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Schweinfurt
Schweinfurter Antrag: Willy Sachs soll kein Ehrenbürger mehr sein
Der Großindustrielle wurde 1936 zum Ehrenbürger Schweinfurts ernannt - und hat eine düstere Nazi-Vergangenheit. Stadträte wollen nun parteiübergreifend das Stadion umbenennen.
Das Willy-Sachs-Stadion soll in 'Sachs-Stadion' umbenannt werden. Das fordern acht von neun im Stadtrat vertretene Parteien und Wählergruppen, die auch Willy Sachs die Ehrenbürgerwürde aberkennen möchte wegen seiner umstrittenen Nazi-Vergangenheit.
Foto: Oliver Schikora | Das Willy-Sachs-Stadion soll in "Sachs-Stadion" umbenannt werden. Das fordern acht von neun im Stadtrat vertretene Parteien und Wählergruppen, die auch Willy Sachs die Ehrenbürgerwürde aberkennen möchte wegen seiner ...
Oliver Schikora
 |  aktualisiert: 10.05.2023 10:24 Uhr

Der 9. November 1938, der Tag des Novemberpogroms, ist in der Geschichte der jüdischen Bevölkerung in Deutschland sicher einer der furchtbarsten Tage, auch in Schweinfurt. Der 9. November 2020 dagegen geht in die Geschichte der Stadt ein als ein Tag der Demokraten.

An diesem Montag nämlich reichten die SPD-Stadträtin Julia Stürmer-Hawlitschek und ihr Kollege Adi Schön von den Freien Wählern bei Oberbürgermeister Sebastian Remelé (CSU) den Antrag ein, dem 1958 gestorbenen früheren Großindustriellen Willy Sachs die Ehrenbürgerwürde posthum zu entziehen und das nach ihm benannte Fußballstadion umzubenennen. Der Antrag wird am 24. November in der Stadtratssitzung behandelt werden. Es ist zu erwarten, dass er angenommen wird, denn acht von neun im Stadtrat vertretene Parteien und Wählergruppen haben dafür unterschrieben. Die AfD hatten die Initiatoren nicht kontaktiert.

Die Forderung, Willy Sachs die Ehrenbürgerwürde zu entziehen, die ihm 1936 kurz vor seinem 40. Geburtstag der damals von den Nationalsozialisten eingesetzte Oberbürgermeister Ludwig Pösl und sein nicht demokratisch gewählter Stadtrat verliehen hatten, wird in Schweinfurt seit vielen Jahren erhoben. Vor allem die Schweinfurter Initiative gegen das Vergessen hatte sich dafür eingesetzt. Einen konkreten Antrag dafür im Stadtrat hatte es bisher aber nicht gegeben - und schon gar nicht mit einer so großen Mehrheit der Räte.

"Willy Sachs war kein Vorbild", sagt Julia Stürmer-Hawlitschek, "er war ein Täter und kein Mitläufer." Adi Schön findet, 75 Jahre nach Kriegsende sei es Zeit, diesen Fehler aus der nationalsozialistischen Vergangenheit zu korrigieren, die für die Industriestadt Schweinfurt aufgrund der kriegswichtigen Kugellagerindustrie massive Zerstörungen im Bombenkrieg bedeutete.

"Willy Sachs war kein Vorbild. Er war ein Täter und kein Mitläufer."
Julia Stürmer-Hawlitschek, SPD-Stadträtin in Schweinfurt.

Willy Sachs "war ein Nationalsozialist aus Überzeugung", schrieb der Historiker Andreas Dornheim in seinem 2015 erschienenen Buch "Mobilität und Motorisierung. Eine Unternehmensgeschichte" über die Firma Fichtel & Sachs. Seit 2001 gehört sie zum ZF-Konzern in Friedrichshafen, mit über 9000 Arbeitnehmern ist sie heute der größte unterfränkische Arbeitgeber.

Der 1896 geborene Willy Sachs, einziger Sohn des legendären Firmengründers Ernst Sachs, war Mitglied der SS, pflegte freundschaftliche Beziehungen zu hochrangigen NS-Funktionären wie dem Oberbefehlshaber der Luftwaffe, Hermann Göring, SS-Reichsführer Heinrich Himmler und dem Leiter des Reichssicherheitshauptamtes, Reinhard Heydrich. Dieser war im nationalsozialistischen Terrorregime der Hauptorganisator des Holocaust, dem über sechs Millionen Menschen zum Opfer fielen.

