Der Aufschrei war groß, als bekannt wurde, dass in Schweinfurt die Erstaufnahmeeinrichtung in ein Ankerzentrum für Flüchtlinge umgewandelt wird. Anker ist die Abkürzung für Ankunft, Entscheidung und Rückführung. Seit 1. August gibt es nun das Ankerzentrum in der ehemaligen Ledward-Kaserne. Wie reagieren die Sicherheitsbehörden auf die neue Situation? Wir fragten nach beim Polizeipräsidium Unterfranken.
Erfordert die Umwandlung der Erstaufnahmeeinrichtung zu einem Ankerzentrum eine Neuaufstellung des Sicherheitskonzeptes?
Nein. Sicherheitskonzepte unterliegen beim Polizeipräsidium Unterfranken zwar generell einer regelmäßigen Überprüfung und werden angepasst, wenn sich beispielsweise bauliche Veränderungen ergeben. Im aktuellen Fall ist eine Änderung jedoch nicht von Nöten.
Wenn viele Flüchtlinge ohne Perspektive und ohne Beschäftigung längere Zeit in großen Unterkünften auf engem Raum zusammenleben müssen, kann dies zu Konflikten führen. Wird die Zahl der Polizeibeamten in Schweinfurt aufgestockt?
Die Polizeiinspektion Schweinfurt hat bereits bei der Eröffnung der Erstaufnahmeeinrichtung im Jahr 2015 eine personelle Verstärkung von acht Beamten erhalten. Die derzeitigen Planungen des Innenministeriums sehen nur eine Aufstockung des privaten Sicherheitsdienstes im Ankerzentrum vor.
- Lesen Sie auch: Hilfsorganisationen kritisieren Ankerzentren scharf
Wird die Polizei im Bereich des Ankerzentrums verstärkt Streife fahren?
Beamte der Polizeiinspektion sind in der Ankereinrichtung ständig präsent.Einsatzsituationen werden regelmäßig ausgewertet und überprüft. Außerdem stehen die Beamten im ständigen Kontakt mit dem Sicherheitsdienst.
Sind im Ankerzentrum mehr Kontrollen erforderlich?
Die Polizei führt dort regelmäßig Kontrollen durch. Im Jahr 2017 gab es in der Aufnahmeeinrichtung insgesamt fünf Großkontrollen neben den kleineren regelmäßigen Kontrollen.
Wie erfolgt die Zusammenarbeit mit dem privaten Sicherheitsdienst?
Die Leitung der Ankereinrichtung ist das Bindeglied zwischen dem privaten Sicherheitsdienst und der Polizei. Daneben gibt es einen regelmäßigen Austausch unter den Kollegen.
Wird auch die ehrenamtliche Sicherheitswacht im Bereich des Ankerzentrums eingesetzt?
Das Einsatzgebiet der ehrenamtlichen Sicherheitswacht beschränkt sich auf das Stadtgebiet. Ein Einsatz in der Ankereinrichtung ist nicht vorgesehen. Dies leistet die Polizei ausschließlich mit eigenen Einsatzkräften.
Im Ankerzentrum werden Menschen verschiedener Nationalitäten untergebracht. Besitzen die dort eingesetzten Beamten ausreichend interkulturelle Kompetenz?
Eine entsprechende Beschulung erhalten die Polizeibeamten bereits in der Ausbildung. Bei Veränderungen der Nationalitäten werden die Einsatzkräfte nachgeschult. Aktuell werden dem Schweinfurter Ankerzentrum vorwiegend Flüchtlinge aus Algerien, Armenien, Somalia, Nigeria und der Elfenbeinküste zugeteilt.
Wenn Abschiebungen direkt aus dem Ankerzentrum heraus erfolgen, sind Proteste und Tumulte nicht ausgeschlossen. Stehen Zusatzkräfte auf Abruf bereit?
Bei den Abschiebungen in der Vergangenheit kam es zu keinerlei Problemen. Die bisherigen Auseinandersetzungen in der Aufnahmeeinrichtung hatten allesamt andere Ursachen. Jede einzelne Abschiebung wird von der Polizei vorab aber taktisch bewertet und entsprechend vorbereitet.
Erfolgen die Abschiebungen tagsüber oder nachts?
Dies ist abhängig von den Flugzeiten. Diese sollen nicht spontan durchgeführt, sondern in einem zeitlich angemessenen Rahmen vorbereitet werden.
Gibt es bei der PI Schweinfurt eine Spezialabteilung fürs Ankerzentrum?
Es gibt Fachsachbearbeiter für Ausländerrecht und Asylthematik. Außerdem sind tagsüber Polizeibeamte vor Ort. Ansonsten übernimmt der Streifendienst die Sachbearbeitung im Ankerzentrum.
Wie viele Einsätze werden durchschnittlich im Bereich der Aufnahmeeinrichtung gefahren?
Im Zeitraum vom 1. August 2017 bis 31. Juli 2018 gab es 840 Polizeieinsätze in der Schweinfurter Aufnahmeeinrichtung. Die Anlässe waren ganz unterschiedlicher Art. Die Bandbreite reichte von Hilfeleistungen und Unterstützungen des Rettungsdienstes beziehungsweise der Feuerwehr (hier insbesondere bei Feueralarmen) bis hin zur Schlichtung von Streitigkeiten oder Aufnahme von Straftaten.
Rechnet die Polizei künftig mit mehr Einsätzen?
Nach den bisherigen Erfahrungen der Polizei bedeutet die alleinige Erhöhung der Zahl der Bewohner der Ankereinrichtung nicht automatisch einen Anstieg der Einsatzzahlen. Auf eine eventuelle Veränderung des Einsatzgeschehens soll aber ein besonderes Augenmerk gelegt werden, um rechtzeitig reagieren zu können.