Montagnachmittag in der Ortsmitte von Hirschfeld. An der Bushaltestelle steht die 14-Jährige Wiktoria zusammen mit den beiden elfjährigen Zwillingen Selma, Lina und der sechsjährigen Marlene. Sie blicken die St. Kilian-Straße hinunter. "Von dort aus ist immer der Bus gekommen", sagt Wiktoria. Die Schülerin besucht, wie Selma und Lina auch, eine weiterführende Schule in Schweinfurt. Lange ohne Probleme, sagt sie. Bis September 2022. "Dann ist der Bus nicht mehr nach Hirschfeld gekommen."
Neben Victoria stehen die beiden Väter der Kinder, Robert Mikiciuk und Frank Galka. "Wir fahren unsere Töchter seit fast einem Jahr morgens täglich nach Heidenfeld oder bringen sie gleich nach Schweinfurt, damit sie rechtzeitig zur Schule kommen", sagt Galka. Im drei Kilometer entfernten Heidenfeld fahre wieder ein Bus, der die Kinder zu einer angemessenen Zeit nach Schweinfurt bringe.
Das, was Wiktoria, Lina und Selma und ihre Familien derzeit täglich mitmachen, erleben in diesen Wochen viele Familien im Landkreis Schweinfurt. Schon seit längerem herrscht im Regionalbusverkehr ein Durcheinander. Busse kommen zu spät zum Unterricht, fahren lange Umwege oder fallen gar komplett aus. Grund dafür sind die großen Personallücken im zuständigen Busunternehmen Metz, das große Teile des Linienverkehrs im Landkreis stemmt. Die Folge: veränderte Fahrpläne und längere Fahrtzeiten auf Linien, die meist auch Schülerinnen und Schüler transportieren.
In Hirschfeld scheint die Situation allerdings besonders bezeichnend zu sein, denn es fahren durchaus Busse durch die am Main liegende Ortschaft. "Für die Hirschfelder Schüler, die in Schweinfurt eine weiterführende Schule besuchen, war am Morgen die Buslinie ab Hirschfeld um 6.52 Uhr vorgesehen", sagt Frank Galka. Bereits vergangenes Jahr jedoch hatte das Busunternehmen bekannt gegeben, die Linie aufgrund des Personalnotstands nicht mehr wie vorgesehen befahren zu können und hat den Fahrplan umgestellt.
"Alternativ könnten unsere Kinder nur einen früheren Bus nutzen, der um 6.32 Uhr fahren würde und um 6.59 Uhr an der Heilig-Geist-Kirche in der Stadtmitte wäre", sagt Galka. Nicht die beste Option findet der Vater. "Dann müssten unsere Kinder aber schon um 5.30 Uhr aufstehen und im Winter in der Kälte warten, bis die Schulen öffnen." Schülerin Wiktoria Mikiciuk ergänzt: "Ich merke jetzt schon, wie meine Konzentration nachlässt, wenn ich morgens manchmal 40 Minuten vor Unterrichtsbeginn warten muss."
ÖPNV auch Teil der Debatte im Kreistag
Die Debatte über die derzeitige Situation im ÖPNV ist schon längst auch auf der politischen Ebene angekommen. "Es ist schon bemerkenswert, dass die Schulbuslinien betroffen sind. Die Eltern erwarten Lösungen", kommentierte CSU-Kreisrätin und Landtagsabgeordnete Anja Weisgerber die Gesamtlage in der zweiten Sitzung des Kreistags am vergangenen Mittwoch in Schweinfurt. Landrat Florian Töpper bezeichnete die Situation bereits in den vergangenen Wochen als "bedauerlich" und verwies hier erneut auf die rechtlich komplizierten Hürden beim ÖPNV.
Das eigentliche Problem ist die wirtschaftliche Struktur des ÖPNV im Landkreis Schweinfurt. Aktuell ist dieser eigenwirtschaftlich organisiert, erläutert Jana Mai, Leiterin der Abteilung Umwelt und Bau des Landkreises. Eigenwirtschaftlichkeit bedeutetet, dass nicht der Landkreis den Transport organisiert, sondern privat wirtschaftende Verkehrsunternehmen. Deren Angebote und Fahrten müssen, sagt Mai, so kalkuliert und geplant werden, dass Gewinne erzielt werden.
