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Schweinfurt
Immer mehr Leerstand: Verödet Schweinfurts Innenstadt?
Um die Zukunft der Innenstadt zu retten, stieß die SPD eine rege Diskussion an. Was sich Händler jetzt wünschen, wie die Stadt plant und worauf der Handelsverband pocht.
Nicht nur Corona hat die Innenstadt und die Händler in Schweinfurt vor große Probleme gestellt. Was kann die Verwaltung tun, um immer mehr Leerstand zu verhindern?
Foto: Nicolas Bettinger | Nicht nur Corona hat die Innenstadt und die Händler in Schweinfurt vor große Probleme gestellt. Was kann die Verwaltung tun, um immer mehr Leerstand zu verhindern?
Nicolas Bettinger, Volontär, Mediengruppe Main-Post
Nicolas Bettinger
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:34 Uhr

Knapp 80 leerstehende Ladenflächen zählt Schweinfurts Innenstadt derzeit. Einige sind erst durch die Corona-Pandemie hinzugekommen, der negative Trend zeigte sich jedoch schon in den Jahren zuvor. Der immer stärker werdende Onlinehandel, verändertes Kaufverhalten der Kunden, erschwerte Bedingungen für Händler. Die Liste der Gründe für immer mehr Leerstand ist lang und wird immer länger. Auch in Schweinfurt. Viele Geschäftsflächen sind seit längerem in besten Lagen ungenutzt. Stellt sich die Frage, ob diese Entwicklung noch aufzuhalten ist oder verödet Schweinfurts Innenstadt unaufhörlich?

Klar ist: Unter diesen Gesichtspunkten erscheint ein Spaziergang durch das Stadtzentrum durchaus schmerzhaft. So stehen laut Handelsverband etwa in der Kesslergasse 26 Prozent der Geschäftsflächen leer. In der Rückertstraße mussten sechs von 30 Läden schließen, auch die Spitalstraße und andere gut gelegene Passagen sind stark von Leerstand betroffen. Eine dichtbesiedelte und belebte Innenstadt, wie man sie heute freilich in vielen deutschen Städten vermisst, sieht anders aus. Darüber täuschen auch die zugeklebten Schaufenster leerstehender Geschäfte nicht hinweg.

Handelsverband: "Man sieht, dass es im Rathaus andere Prioritäten gibt"

Axel Schöll, Kreisvorsitzender des bayerischen Handelsverbandes, sitzt in seinem Schuhgeschäft in der Rückertstraße und kennt die Probleme nur zu gut. Zwar ist er froh, dass die Corona-Auswirkungen allmählich nachlassen und sich die Umsätze für den Schweinfurter Handel "langsam wieder Richtung Normalität bewegen". Dennoch beobachtet er seit Jahren eine dramatische Entwicklung, was die Innenstadt als Ganzes betreffe.

Leerstand, wie hier am Georg-Wichtermann-Platz, gibt es in Schweinfurt reichlich.
Foto: Stadt Schweinfurt | Leerstand, wie hier am Georg-Wichtermann-Platz, gibt es in Schweinfurt reichlich.

Mengin, Casalino. Schöll zählt exemplarisch ein paar Geschäfte auf, die in der Vergangenheit den Entschluss fassen mussten, aufzuhören. Den meisten Schließungen folgten Leerstände, zu selten kamen neue Händler und schlossen die Lücken, die sprichwörtlich immer größer werden. "Man sieht, dass hier einiges liegen geblieben ist, dass es im Rathaus andere Prioritäten gibt", sagt Schöll und richtet seine Kritik an die Stadtverwaltung, allen voran an den Oberbürgermeister. Der Kreisvorsitzende rechnet in den kommenden Jahren noch mit weiteren Schließungen.

Viele Ideen, um die Innenstadt attraktiver zu machen

Für Schöll, der den Austausch mit Schweinfurts Wirtschaftsförderung sowie dem Citymanagement zwar schätzt, dem jedoch "von ganz oben" zu wenig kommt, ist es nun höchste Zeit, zu handeln. Deshalb fordert er zahlreiche Veränderungen, um die Innenstadt wieder attraktiver zu machen. Allen voran nennt er das Thema Mobilität. Dies fange schon bei den Parkmöglichkeiten an. Abermals schlägt er vor, das Parken in der Innenstadt zu gewissen Zeitfenstern kostenlos anzubieten, um somit mehr Menschen anzulocken. Dabei helfen könnten ebenso mehr Abstellmöglichkeiten für Fahrräder, zentrale Ladestationen für E-Bikes sowie ein überdachtes Verkehrskonzept an viel befahrenen Stellen.

