinfeld davon.
Alex Radina