Als Aufgabenträger des ÖPNV muss das Landratsamt Schweinfurt zwar die Schulwegkostenfreiheit garantieren, ist jedoch letztlich nicht für den Transport der Schülerinnen und Schüler an sich zuständig. Das bedeute, so Mai, dass der Landkreis als Aufgabenträger lediglich dazu verpflichtet sei, berechtigten Schülern eine Fahrkarte auszugeben. Der direkte Weg zur Schule muss dazu bei Kindern der fünften bis einschließlich zehnten Klassen bei mindestens drei Kilometern liegen. Dafür stellt der Landkreis seinen Schülerinnen und Schülern seit einigen Monaten das Deutschlandticket zur Verfügung.
Nur wenn an einem Ort dauerhaft, also für mehrere Monate, kein ÖPNV-Angebot und keine offizielle Linie vorbeiführen, erstattet der Landkreis den Bürgerinnen und Bürgern gegebenenfalls die privaten Anfahrtskosten von wenigen Kilometern. Allerdings nur bis zur nächstgelegenen offiziellen Linie.
Landkreis baut ÖPNV grundlegend um
Um künftig mehr Handhabe über den ÖPNV zu gewinnen, plant das Landratsamt deshalb nun das ganze System umzustellen. Von eigenwirtschaftlich auf gemeinwirtschaftlich. "Dadurch können wir offener reagieren", sagt Mai. Durch diese Umstellung werden der Verkehr und die Fahrpläne auf die Daseinsvorsorge umgestellt und müsse keinen Gewinn mehr abwerfen. Kann ein Unternehmen den dann abgeschlossenen Verkehrsvertrag nicht erfüllen, kann der Landkreis schneller und unter anderem auch mit direkten Sanktionen gegen das Transportunternehmen eingreifen. Allerdings erhöhten sich dadurch auch die Kosten für den Landkreis deutlich, so Mai.
Damit sich derzeitige Situation allerdings schon im kommenden Schuljahr verbessert, suchen der Landkreis, die Regierung von Unterfranken und das betroffenen Unternehmen seit Mai nach einer schnellen Lösung. Parallel zum Umbau des Systems hat der Landkreis deshalb die betroffenen Linien in einem vorgezogenen Vergabefahren am 10. Juli neu ausgeschrieben, sagt Mai. Dadurch, so hofft die Verwaltung, solle sich die Situation zumindest zum neuen Schuljahr im September spürbar verbessern. "Für die konkrete Lösung bleibt das Ergebnis des Vergabeverfahrens abzuwarten."
Hirschfelder schicken ihre Schüler nach Gaibach
In Hirschfeld jedenfalls freue man sich über jede Art von schneller Hilfe, sagt Frank Galka. "Es ist für uns kein Problem, eine Zeit lang auszuhelfen und in den sauren Apfel zu beißen, aber wir können unsere Kinder doch nicht bis zum Abitur nach Schweinfurt in die Schule fahren", verdeutlicht er. Viele Familien suchen sich unter anderem wegen der unpassenden ÖPNV-Anbindung Alternativen und schicken ihre Kinder auf die näher gelegene Schule in Gaibach (Lkr. Kitzingen). "Unsere Töchter aber wollen nach Schweinfurt." Es dürfe doch nicht sein, dass ihr Schulwunsch durch den ÖPNV beeinträchtigt werde, sind sich die Eltern einig.
Im Übrigen hat der Landkreis gerade eben gesetzlichen Möglichkeiten ausgenutzt um eine zeitnahe Lösung zu finden.
All dies dürfte ihm bekannt sein.
1. öffentlicher Grundschulen, Mittelschulen und Förderschulen,
2. öffentlicher oder staatlich anerkannter Realschulen, Gymnasien, Berufsfachschulen [...]
ist durch den Aufgabenträger sicherzustellen. Aufgabenträger ist bei Grundschulen, Mittelschulen und Förderschulen der Träger des Schulaufwands, im übrigen die kreisfreie Stadt oder der Landkreis des gewöhnlichen Aufenthalts der Schülerinnen und Schüler."