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Gerolzhofen
Nach massiven Ausfällen im Schweinfurter Busverkehr: Woran liegt es, dass so viele Fahrerinnen und Fahrer fehlen?
Deutschlandweit fehlen derzeit 7800 Busfahrerinnen und Busfahrer. Auch Schweinfurter Busunternehmen suchen händeringend nach Fachkräften. Ob es am Image liegt?
Busunternehmen und Speditionen suchen händeringend nach Fahrerinnen und Fahrern. Dabei scheint das aktuelle Chaos im Schweinfurter ÖPNV laut Stimmen aus der Branche nur der Beginn einer andauernden Krise zu sein.
Foto: Josef Lamber | Busunternehmen und Speditionen suchen händeringend nach Fahrerinnen und Fahrern. Dabei scheint das aktuelle Chaos im Schweinfurter ÖPNV laut Stimmen aus der Branche nur der Beginn einer andauernden Krise zu sein.
Marcel Dinkel
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:26 Uhr

Ausgerechnet in Zeiten von Klimawandel und Deutschlandticket kommt es auf den Regionalbuslinien im Landkreise Schweinfurt immer öfter zu Verspätungen oder sogar ganzen Ausfällen einzelner Busfahrten. Fahrgäste klagen immer häufiger über stundenlange Wartezeiten, überfüllte Busse oder ausfallende Fahrten.

Vielen Pendlerinnen und Pendlern bleibt da meist nur noch Fahrrad oder Auto. Warum schlägt der Fachkräftemangel gerade beim ÖPNV so heftig ein? Was Expertinnen und Experten aus der Branche zur Personalnot sagen und welche Lösungsansätze auf dem Tisch liegen.

Wie viele Busfahrerinnen und Busfahrer fehlen derzeit?

94 Prozent der mittelständischen Busunternehmen leiden laut Till Dreier vom Bundesverband Deutscher Omnibusunternehmen (bdo) unter massivem Personalmangel, was dazu führt, dass immer mehr Betriebe ihre Aufträge oder Linien nicht mehr bedienen können. Laut Zahlen des bdo fehlen aktuell 7800 Busfahrerinnen und Busfahrer in Deutschland. Die Hälfte aller Fahrerinnen und Fahrer sind über 55 Jahre alt. Dazu kommen die Effekte des Deutschland-Tickets, die Verkehrswende und der enorme Bedarf an Schienenersatzverkehr durch die anstehende Generalsanierung der Bahn. Bis 2030 rechnet Dreien damit, dass 87.000 Busfahrerinnen und Busfahrer fehlen werden. Die Gewerkschaft Verdi rechnet sogar mit bis zu 300.000 fehlenden Fahrerinnen und Fahrern deutschlandweit.

Sind private und öffentliche Unternehmen gleichermaßen vom Fahrermangel betroffen?

Stadtwerke und private Unternehmen sind gleichermaßen betroffen. Eine Umfrage der Redaktion unter den Busunternehmen und Kommunen im Raum Schweinfurt hat ergeben, dass die derzeitigen Ausfälle zwar hauptsächlich ein Busunternehmen betreffen. Dennoch ist der herrschende Fahrermangel in der Branche allgemein bekannt, sagt Alexandra Schmitt vom Busunternehmen Seger aus Münnerstadt. Allein beim Busunternehmen H. Metz aus Schwebheim sind aktuell elf Stellen unbesetzt.

Die Stadtwerke Schweinfurt beschäftigen laut Pressesprecher Dirk Wapki aktuell 73 Busfahrerinnen und Busfahrer. Aufgrund von Personalengpässen – speziell in der Urlaubszeit – ist die Situation auch dort angespannt. Grund dafür ist auch hier, dass immer mehr Angestellte in Rente gehen. "Aufgrund altersbedingter Fluktuation suchen die Stadtwerke permanent Busfahrer, um diese vakanten Stellen wiederzubesetzen", so Wapki.

Worin liegen die Gründe für den Mangel an Fahrerinnen und Fahrern?

Die Hauptursachen des Nachwuchsmangels liegen aus Sicht des bdo bei der Dauer und den Kosten der Ausbildung sowie hohen Sprachbarrieren. Um die Lücken im Personalnetz zu schließen, setzen Unternehmen verstärkt auf Fachkräfte aus dem Ausland. Zumindest, wenn die derzeitige Gesetzeslage beim Fahrpersonal und dem Arbeitskräftezuzug aus Drittstaaten dem keinen Strich durch die Rechnung macht. Ausländische Führerscheine werden von deutschen Behörden oft nicht anerkannt und Fachkräfte nicht zielgerichtet angeworben, so der bdo.