Anstatt immer mehr Flächen mit Beton zu überdecken, fordert Schöll mehr Begrünung, mehr Bäume in der Stadt. "Das macht den Innenstadtbereich für viele Menschen reizvoller, und auch in Sachen Klima sei das sinnvoll." Zudem nennt er das Thema Bürokratie. Es müsse viel mehr auf dem "kurzen Dienstweg" gehen. Man brauche dringend eine "Kommunikation auf Augenhöhe" zwischen Verwaltung und Handel.

"Man muss Innenstadt neu denken"

Das Wichtigste sei, den Handel in der Innenstadt wieder zu zentrieren. "Wir müssen versuchen, Läden aus Randlagen dazu zu bekommen, in die 1a-Lagen zu ziehen. Dabei müsste dann etwa die Stadt finanziell helfen, sollten sich Händler die teureren Mieten nicht leisten können. Freistehende Flächen in Randlagen dagegen könnten dann wiederum umfunktioniert werden, etwa in Wohnraum. Schölls Botschaft: Die Ideen und Konzepte sind reichlich vorhanden. Jetzt müssten Citymanager Thomas Herrmann und Pia Jost von der Wirtschaftsförderung nur endlich mit mehr Kompetenzen und Freiheiten ausgestattet werden, um die anstehenden Aufgaben auch umsetzen zu können. Doch was sagt die Stadt zu den Forderungen?

Gestaltete Beklebungen der FHWS verhindern immerhin den unschönen Blick in leerstehende Geschäftsräume.
Foto: Nicolas Bettinger | Gestaltete Beklebungen der FHWS verhindern immerhin den unschönen Blick in leerstehende Geschäftsräume.

"Man muss Innenstadt neu denken", betont Citymanager Herrmann, wohlwissend, dass es nach wie vor schwierig sei, neue Händler zu finden, die nach Schweinfurt kommen. Im Gespräch mit der Redaktion weist er zwar auf die eine oder andere Neueröffnung hin. Dass sich jedoch etwas Grundlegendes ändern muss, bestreitet auch er nicht. "Grundsätzlich muss man sich klar machen, dass Handel nicht mehr eins zu eins durch Handel ersetzt werden kann", so Herrmann. Deshalb habe man sich viele Gedanken gemacht, wie man die Innenstadt dennoch beleben könne. Es seien noch nicht alle Ideen spruchreif, da sie noch vom Stadtrat abgesegnet werden müssten.

Kann "urbane Produktion" Schweinfurts Innenstadt beleben?

Was Herrmann aber bereits verrät, ist ein sogenannter Maßnahmenplan. "Wir müssen eine Bestandsaufnahme machen, indem wir abfragen, welche Leerstände wie genutzt werden könnten." Man wolle mit Eigentümern sprechen, prüfen, wo Investitionen und Förderungen sinnvoll sind. Und letztendlich brauche man neue Ideen, betont Pia Jost. Eine Idee sei bereits weit ausgereift und nenne sich "urbane Produktion". Man müsse jetzt prüfen, inwieweit das für Schweinfurt geeignet sei, "aber ich bin da sehr optimistisch", so Jost.

Hinter der "urbanen Produktion" steckt die Idee, mehr Arbeitsplätze in die Innenstadt zu bekommen. So könnten leerstehende Ladenflächen von Branchen genutzt werden, "die nicht unbedingt einen Schornstein brauchen", erklärt Jost das Prinzip "Stadtfabrik". IT, Robotik, Handwerk. Zahlreiche Unternehmen könnten so ihre Arbeitsstätten direkt in die Innenstadt verlegen. "Wenn das funktioniert, haben wir mehr Leute in der Stadt, haben mehr Frequenz, was dann auch wieder den anderen Geschäften zugutekommt", sagt Jost.

Zudem, so Jost, könnten leerstehende Flächen temporär auch bildenden Künstlern als Atelier dienen, was das Stadtbild attraktiver mache. 

SPD sucht Gespräch mit Schweinfurts Handel

Die Stadt macht sich also Gedanken, wie man die Innenstadt der Zukunft gestalten könnte. Doch was kann kurzfristig getan werden, um der gebeutelten Einzelhandelsbranche unter die Arme zu greifen? Mit dieser Frage beschäftigten sich nun Akteure des Schweinfurter Handels. Die SPD-Stadtratsfraktion hatte zu einer Online-Konferenz eingeladen, an der auch Axel Schöll vom Handelsverband sowie Thomas Herrmann als Ansprechpartner der Stadt Schweinfurt teilnahmen. Allgemeiner Tenor: Konzepte gibt es genug, jetzt muss gehandelt werden.

Die SPD veranstaltete eine Online-Diskussion mit Akteuren aus Handel, Politik und Stadtverwaltung, um über die Zukunft und die Probleme der Innenstadt zu sprechen.
Foto: Nicolas Bettinger | Die SPD veranstaltete eine Online-Diskussion mit Akteuren aus Handel, Politik und Stadtverwaltung, um über die Zukunft und die Probleme der Innenstadt zu sprechen.