Willy Sachs (2.v.r.) und Nazigrößen am 23. Juli 1936: Zur Eröffnung des vom ihm gestifteten Stadions kamen auch Heinrich Himmler (2.v.l.) und Hermann Göring (Mitte) nach Schweinfurt.
Foto: Sachs Archiv | Willy Sachs (2.v.r.) und Nazigrößen am 23. Juli 1936: Zur Eröffnung des vom ihm gestifteten Stadions kamen auch Heinrich Himmler (2.v.l.) und Hermann Göring (Mitte) nach Schweinfurt.

Der NSDAP hatte Willy Sachs eine Million Reichsmark gespendet. Er habe, so Historiker Dornheim, "aus dem roten einen braunen Betrieb" machen wollen. Als an Sachs' 40. Geburtstag in Schweinfurt das Willy-Sachs-Stadion eingeweiht wurde, waren auch Himmler und Göring zu Gast. Sachs profitierte mit seiner Firma erheblich von den Aufträgen der Nationalsozialisten während des Krieges, in seinen Werken arbeiteten unter brutaler Ausbeutung rund 4000 versklavte Zwangsarbeiter aus vielen Ländern. 1948 wurde Willy Sachs, nachdem er zwei Jahre interniert gewesen war, von der damaligen Spruchkammer als Mitläufer eingestuft.

Luftbild des Willy-Sachs-Stadions in Schweinfurt und des dazugehörigen Areals.
Foto: Günther Hübner | Luftbild des Willy-Sachs-Stadions in Schweinfurt und des dazugehörigen Areals.

Die Unterzeichner der Stadtratsantrags im Namen von CSU, SPD, Grünen, Freien Wählern, Linken, der FDP, proschweinfurt und der Initiative Zukunft./ödp schlagen nun vor, das Willy-Sachs-Stadion in "Sachs-Stadion" umzubenennen, um damit zu würdigen, dass die Unternehmerfamilie das Areal der Stadt stiftete. Außerdem soll dort eine Tafel über die Gründe für die Umbenennung informieren.

Es wäre nicht das erste Mal, dass eine Sportstätte in Unterfranken einen neuen Namen bekäme. 2003 unter Oberbürgermeisterin Pia Beckmann (CSU) hatte eine Initiative in Würzburg Erfolg, die Carl-Diem-Halle wurde zur s.Oliver-Arena. Der in Würzburg geborene Sportfunktionär Carl Diem war wegen seiner Nazi-Vergangenheit umstritten, er hatte unter anderem 1945 die Hitlerjugend zum Kampf gegen die anrückende Rote Armee bis in den Tod aufgerufen.

Beckmann hatte zur Umbenennung damals gesagt: "Diem blieb bis zuletzt bei seinem Credo vom Sport als Schule der Wehrertüchtigung. Er steht nicht für die Zukunft des Sports, sondern für das dunkelste Kapitel in der deutschen Vergangenheit."