Die Schweinfurter Verdi-Gewerkschafterin Marietta Eder macht auch das schlechte Image und die oft unattraktiven Arbeitsbedingungen für den Fahrermangel verantwortlich. Arbeitszeiten an Samstagen, Sonn- und Feiertagen stellen eine zusätzliche Belastung dar und machen Dienstleister im Vergleich zur Industrie unattraktiver, so Eder. Dem Busunternehmer Harry Metzt bereitet auch der wachsende Mangel an Respekt gegenüber dem Personal seitens vieler Fahrgäste große Sorgen. Fühlt sich eine Fahrerin oder ein Fahrer nicht sicher bei der Arbeit, weil sie oder er angepöbelt oder gar bedroht wird, lasse sich das keineswegs durch ein höheres Gehalt oder geringere Arbeitszeiten beheben, so der Unternehmer.

Liegt es am Gehalt, dass niemand mehr Busfahrer werden will?

Fragt man bei den Busunternehmen, beteuern diese, dass ihre angestellten Fahrerinnen und Fahrer zufrieden mit dem Verdienst seien. Busfahrer werden im Regionalverkehr nach Tarif bezahlt, sagt Marietta Eder von Verdi Schweinfurt. Dort haben Angestellte aktuell einen Stundenlohn von 15 Euro. Das Einstiegsgehalt liegt laut Verdi derzeit bei monatlich 2500 Euro Brutto. Mit den Jahren steigt das Gehalt weiter an. Das Durchschnittsgehalt von Vollzeitbeschäftigten lag in Deutschland im April 2022 laut Statistischem Bundesamt bei 4105 Euro Brutto. Allerdings lägen knapp zwei Drittel aller Angestellten unter diesem Wert. Was die Fahrerinnen und Fahrer von Stadtbussen angeht, verhandeln die Gewerkschaften derzeit mit Kommunen und Unternehmen.

Was kostet ein Busführerschein?

Laut den Busunternehmen liegen die Kosten eines Busführerscheins je nach Anzahl der Fahrstunden zwischen 6500 und 10.000 Euro. Alexandra Schmitt vom Busunternehmen Seger vermutet, dass seit dem Wegfall der Wehrpflicht potenziell weniger Menschen einen Busführerschein erwerben. Im Laufe der Dienstpflicht hatten viele Wehrdienstleister einen Lkw-Führerschein erworben, was es ihnen später ermöglichte, einen Busführerschein günstiger hinterherzuschieben. Der Busführerschein der Klasse D wird in der Regel bei der Einstellung als Busfahrer vorausgesetzt. 

Um sich Führerscheinkosten für Fahrer zu sparen, haben sich Busunternehmen vereinzelt schon eigene Fahrschulbusse angeschafft und arbeiten mit den Fahrschulen zusammen. Die gänzliche Übernahme des Führerscheins durch die Busbetriebe sei für ein eigenwirtschaftlich geführtes Unternehmen allerdings nicht machbar, sagt Metz.

Könnte autonomes Fahren eine Lösung sein?

Laut Till Dreier vom bdo werden autonome Busse aktuell noch erprobt. Meist handelt es sich aber nur um Pilotprojekt, bei denen bis zum Markteintritt noch viele Jahre vergehen. Und selbst dann bräuchte es aus Sicht Dreiers weiterhin Begleitpersonal in Bussen. Der Landkreis Schweinfurt möchte mithilfe des Konzepts "Callheinz" den Nahverkehrsplan ab Sommer 2024 unterstützen und das Angebot auch auf den Westen und den Nordosten des Landkreises Schweinfurt ausweiten. Für Fahrerinnen und Fahrer von Callheinz wird kein großer Busführerschein mehr benötigt.

Was fordern Verbände und Busunternehmen von der Politik?

Busunternehmen und Verband fordern eine Entbürokratisierung und Vereinfachung der Berufskraftfahrerausbildung. Darin müssten die Regeln zum Wohnortprinzip und dem Mindestalter angepasst werden. Konkret hieße das, Fremdsprachen beim Erwerb von Führerschein zuzulassen, das Mindestalter herabzusetzen, ausländische Führerscheine anzuerkennen sowie bürokratische Hürden bei der Fachkräfteeinwanderung aus Drittstaaten abzubauen.

