Zur Berichterstattung über Willy Sachs im Rahmen der Serie "125 Jahre Sachs" am 31. August erreichte uns folgende Leserzuschrift.
Grund für die Verleihung der Ehrenbürgerschaft an Willy Sachs war nicht seine politische Einstellung, sondern einzigartiges Mäzenatentum: die Stiftung des Stadions. In dieser Rolle taugt Willy Sachs auch heute noch als Vorbild. Sachs handelte aus Verbundenheit mit der Stadt und dem FC 05.
Indem er sie nicht erwähnt, spricht Herr Schikora diesen Motiven offenkundig ihren Vorbildcharakter ab und erhebt politisches Verhalten in einer krisenhaften Zeit zum alleinigen Maßstab. Wenn man diese Auffassung teilt, sollten vor einem abschließenden Urteil alle Ehrenbürger und die Straßennamen diesbezüglich untersucht werden. In anderen Städten ist dies längst geschehen.
Zu Lebzeiten genoss Willy Sachs in Schweinfurt vor allem aufgrund seiner oftmals spontanen Großzügigkeit große Popularität. Doch die Rolle, die ihm als einzigem Sohn des Firmenpatriarchen qua Geburt übertragen war, überforderte seine Talente. Im persönlichen Umgang gelang es ihm kaum, mit den Verantwortlichen in Wirtschaft und Politik auf Augenhöhe zu agieren. Zu impulsiv und sprunghaft erlebte ihn sein Umfeld. Wer Willy Sachs auf politische Äußerungen und seine Beziehungen zu den Verantwortlichen in Staat und Gesellschaft reduziert, spricht ihm auf diesem Gebiet eine Bedeutung zu, die er zeitlebens nicht hatte.
Die persönlichen Kontakte zu Göring, Himmler und Heydrich mögen aus lokaler Perspektive bedeutsam erscheinen. In den maßgeblichen Biographien dieser drei Nazis spielt der Name Sachs keine Rolle, insofern relativiert sich wohl auch ihre tatsächliche Bedeutung. Der „SS-Obersturmbannführer“ war ein Ehrentitel mit dem keine „Karriere“ im eigentlichen Sinne verbunden war. Die SS hätte eine derart labile Persönlichkeit wie Willy Sachs auch kaum im aktiven Dienst gebrauchen können. An Verbrechen war er nicht beteiligt.
Zweifellos ist das Verhalten des Konsuls aus Sicht der Nachgeborenen in vielen Punkten kritikwürdig, doch nach allem, was über Willy Sachs bekannt ist, macht sein Verhalten in der NS-Zeit eine Aberkennung der Ehrenbürgerschaft nicht zwingend notwendig. Vor allem existiert der Grund für ihre Verleihung, das Stadion, bis heute.
Heute fällt es leicht, sich vom Nationalsozialismus zu distanzieren. Die Nazis, das waren und sind „die Anderen“. Wohin dies im öffentlichen Diskurs führt, zeigt eine kürzlich veröffentlichte Umfrage der Wochenzeitung „Zeit“: Nur drei Prozent der Deutschen glauben, dass der Großteil ihrer Vorfahren den Nationalsozialismus befürwortet habe. Ein derart beschönigender Blick auf die eigene Vergangenheit müsste eigentlich die Alarmglocken läuten lassen. Der Lebenslauf von Willy Sachs nach 1933 steht für einen Irrweg der deutschen Geschichte. Ein Einzelfall ist er sicher nicht. Gleichwohl ist er ein Ehrenbürger, dessen Verdienste um Schweinfurt unbestritten sind. Im Sinne einer verantwortungsvollen Erinnerungskultur wäre es ein Stück Ehrlichkeit, seinen Namen nicht aus der Öffentlichkeit zu tilgen.
Dr. Thomas Horling
97453 Mainberg