
Schön sind sie an sich nicht, Schweinfurts letzte alte Arbeiterhäuser in der Gartenstadt zwischen Fritz-Soldmann- und Gartenstadtstraße, Anfang des 20. Jahrhunderts schnell hochgezogen und längst abgewohnt. Die meisten von ihnen stehen leer, teilweise seit Jahrzehnten. Und doch sind sie ein Stück Stadt- und mehr noch Zeitgeschichte der Industriestadt Schweinfurt.
Als erste genossenschaftlich errichtete Arbeitersiedlung habe dieser alte Kern der Gartenstadt geschichtliche Bedeutung, hat das Landesamt für Denkmalpflege vor kurzem seine Entscheidung begründet. Die Entscheidung, das über 100 Jahre alte Quartier als Denkmalensemble in die Bayerische Denkmalliste aufzunehmen.
Das Quartier habe die Idee der erst wenige Jahre zuvor im Deutschen Reich aufgegriffene Gartenstadtbewegung aufgenommen. Damit komme ihr eine weit über die Stadtgrenzen hinaus gehende, hohe architektur- und sozialgeschichtliche Bedeutung zu, so die Entscheidung weiter. Nach Ansicht der Denkmalpfleger spricht aber auch die besondere städtebauliche Bedeutung für den Erhalt des Quartiers im Interesse der Allgemeinheit.
Der Antrag auf Aufnahme in die Denkmalliste kam aus Schweinfurt
Ein Ergebnis, das Schweinfurts Baureferent Ralf Brettin vor kurzem dem Stadtrat mitgeteilt hat. Einen dürfte es in jedem Fall freuen: Stadtheimatpfleger Dag Schröder. Er und weitere "um das historische Erbe der Stadt interessierte Bürger" hatten einen entsprechenden Antrag bei der Denkmalpflege eingereicht. Auch im Stadtrat, der im März einem vom Bauverein gestellten, vorhabenbezogenen Bebauungsplan mehrheitlich zugestimmt hatte, gab es kritische Stimmen. Und die Bitte, die Pläne für die neue Gartenstadt zu überdenken.
Bisher hatte der Bauverein den vollständigen Abriss der alten Häuser geplant. Zu schlecht sei die Bausubstanz, hieß es, eine Sanierung wäre nicht möglich. Anstelle der alten Reihenhäuschen mit den angeschlossenen Gärten sollten moderne Gebäude rücken: dreigeschossige Häuser mit bis zu sechs Wohneinheiten, seniorengerecht, barrierefrei; zweigeschossige Doppelhäuser und Reihenhäuser; die beiden letzteren mit privaten Gartenzonen. Bezahlbares, modernes Wohnen wolle man dort ermöglichen, in 74 Wohneinheiten statt der heute 50, so der Bauverein damals.
Was bedeutet die Entscheidung für den Bauverein Schweinfurt?
Umgesetzt werden sollten die Pläne in mehreren Bauabschnitten, frühestens ab 2025. Geplant sei die Umgestaltung "von oben nach unten", so Vertreter des Bauvereins im Mai 2023. Die Umgestaltung des Quartiers beginne in der Fritz-Soldmann-Straße, um in maximal zehn Jahren in der Josef-Säckler-Straße fertig zu sein. Satteldächer sollte es in dem Gebiet nicht mehr geben. Geplant waren für alle Häuserformen Flachdächer.

Jetzt wird der Bauverein umplanen müssen. Wohin es geht, ist offen. Was bedeutet die Einordnung des Landesamtes für Denkmalpflege konkret? Stadt und Bauverein haben ein Treffen für Anfang des nächsten Jahres vereinbart. Dann wolle man "gemeinsam ausloten, wie aus dem nun zu erhaltenden, aber baulich entwicklungsfähigen Ensemble wieder ein bewohnbares und wirtschaftlich tragbares Quartier geschaffen werden kann", formuliert es Hans Hatos vom Stadtentwicklungs- und Hochbauamt.
Der Bauverein will sich bis dahin sortieren, in Ruhe das weitere Vorgehen erörtern, wie Aufsichtsratsvorsitzender Ralf Hofmann auf Anfrage sagt. Für ihn ist die Stadt nun auch als untere Denkmalschutzbehörde Ansprechpartnerin.
Gartenstadt: Wer's erfunden hat und wie sie nach Schweinfurt kam
Das Quartier der Fritz-Soldmann-, Josef-Säckler-, Georg-Groha- und Gartenstadtstraße ist eng verknüpft mit der Geschichte des Bauvereins. 1917 gerade erst gegründet, beauftragte der Bauverein zwei Jahre später den Münchner Architekten Theodor Fischer mit der Planung einer Reihenhaussiedlung für Beschäftigte der aufstrebenden Industrie in Schweinfurt.
