Mit einem derartigen Ansturm hatten die Eigentümer des Stadtschreiberhauses vermutlich nicht gerechnet. Bereits eine halbe Stunde vor dem Beginn beim Tag des offenen Denkmals am Sonntag herrschte reges Treiben im Hof des Anwesens in der Weiße-Turm-Straße 8 in Gerolzhofen. Dutzende Neugierige warteten gespannt darauf, zu sehen, wie weit das Ehepaar Förster mit der Sanierung, insbesondere im Innenbereich vorangekommen ist.
Bei dem Bürgerhaus handelt es sich um das älteste weltliche Gebäude der Stadt aus dem Jahr 1453. Seit dem Sommer ist es vom Baugerüst befreit und gibt zumindest nach außen hin seine neu erlangte Schönheit preis, nachdem die Arbeiten an der Fassade und am Dachstuhl abgeschlossen sind.
Begeisterte Reaktionen: "Es ist kaum wiederzuerkennen"
Als Hausherrin Karin Förster am Sonntag die Haustür öffnete für die erste Führung – viele weitere sollten an diesem Tag folgen – waren schon nach wenigen Schritten über die provisorisch verlegten Bohlen im Flur und durchs Treppenhaus die ersten "Ohs" und "Ahs" in der Besuchermenge zu vernehmen. Wenngleich kurze Zeit später immer mal wieder, im Flüsterton, folgte: "Großartig und sehr schön, aber was für eine Arbeit!"
Gelobt wurde von Besucherinnen und Besucher, mit wie "viel Liebe und Sachverstand" (Ruthard Ott) das Projekt umgesetzt wird. Jasmin und Julian Günther aus Euerbach, die selbst gerade ein Haus aus dem 16. Jahrhundert umbauen, hätten ein solch großes Projekt nicht realisiert. Es wäre für sie "drei Nummern zu groß". Und Hilde Unger, die als Mädchen vor gut 70 Jahren zuletzt in dem Haus war, meinte dazu nur: "Es ist kaum wiederzuerkennen."
Bei den Führungen ging Karin Förster kurz auf den Kauf im Jahr 2019 ein. Damals hieß es in der Denkmalliste noch, das sanierungsbedürftige Gebäude, zuletzt bewohnt vom Glasermeister Winfried Hümpfner und danach lange Zeit leerstehend, stammt aus dem 18. Jahrhundert. Es sei ihnen nicht bewusst gewesen, was alles auf sie zukommt, sagt Förster offen.
Schwere Schäden und überraschende Funde
Als sie und ihr Mann die moderneren Oberflächen zurückbauten, kamen Elemente aus verschiedenen Epochen zum Vorschein – und das wahre Alter. Gewissheit brachte die Befunduntersuchung des Landesamtes für Denkmalschutz: Die Verblattung der Balken des Dachstuhls, die "Rähmbauweise", wurde nur bis zum 15. Jahrhundert verwendet.
Eine Herausforderung bei der Sanierung des zweigeschossigen Bürgerhauses ist der Dachstuhl gewesen. Förster berichtete von großen Schäden: Jeder zweite Balken war morsch, viele mussten entfernt und ersetzt werden. Dennoch sind nicht wenige der Originalständer erhalten geblieben. Zimmerer Gerald Kraus habe hier eine "Meisterarbeit" geleistet.
Eine Überraschung erlebten sie beim ersten Besuch des Dachgeschosses: "Da stand eine grüne Wiese am Boden", berichtete Alexander Förster. Der Grund dafür: Zwischen den Balken befand sich ein Lehm- und Strohgemisch, und das feuchte Stroh hatte wieder zu keimen begonnen. Als Ersatz hat man nun neue Vierkanthölzer, umwickelt mit diesmal trockenem Stroh und Lehm, eingebracht.
Drei Mietwohnungen sollen bis Frühjahr 2024 bezugsfertig sein
Das Dachgeschoss lässt erahnen, welchen Charme das neue "Schmuckstück", wie es manche schon nennen, besitzt. Nachdem viele Trennwände aus Bimsstein herausgerissen wurden, ist mit dem freigelegten, sanierten Dachstuhl ein offener Raum entstanden, der später eine Loft-Wohnung mit 85 Quadratmetern Fläche sein wird. Noch ist das Großprojekt nicht am Ende. Aber die Försters sind optimistisch, dass im Laufe des ersten Quartals die Wohnungen bezugsfertig sind.
Alle drei Einheiten sollen vermietet werden. "Es gibt schon Interessenten", verriet Alexander Förster auf Nachfrage. Im Erdgeschoss entsteht eine barrierefreie Zwei-Zimmer-Wohnung (80 Quadratmeter, im Obergeschoss eine Wohnung mit vier Zimmern (95 Quadratmeter). Im Nebengebäude wird die Heizung untergebracht und in einem weiteren Teilbereich später vielleicht eine Espressobar eröffnen.
Reichlich Unterstützung für die privaten Bauherrn
Eine Fotoausstellung veranschaulichte eindrucksvoll den bisherigen baulichen Fortschritt: vom Zustand vor dem Kauf über den Abriss der neuen Werkstatt sowie den Rückbau moderner Elemente bis zu den umfangreichen Sanierungsmaßnahmen. Diese konnten erst im Sommer vergangenen Jahres beginnen, nachdem der Förderbescheid aus dem staatlichen Entschädigungsfonds für Denkmäler vorgelegen war.
Ohne diese Unterstützung, wie auch weitere seitens der Stadt, des Landkreises, des Bezirks oder der Deutschen Stiftung Denkmalschutz, wäre das Vorhaben für die privaten Bauherrn nicht umzusetzen gewesen. Mit einem unübersehbaren Schriftzug an einer der Infotafeln bedankten sie sich sowohl für die Fördergelder sowie Beratung durch die beteiligten Behörden, als auch bei den beauftragten Firmen und Handwerksbetrieben aus der Region für die bislang gute Zusammenarbeit.
Für die Bewirtung am Tag des offenen Denkmals sorgte der Historische Verein. Der Erlös aus dem Verkauf kommt den Bauherrn zugute.
Ein Gewinn für Gerolzhofen!