"Bevor wir das Thema mit in den Stadtrat nehmen, wollen wir erstmal mit denen sprechen, die den Kopf tagtäglich hinhalten müssen", sagte dazu SPD-Stadtrat Ralf Hofmann. Denn klar sei: Die Innenstadt wird morgen nicht mehr so aussehen wie gestern. Das bestätigten auch die teilnehmenden Geschäftsleute, Einzelhändler und Gastronomen. Auch hier wurde das Potential leerstehender Verkaufsflächen als Wohnraum herausgearbeitet. Jedoch dürften sich Menschen, die in die Innenstadt ziehen, später dann auch nicht beschweren, wenn die Kneipe nebenan vielleicht etwas lauter ist.

Auch sogenannte Cluster, wonach einzelne Passagen nach Branchen oder Dienstleistungen eingeteilt werden – etwa eine Kneipen-Straße – könnten möglichen Investoren helfen. Neben der Erkenntnis, dass Schweinfurt eine Vision, eine Gesamtidee für die Zukunft braucht, wurde der Ruf nach kurzfristigen Maßnahmen lauter. Und so wurden in der Diskussion diverse Ideen besprochen. Etwa mehr Events in der Innenstadt, mehr Musik und Kunst. Auch Spielplätze, Grünflächen und Sitzgelegenheiten könnten eine Stadt attraktiver machen und die Verweildauer verlängern. Axel Schöll fasst zusammen: "Ideen sind vorhanden, wir brauchen jetzt kein Palaver mehr, sondern jemanden, der sofort handelt."

 
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  • uwe.luz@t-online.de
    Lösungsvorschlag: Da alle Bemühungen, aus SW etwas zu machen, erfolglos wären und nur Geld kosten würden, einfach den Ort umbenennen in "Einödhausen".
    Das kostet wenig, ist vegan, genderneutral und entspricht der Situation.
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  • Reinshagen153@t-online.de
    @vob: das klingt nach einem Würzburger Kommentar. Fakt ist, dass die SWer Innenstadt, 5 Min. von der A 70, viel leichter mit dem Auto aus allen Richtungen Mainfrankens erreichbar ist, als die Autofahrerhölle WÜ. Zudem bietet die Stadtgalerie, 5 Min. von der A 70, 1.300 Stellplätze, die erste Stunde kostenlos! Zudem hat die östliche Innenstadt (Altstadt) mit ihren Plätzen, Höfen und i. Ggs. zur WÜer Innenstadt guter Gastronomie, eine viel höhere Aufenthaltsqualität. Aber man wuchert zu wenig mit diesen Pfunden in der Außendarstellung. Außerdem ist zu bedenken, dass der Hafen-Ost eine der größten Fachmärkteagglomerationen Deutschlands ist! So was sah ich weder in Frankfurt, HH oder Berlin. Natürlich werden da Kunden aus der City abgezogen. Sie sollten auch wissen, dass SW einen wesentlich höheren Einzelhandels-Zentralitäts-Index hat als WÜ und durch den Hafen-Ost eine enorm hohe Einzelhandelsfläche pro Einwohner! Dazu kommt im WÜer Talkessel im Sommer unerträgliche Hitze & miese Luft.
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  • Reinshagen153@t-online.de
    Heute war ich in Erfurt. Unglaublich, was ich dort um den Fischmarkt und am Anger sah: Menschenmassen, die die Gehsteige nicht fassten, wie ich das bisher nur auf Fotos aus Japan & Chnia sah. Es war auch BUGA & Oktoberfest, aber das ist nicht der einzige Grund. Ich sah in der großen Innenstadt keinen einzigen Leerstand, die baulicherseits mondäner ist, als die Hamburger City: durch eine ganz andere Biographie, ohne Kriegs-Zerstörungen, mit großen Fassaden aus der Gründerzeit (Jugendstil & Historismus).

    Attraktive Häuser stehen nicht leer, sondern nur Hütten (siehe Lange Zehntstraße Ecke Spitalstraße). Als ich meinen Weg durch die Menschenmassen am Anger bahnte, dachte ich an diese hässlichen Ecken, auch am Roßmarkt! Kein Wunder, dass sich dort niemand aufhalten will. Am Roßmarkt würde nur ein ganz großer Wurf helfen! Roßmarkt & Erfurter Anger sind wie C-Klasse & Champions League. Der Anger stellt Hamburg in den Schatten, trotz viel weniger Kapital! Fazit: auf die Bauten kommt es an!
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  • Funkenstern
    Das fatale an der Situation ist der Vermieter und der Staat. Will er zu günstig vermieten, wenn er wollte, kriegt er einen Tritt vom Finanzamt. Die meisten Vermieter leben noch in der fetten Zeit. Sagt denen mal, das das rum ist.
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  • Frankonius22
    Ich sage nur "Stadtgalerie".
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