
Die Konjunktur lahmt, die Nachfrage stockt, vielerorts bauen Unternehmen Arbeitsplätze ab: Seit Monaten befindet sich die unterfränkische Industrie auf Talfahrt. Umso pikanter scheinen da die Forderungen der IG Metall in den gerade begonnenen Tarifverhandlungen der bayerischen Metall- und Elektroindustrie: Sieben Prozent mehr Lohn bei einer Laufzeit von einem Jahr plus 170 Euro brutto pro Monat für Auszubildende.
Lohnforderungen trotz Krise – ist das vereinbar? "Auf jeden Fall", meint Alissia Wetterich, Industriekauffrau beim Wälzlagerhersteller SKF in Schweinfurt. Die 22-Jährige aus Rannungen (Lkr. Bad Kissingen) ist Mitglied der bayerischen Tarifkommission und als Stimme der Jugend bei den derzeit laufenden Verhandlungen in München dabei. Trotz der schwierigen Situation, die sie selbst bei SKF miterlebt, hält sie die Forderungen für wichtig.
IG Metall: Auszubildende verdienen durchschnittlich 1167 Euro im Monat
Azubis in der Metall- und Elektroindustrie verdienen laut IG Metall-Jugend durchschnittlich 1167 Euro im Monat über alle vier Ausbildungsjahre und Tarifgebiete hinweg. "Deshalb ist unsere Forderung dieses Mal umso wichtiger für uns", sagt Wetterich. Die gestiegenen Lebenshaltungs- und vor allem die Wohnkosten würden die Auszubildenden immer stärker belasten.
Laut Ausbildungsreport des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) wohnen 72 Prozent der Azubis bei ihren Eltern oder Verwandten. Ein Drittel der Azubis, die allein leben, sind demnach dafür auf Geld der Eltern angewiesen. 15 Prozent von ihnen müssen laut DGB einen Nebenjob ausüben, Tendenz steigend. Auch Alissia Wetterich sagt: "Es ist einfach Fakt, dass viele Azubis mittlerweile Nebenjobs brauchen, um sich einen normalen Lebensstandard überhaupt noch leisten zu können."
Für eine eigene Wohnung und die Fixkosten einen Job im Fitnessstudio
Wie Katharina Meyer: Sie entschied sich vor zwei Jahren für einen Wechsel von der Medien- in die Metallbranche und begann bei Bosch Rexroth in Schweinfurt eine Ausbildung zur Industriemechanikerin. Trotz der Freude über ihren Beruf sei ihr der Umstieg schwergefallen, sagt die 32-Jährige: "Ich stehe mitten im Leben, habe eine eigene Wohnung, ein Auto und muss natürlich alles selber zahlen."

Für ihre 70 Quadratmeter große Wohnung am Rand der Schweinfurter Innenstadt zahlen Meyer und ihr Partner 1000 Euro im Monat. Dazu kommen Lebenshaltungskosten wie Strom, Internet, Handy, Versicherungen, Sprit und Lebensmittel für monatlich rund 650 Euro. "Mein Anteil an Fixkosten liegt bei 1162 Euro", sagt Meyer.
Weil sie keinen Anspruch auf Wohngeld oder Ausbildungsbeihilfe hat, arbeitet die 32-Jährige nach der Arbeit und an fast allen Wochenenden in einem Fitnessstudio auf 520 Euro Basis. "Alleine könnte ich mir nicht mal meine Miete leisten", sagt die angehende Industriemechanikerin.
Keine Reserven: Großteil des Einkommens fließt in die Miete
Auch Jonas Martin hat sich vor zwei Jahren zu einer weiteren Ausbildung entschlossen, als Werkstoffprüfer bei Schaeffler in Schweinfurt. Für die Chance sei er sehr dankbar. Sein Gehalt jetzt sei im Vergleich zur Ausbildung zum Schreiner auch deutlich besser. Aber, sagt der 28-Jährige: "Geld zurücklegen ist eigentlich nicht möglich."