Aufgrund der langen Bearbeitungsdauer von Visumanträgen in den deu­tschen Auslandsvertretungen dauere es oft viel zu lange, bis eine Fachkraft in Deutschland mit dem Arbeiten anfangen kann. Die Gewerkschaftlerin Marietta Eder glaubt, dass es zudem mehr Investitionen in den ÖPNV braucht, in Form von modernen Elektrobussen, höheren Gehältern und Zuschlägen – egal ob bei Stadtwerken oder Regionalbussen.

 
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  • H. V.
    Was ist denn mit den Flüchtlingen von 2015? Nach 8 Jahren könnten doch Quali-Maßnahmen fertig sein. Oder waren tatsächlich damals alle ITler, Arzt und Lehrer und arbeiten in diesen Berufen? Oder hilft Zuwanderung gar nicht gegen Fachkräftemangel?
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  • M. B.
    Na wenn alle Arzt oder Lehrer waren - wo arbeiten die dann...fehlen doch so viele Lehrer und auch Ärzte
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  • P. K.
    Wären die Zugewanderten ITler, Ärzte oder Lehrer, dann würde es heißen: „Die Flüchtlinge nehmen den (gut ausgebildeten) Deutschen die Arbeitsplätze weg.“
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  • M. K.
    Na die potentiellen Busfahrer arbeiten jetzt alle für amazon ….
    Oder DPD oder GLS oder UPS oder DHL
    Und alle fahren sie überall hin - Irrsinn.
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    Wundert es wirklich irgendwen, dass niemand für 2500€ brutto nachts, am Wochenende und feiertags arbeiten möchte und dann noch 10 Scheinchen für den Busführerschein bezahlen will? Und will mir wirklich jemand weismachen, dass bei den aktuellen Lebenshaltungskosten die Fahrer mit diesem Gehalt zufrieden sind? Hört sich für mich eher nach Grimms Märchenstunde an.
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  • P. S.
    Es sind doch fast 2 Mio Fachkräfte seit 2015 ins Land gekommen. Die müssten doch froh sein, wenn sie einen Führerschein machen können und dann eine sichere Anstellung haben?
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  • R. A.
    Nein, denn das Amt bezahlt soviel, dass die mit dem, was von dort kommt, zufrieden sind. Aufgrund unterschiedlicher Mentalitäten hören manche Landsleute auf zu arbeiten, wenns für den Moment reicht. In Deutschland reicht es für zuviele Momente.
    Zum Thema Busfahrer: da muss mehr von der Politik kommen. Die Gehälter angepasst und auch der Zufriedenheitsfaktor wiederhergestellt werden.
    In D müssen die Menschen auch wieder lernen, ÖPNV zu nutzen.
    Das setzt jedoch einen Fahrplan voraus, der auch einer sein will. Daran krankts und das muss verändert werden. Ich bezeichne das als Quadratur des Kreises. Schwer zu lösen.
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  • H. H.
    Des stimmt mit der Bezahlung - @ ticktricktrack -

    allerdings muss man das Pferd glaub ich von der anderen Seite aufzäumen. Wenn der Unterschied zwischen dem tatsächlich bezahlten Gehalt und der Staatsknete sich in einer messbaren Verbesserung der Lebensumstände niederschlagen würde statt sich über den zusätzlichen Aufwand an Lebenszeit und Stress plusminus in Luft aufzulösen, dann wäre vmtl. schon etwas gewonnen.

    Wenn das aber so läuft, dass die "Ausschreiberitis" (der Billigste kriegt den Zuschlag) schwerpunktmäßig auf dem Rücken der "Fachkräfte" ausgetragen wird, braucht man sich über einen gewissen Mangel an diesen nicht zu beklagen.

    Ich frage mich sowieso, wann der Tag kommt, wo die Bezeichnung "Fachkraft" als Beleidigung justiziabel wird, denn vielleicht mag nicht jede/r vernünftig Ausgebildete einsehen, das gleiche "Ansehen" zu "genießen" wie Leute, für die die Einstellungs-Standards auf praktisch Null abgesenkt wurden, weil man sonst niemanden kriegen könnte...
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  • H. B.
    Hahaha…… der is gut 🤣🤣🤣🤣
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  • P. K.
    Die sind bestimmt super froh darüber, genau die schlecht bezahlten Tätigkeiten zu machen, auf die die Deutschen keinen Bock mehr haben…
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  • R. A.
    Wenn dann schon die Flüchtlingsberater miteingreifen, dass die auch ja die richtigen Jobs bekommen, dann sind wir auf dem richtigen Weg. Ironie aus.
    Geh mal in andere länder, wie es da ausschaut. Nur bei uns fliegen die gebratenen Tauben vom Himmel mitsamt den euros, die dazugehören.
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  • H. B.
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