 
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    Vor 30 Jahren hätte ich gedacht "Mh, reichlich spät...dieses Ansinnen"... jetzt - da kann man eigentlich nur noch ungläubig mit dem Kopf schütteln und sich tatsächlich fragen, ob wir keine anderen Probleme in der heutigen Zeit haben.
    Eine Gedenktafel, die über die Person W.S. sachlich aufklärt, wäre doch auch eine ausreichende Maßnahme.
    Mit den logischen Konsequenzen, die im Rahmen einer Namensumbennung zu ziehen wären (siehe einzelne Vorkommentatoren) will man sich dann ja offensichtlich lieber nicht mehr beschäftigen.
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  • J. W.
    Da müsste ja alles hinterfragt werden, was nach Persönlichkeiten benannt wurde. Was ist mit Christopher Columbus oder Julius Echter zum Beispiel? Für den Erstgenannten habe ich schon kritische Plakate gesehen. Und der Beiname von Echter ("Der Schlächter") sagt doch auch schon alles. Da kann man ja gleich versuchen alles mit "neutralen" Namen zu versehen.
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  • W. S.
    Ob nun ohne Vorname oder mit macht jetzt auch keinen so großen Unterschied. Aber es stellt sich die Frage, warum der Stadt erst jetzt auffällt, was für ein Mann das war. In Würzburg war es das Gleiche mit Carl Diem und er nach ihm benannten Halle. Die hat allerdings wenigstens einen komplett neuen Namen bekommen
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  • B. L.
    Schämt euch ihr Stadträte, die so einen Unfug wollen.
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  • C. P.
    was wäre Schweinfurt ohne die Familie sachs
    ein etwas grösseres Dorf?
    alles was für die bürger getan wurde ist mit der Familie s a c h s
    verbunden
    lassen wir das so
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  • U. L.
    Das Vorgehen ist inkonsequent. Möchte man sich - nachvollziehbar - von Willy Sachs distanzieren, muss mann - wenn man seriös handelt - der Familie Sachs auch das "schmutzige Nazi-Geld" zurückzahlen, welches sie für den Stadionbau aufgebracht hat. Wenn schon - denn schon. Aber dieser logischen Konsequenz will man aus dem Weg gehen, indem es jetzt nur noch "Sachs-Stadion" heißen soll. Aber bei dieser Namensgestaltung denkt sich doch jeder Schnüdel das "Willy" dazu. Dann kann man die ganze Prozedur auch gleich sein lassen.
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  • A. H.
    o.k., damit ist der Irrsinn endlich auch in der u terf. Provinz angekommn...
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  • A. H.
    o.k., damit
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  • R. S.
    "Sachs Stadion" statt "Willy Sachs Stadion"
    Ich beglückwünsche die Stadträtin mit dem Doppelnamen und Adi Schön zu diesem Antrag. Ansonsten hat Schweinfurt keine Sorgen? Warum reißt man das Stadion nicht gleich ab?
    Wer möchte schon ein von einem Nazi Täter (laut Julia S. H.) gestiftetes Stadion haben. Wenn man konsequent ist; niemand. Eine weitere Nutzung ist also heuchlerisch!
    Mein Vorschlag wäre: eine Hinweistafel, die die Person Willy Sachs in der Zeitgeschichte einordnet und seine Nazi Nähe darstellt.
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  • R. S.
    Hamse da net was verwechselt werter Hentinger. Jakob Preh wurde von einem SS Offizier erschossen weil er seine Firma retten wollte???
    Ging es dabei nicht um die kampflose Übergabe der Stadt Bad Neustadt??
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  • W. T.
    Was soll dieser Blödsinn da könnte man viele Opas anprangern Herr Sachs hat viel gutes für die Schweinfurter Bürger gemacht .Es ist erstaunlich wie man auf so alten Käse rumreiten kann haben die keine anderen Propleme.
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  • H. E.
    Kleinbürgerlicher blinder Mitläufer Aktionismus!
    Es wird immer das Willi-Sachs-Stadion bleiben! Und warum lässt man die Toten nicht ruhen? Man beschmutzt die eigene Identität der Stadt!
    Was als Nächstes? Das Sachsbad abreisen?
    Eine lächerliche und unwürdige Aktion!
    Und das auch noch in die Näher des braunen Gesoxes zu stellen haben die Schreiber zu verantworten!
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  • Veraltete Benutzerkennung
    Der Tote darf Ruhen. Man muss aber nicht an prominenter Stelle an Täter der dunkelsten Deutschen Zeit erinnern.
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  • A. H.
    Glückwunsch an die Stadträte, wieder ein Problem gelöst.
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  • J. G.
    Vergangenheit hin oder her, aber man darf nicht verkennen, dass die Schweinfurt ohne die Firma Sachs ein bedeutungsloser Ort geblieben wäre. Das fängt bei den vielen Arbeitsplätzen an und hört bei der Wirtschaftskraft auf. Genauso wie es in Würzburg für mich die Carl-Diem-Halle geben wird, wird das Stadion in Schweinfurt immer das Willy-Sachs-Stadion sein. Klar wurde Willy Sachs als Mitläufer eingestuft, aber das waren früher doch viele.
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    Text nicht gelesen, oder nicht verstanden?
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