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Gerolzhofen
Ungewöhnliches Gefährt: In Gerolzhofen gibt es jetzt eine knallbunte Rikscha für Senioren
In knalligen Farben und mit zwei Sitzen fällt die neue Rikscha der Gerolzhofener Nachbarschaftshilfe sofort ins Auge. Doch was hat es mit dem Projekt auf sich?
Rundfahrt durch die Altstadt: Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Nachbarschaftshilfe testen in der Innenstadt von Gerolzhofen die neue Fahrrad-Rikscha für Seniorinnen und Senioren.
Foto: Daniel Peter | Rundfahrt durch die Altstadt: Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Nachbarschaftshilfe testen in der Innenstadt von Gerolzhofen die neue Fahrrad-Rikscha für Seniorinnen und Senioren.
Marco Karaschinski       -  Marco Karaschinski ist in Lübeck geboren und aufgewachsen. Nach seiner schulischen Ausbildung zum Kaufmännischen Assistenten mit Schwerpunkt Wirtschaftsinformatik und seinem Abitur zog es ihn 2019 nach Würzburg. Hier studierte er Political and Social Studies und arbeitete als freier Mitarbeiter in der Würzburger Lokalredaktion. Marco Karaschinski ist seit April 2024 Volontär bei der Main-Post.
Marco Karaschinski
 |  aktualisiert: 27.06.2024 02:47 Uhr

Es klickt, als Irmgard Fröhling der Anschnallgurt der Rikscha angelegt wird. Ihre Nervosität ist deutlich zu spüren, doch sie gibt sich gelassen und ist voller Vorfreude. "Das wird mal ein anderer Spaziergang", freut sich die 80-Jährige, als die zusätzliche Sicherheitsstange vor ihr montiert wird. Es ist das erste Mal, dass die Rikscha der Nachbarschaftshilfe in Gerolzhofen einen Fahrgast außerhalb des Trainings transportieren wird. Beginnen wird die Fahrt auf dem Vorplatz der Einrichtung.

Die Idee für die Anschaffung des Gefährts kam von Christoph Bäumer. Der 69-Jährige ist Mitglied der Nachbarschaftshilfe Gerolzhofen. Er habe im vergangenen Jahr seinen Schwager im Altenheim besucht, welches eine Rikscha-Fahrt als Familienausflug anbot und es sei ein tolles Erlebnis gewesen. "Es war großartig und alle hatten einen riesengroßen Spaß, da dachte ich mir, sowas brauchen wir auch in Gerolzhofen."

Gesagt, getan, ab sofort wird das beeindruckende Gefährt für Spazierfahrten bereitstehen. Zwischen 30 und 60 Minuten soll eine Fahrt dauern, jedoch seien dies bisher nur Schätzungen, sagt Edith Kimmel von der Nachbarschaftshilfe. Auch wie weit man komme und welche Wege gut befahrbar seien, müssten die Erfahrungen erst zeigen.

Auf dem zweiten Sitz hat es sich der Fahrer Udo Cox selbst gemütlich gemacht und erklärt Frau Fröhling die Funktionsweise der Doppelsitzrikscha mit Elektromotor. Nachdem alles eingestellt ist, wird kräftig in die Pedale getreten, um das wuchtige Gefährt in Gang zu setzen. Die Fahrt beginnt vor der Nachbarschaftshilfe und führt im gemächlichen Tempo über das unebene Pflaster auf den Marktplatz, wo einige Runden gedreht werden.

Die neue Rikscha-Crew der Nachbarschaftshilfe Gerolzhofen mit ihrem ersten Fahrgast: (v.l.) Christoph Bäumer, Ralf Bender, Lars Petry, Edith Kimmel, Irmgard Fröhling, Bianca Pfützner, Udo Cox, Katja Hinzer und Benita Kämmerer.
Foto: Daniel Peter | Die neue Rikscha-Crew der Nachbarschaftshilfe Gerolzhofen mit ihrem ersten Fahrgast: (v.l.) Christoph Bäumer, Ralf Bender, Lars Petry, Edith Kimmel, Irmgard Fröhling, Bianca Pfützner, Udo Cox, Katja Hinzer und Benita ...