Er gebe von seinen knapp 1000 Euro Gehalt allein 600 Euro fürs Wohnen aus: zwei Zimmer, 60 Quadratmeter, am Stadtrand von Schweinfurt. Dazu kommen zirka 250 Euro an Lebensmitteln, 200 Euro für Versicherungen, Rundfunk, Handy, Internet und Vereinsbeiträge für insgesamt 140 Euro. Seinen letzten Urlaub hat Martin an der Ostsee verbracht - vor sechs Jahren.
Nach Abzug der Fixkosten bleibe am Monatsende so gut wie nichts mehr übrig, sagt der angehende Werkstoffprüfer. Problematisch wird es, wenn ungeplante Ausgaben wie die Reparatur der Waschmaschine oder eine neue Brille anstehen. Was die Lohnforderungen der IG Metall betrifft, sagt Jonas Martin: "Die 170 Euro würden nicht dafür sorgen, dass bei mir der Wohlstand ausbricht und ich in Zukunft im Gucci-Hemd über das Werksgelände laufe."
Miete, Sprit, Essen: Lebensunterhalt ohne Finanzhilfe der Eltern kaum möglich
Ähnlich sieht das Moritz Löbmann. Der 21-Jährige wohnt mit seiner Freundin in Würzburg und pendelt täglich mit dem Auto nach Schweinfurt zur Arbeit. Ohne die finanzielle Unterstützung seiner Eltern käme er "keine zwei Monate weit", sagt der SKF-Auszubildende. Für die 65 Quadratmeter-Wohnung würden sie zu zweit 950 Euro Miete zahlen. Dazu kommen 300 Euro Spritkosten und 150 Euro für Lebensmittel im Monat, sagt der angehende Industriemechaniker.

Vor diesem Hintergrund hält auch er die aktuellen Forderungen der Gewerkschaft für gerechtfertigt. Blicke man auf die Zahlen, sehe man, dass viele Unternehmen trotz der schwierigen Situation weiter hohe Gewinne einfahren. "Das muss auch wieder bei uns Mitarbeitenden ankommen", meint der 21-Jährige.
Auch die 18-monatige Bundeswehrzeit mußte mit wenigen hundert Mark Sold abgeleistet werden. Hier wird auf wirklich hohem Niveau gejammert ! Ball flach halten kann ichda nur sagen. Warum können sich diese Edel-Azubis überhaupt eigene Wohnungen leisten ? Wir haben da noch bei den Eltern gewohnt. Das würde 1000 € Fixkosten im Monat sparen.
Und: Als ehemaliger Arbeitgeber und Ausbilder weiß ich, wie viel Aufwand (und innerbetriebliche Kosten) jeder einzelne Azubi bereitet. Es hat einen Grund, weshalb ein Auszubildender eine (Ausbildungs-)Vergütung bekommt und kein Gehalt, diese Unterscheidung hätte ich mir von einem seriösen Journalisten auch gewünscht.
Die Ausbildungsvergütungen der Industrie sind sehr fürstlich.
Wenn jemand damit nicht auskommt, in seiner Lehrzeit, dann hätte er sich das vorher überlegen müssen.
Auf der eine Seite ist es gut, dass unser Sozialsystem diese Durchlässigkeit bietet, dass man immer wieder auch mal etwas Neues probieren kann. Aber dass man dadurch im Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung steht, die Sozialsysteme zusätzlich belastet, andere, das direkt oder indirekt mit finanzieren müssen, ist scheinbar egal.
Vielleicht sollte man sich das in Erinnerung rufen wenn wieder über zu wenig Ausbildungsvergütung gejammert wird.
Der Hohn ist ja Mehr Geld fordern, trotz der Gefahr des Stellenabbaus oder Verlagerung ins Ausland, manche bekommen den Hals nicht voll.