Das Vorbild: das Gartenstadt-Modell. Erfunden hat es ein Brite: Sir Ebenezer Howard (1850-1928). Das Konzept: eine eigenständige Eigenheim- und Werksiedlung mit Gartenland zur Selbstversorgung, gerade von ökonomisch sozial schwachen Bevölkerungsschichten. Deshalb der kleine Garten am Reihenhäuschen, nebst Kleintierstall direkt am Haus. Selbst der war Teil der Pläne, die ab 1920/21 in Schweinfurt umgesetzt wurden. Gebaut wurde schnell und günstig. Später sollte sich genau das rächen.

Gartenstädte gibt es in vielen Städten Deutschlands – allerdings wurden viele erst weit später gebaut als die in Schweinfurt. Ein Beispiel: Bamberg, wo 1935 die ersten Wohnhäuser der Gartenstadt entstanden sind. Auch dort sind nur noch wenige originale Ein- und Mehrfamilienhäuser erhalten, eben weil auch hier die Bauqualität niedrig war und heutigen Ansprüchen nicht mehr genügte. Aber: erhalten geblieben sind die verschiedenen Haustypen.
"Theodor Fischer und die Schweinfurter Gartenstadt" ist der Titel eines Abendvortrags am Donnerstag, 12. Dezember, der sich mit Architektur, Hintergründen und Parallelen beschäftigen wird. Gestaltet wird der Vortrag in der Rathausdiele von Prof. Dr. Matthias Castorph und Dr. Svenja Hollstein (Graz). Beginn: 18 Uhr. Veranstalter ist das Stadtarchiv Schweinfurt.
Wenn Sie die Häuser schon mal von innen gesehen hätten, würden Sie anders denken. Eine marode Gebäudestruktur mit feuchten, dünnen Wänden, morschen Stütz- und Tragbalken, niedrige Raumhöhen, nur Teilunterkellerung, ein nach heutigen Maßstäben unmöglicher Grundriss, um nur einige Punkte zu nennen. Die Häuser wurden nach dem 1. WK in einfachster Weise u. mit billigstem Material gebaut. Das ist einfach unsanierbar, jeder Euro wäre zum Fenster hinausgeworfen. Ein Vergleich mit den Gartenstädten in Bamberg und Nürnberg ist hier völlig unangebracht.
Mit einem Federstrich haben sich die Denkmalschützer nun ein weiteres Bullerbü geschaffen, das sie bis zum vollständigen Verfall behüten können. Ich habe nichts gegen die Erhaltung wertvoller historischer Gebäude, aber hier fällt es mir schwer, einen Wert zu erkennen.
Für Schweinfurt wurde jedenfalls eine große Chance vertan. Mit dem krampfhaften Festhalten an der Vergangenheit kann man die Zukunft nicht gewinnen.
Fehlt nur noch, das man bei der Sanierung des Gebiets - sofern das irgendwann stattfinden sollte - Zauneidechsen, Feldhamster und die blauflügelige Ödlandschrecke findet, damit man noch mehr Spaß als jetzt schon hat.
Wir velamen für 'denselben Preis' ein grosses Gebäude statt der zwei anderen.
Und jetzt sind die Baupreise nochmal gestiegen.... da muss man sehen, was der Denkmalschutz jetzt genau bedeutet
Schlachtschüssel forerver!!
Das passt zu unserer Stadt.
Satire Ende.
Ich könnte Mir da schon vorstellen zu wohnen, in dem alten Quartier, wenn die Wohnungen saniert sind.
Ihre Referenz zum Fischersteig finde ich außergewöhnlich interessant.
Bezüglich des von Ihnen erwähnten Gebäudes am Fischerrain möchte ich anmerken, dass es zwar groß ist, aber durch seine architektonische Gliederung dennoch eine vernünftige und ansprechende Erscheinung hat. Die moderne Gestaltung fügt sich aus meiner Sicht gut in die Umgebung ein und bietet eine zeitgemäße Wohnqualität.
Es ist auch wichtig zu betonen, dass das Quartier vor der Errichtung dieses Gebäudes über Jahrzehnte hinweg vernachlässigt wurde und ein fürchterliches Erscheinungsbild aufwies. Dieses wurde durch den Neubau deutlich verbessert. Wenn die Stadt schließlich ihrer Verpflichtung nachkommt, die Straße zu erneuern, wird das Quartier zusätzlich an optischer Attraktivität gewinnen.
Nachdem Sie selbst im Stadtrat sitzen, wäre es doch mal ein Ansatz sich für eine Verschönerung des Stadtbildes durch die dringend notwendige Neugestalltung der Straße einzusetzen.
Besserer Ort für Wohnen wäre direkt hinter der Gartenstadtschule! Im FNP seit 1984! Aber die Stadt macht hier NICHTS und verschenkt seit Jahrzehnten Neubürger & Einkommensteuer - Bis zur Pleite & Haushaltssperre? Und fördert so die Zersiedelung im Umland.