Nachbarschaftshilfe hofft auf viele Passagiere

Um die 10.000 Euro habe die Anschaffung gekostet, sagt Kimmel. Zustande bekommen habe man das Projekt nur durch einen Spendenaufruf und das Engagement aus der Region. Finanziert wird die Rikscha außerdem durch eine Förderung der ländlichen, integrierten Entwicklung (ILE). Um den Zeitraum bis zur Auszahlung der Förderung zu überbrücken, erhielt die Nachbarschaftshilfe einen zinsfreien Kredit vom Versorgungsbetrieb Rettner aus Gerolzhofen.

"Jetzt benötigen wir nur noch einen dauerhaften Stellplatz für die Rikscha", sagt Edith Kimmel. Sie hoffe auf eine leerstehende Garage oder einen trocknen Platz, den jemand freiwillig zur Verfügung stellt. Auch das Fahrer-Team könne noch tatkräftige Unterstützung gebrauchen, sagt sie. "Wir freuen uns über jeden, der mitanpacken möchte", erklärt Udo Cox. Die Einführung zur Benutzung der Rikscha und den altersgerechten Umgang mit den Fahrgästen, lerne man an einem Tag, dann sei man bereit, so der Fahrer weiter.

Trotz des schwierigen Untergrunds des Marktplatzes, der besonders bei Radfahrerinnen und Radfahrern in der Vergangenheit immer wieder zu Stürzen führte, sei es besonders wichtig, sehr aufmerksam und gefühlvoll zu manövrieren, so Rikschafahrer Lars Petry. Er ist Mountainbiker und war begeistert von der Idee, als er hörte, dass die Nachbarschaftshilfe eine Rikscha anschafft. "Es ist eine tolle Sache, besonders für Menschen, die alleine nicht mehr überall hinkommen. Man möchte ja auch im Alter noch was erleben", sagt der 44-Jährige.

Die Arbeit sei ehrenamtlich und die Rikscha könne ganz problemlos telefonisch oder per Mail gebucht werden. Die Fahrten sind kostenlos, aber über Spenden freue man sich dennoch, so Kimmel. "Der Sinn der Rikscha ist, es, älteren Menschen ein Stück Lebensqualität zurückzugeben und mit ihnen schöne Ausflüge zu machen." Als kostenloses Taxi zum Einkaufen oder für private Termine, sei der Service nicht gedacht.

Pure Begeisterung: Irmgard Fröhling nach ihrer ersten Rikscha-Tour der Nachbarschaftshilfe in Gerolzhofen.
Foto: Daniel Peter | Pure Begeisterung: Irmgard Fröhling nach ihrer ersten Rikscha-Tour der Nachbarschaftshilfe in Gerolzhofen.

Mit großer Leidenschaft und Euphorie

Bei der ersten Ausfahrt sieht man, wie geschmeidig das Gefährt über die Steine rollt – ohne Ruckeln oder Schwanken. Es ist deutlich zu merken, wie sehr Irmgard Fröhling den kurzen Ausflug genießt und mittlerweile auch die anfängliche Nervosität mit jedem weiteren Meter verschwindet.

Es alten Menschen wieder ermöglichen, dass sie ihre Lieblingsorte in der Region nochmal besuchen können – das ist die Motivation der zehn frisch gebackenen Rikscha-Pilotinnen und Piloten der Nachbarschaftshilfe in Gerolzhofen. Sie freuen sich auf die Fahrten und hoffen, dass sich das Angebot schnell etablieren wird. "Es bewegt mich sehr, alten Menschen die Möglichkeit zu geben, ihnen mal wieder eine Stunde lang die schöne Welt zu zeigen und sie an Orte zu bringen, zu denen sie wegen ihres Alters alleine nicht mehr kommen würden", sagt Rikschafahrer Ralf Bender mit Tränen in den Augen.

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Mit einem zufriedenen Lächeln erreichen Fahrgäste und Fahrer wieder den Vorplatz der Nachbarschaftshilfe. "Es war wunderbar! Ich werde es in meinem Bekanntenkreis herumerzählen, dass es jeder mal probiert hat", freut sich Fröhling. Sie sei fast schon ein wenig traurig, dass die Fahrt vorbei sei, aber sie ist sich sicher, dass es nicht ihre letzte war, so die Seniorin.

 
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