Was tut ihr euch da an?! – Irgendwann haben Karin und Alexander Förster aufgehört zu zählen, wie oft Freunde, Bekannte und andere Menschen diesen Satz zu ihnen gesagt haben. Nicht jede und jeder versteht, weshalb das Gerolzhöfer Ehepaar – beide in der Mitte ihres Lebens – sich vor drei Jahren das alte Haus in der Altstadt von Gerolzhofen gekauft hat, einen Sanierungsfall. Einen Teil der Wahrheit verrät Karin Förster während des Besuchs auf der Baustelle: "Es ist viel Arbeit, aber es macht auch Spaß."
Wer sich auf dem Anwesen Weiße-Turm-Straße 8, das auf der direkter Sichtachse zwischen Marktplatz und Weißen Turm liegt, umschaut, erkennt nicht sofort, wo sich dort der Spaß versteckt. Das Dach ist abgedeckt, die Balken des Dachstuhls liegen offen unter einem Notdach aus Planen. Das zweigeschossige Wohnhaus ist eingerüstet, der Außenputz stellenweise bis auf das alte Fachwerk abgeklopft. Die Innenräume sind zum Teil entkernt. Alte Balken sind zu sehen, die Böden fehlen bis auf die Bereiche, wo alte Dielen zum Vorschein kommen. Kurzum: Es schaut vor allem nach sehr viel Arbeit aus, die den Bauherren noch bevorsteht.
Bauherren gaben sich keinen Illusionen hin
Darüber machen sich Karin Förster und ihr Mann auch keine Illusion. Von Anfang an war ihnen klar, dass die Sanierung des Hauses, das vor ihnen Glasermeister Winfried Hümpfner gehört hat, kein Zuckerschlecken werden wird – und auch kein Projekt, das innerhalb eines halben Jahres abgeschlossen ist.
Zusammen mit ihrem Architekten Thomas Buchholz (Wiesentheid) schaltete das Ehepaar von Anfang an das Landesamt für Denkmalpflege (LfD) ein. Schließlich steht das Gebäude als "ehemaliges Stadtschreiberhaus, zweigeschossiger traufständiger Halbwalmdachbau mit verputztem Fachwerkobergeschoss" auf der Liste der bayerischen Baudenkmäler. Ohne Erlaubnis der Denkmalschutzbehörde wäre eine solche Sanierung der Bausubstanz einerseits nicht gestattet. Auf der anderen Seite besteht die Chance, für ein solches Bauvorhaben Zuschüsse zu erhalten.
Kosten für die Sanierung im siebenstelligen Bereich
In diesem Fall hat sich die Geduld und das Warten während des zweijährigen Wegs durch die Bürokratie gelohnt. Denn Familie Förster erhält die nach eigenen Angaben "optimal mögliche" Förderung aus dem sogenannten Entschädigungsfonds. Damit greift der Staat Besitzern von Denkmälern unter die Arme, indem er ihnen einen Teil des mit der Sanierung eines Denkmals verbundenen Mehraufwands bezahlt. Andernfalls wäre ein solches Vorhaben wie das in Gerolzhofen, das laut Karin Förster die Kostengrenze von einer Millionen Euro – allein für das Hauptgebäude – knapp reißen wird, nur für die wenigsten privaten Besitzer zu stemmen.
Dass eine Sanierung des Gebäudes aus denkmalpflegerischer Sicht jeden investierten Euro wert ist, gründet schon allein im Umstand, dass es sich hierbei um eines des ältesten erhaltenen Gebäude der Stadt handelt. Das Ergebnis einer dendrochronologischen Untersuchung hat ergeben: Das Wohnhaus wurde im Jahr 1453 errichtet, nur wenige Jahre nachdem die Stadtpfarrkirche am Marktplatz im gotischen Stil entstanden ist. Um zu dieser genauen Jahreszahl zu gelangen, wurde das Holz von Balken des Dachstuhls untersucht. Dank der an einem Balken vorhandenen Waldkante konnte die Bauzeit des historischen Gebäudes aufs Jahr exakt bestimmt werden.
Zuvor hatte bereits der erste Besuch eines Fachmanns vom LfD ergeben, dass das Haus wohl 300 Jahre älter ist als bis dahin angenommen. Darauf wies die Art und Weise hin, wie manche Balken im Dachstuhl bis heute miteinander verbunden sind. Diese sind noch in der typischen Rähmbauweise miteinander verblattet und jeweils mit einem Holzdübel fixiert. Diese Methode haben Zimmerleute im fränkischen Fachwerkbau nur bis ins ausgehende Mittelalter angewandt. Nach dem Jahr 1500 kommt diese Bauweise nicht mehr vor.
Alter Brunnenschacht wird wieder aufgemauert
Es ist also ein historisches Schatzkästchen, das Karin und Alexander Förster jetzt auf Vordermann bringen. Im Frühjahr 2021 brachen sie die im Jahr 1970 ans Haupthaus angebaute ehemalige Glaserwerkstatt ab. Im Herbst folgten die Kanalarbeiten im Hof, wo jetzt im Untergrund auch eine Regenwasserzisterne liegt. Ein Brunnenschacht aus dem 18. Jahrhundert, der zum Vorschein kam, soll aufgemauert werden und zusammen mit einem noch zu pflanzenden Hausbaum einen Blickfang im künftigen Hof bilden.
Im Nebengebäude aus dem Jahr 1927, das sich an der südlichen Grundstückgrenze an die Nachbarscheune anlehnt und unter Ensembleschutz steht und damit erhalten werden muss, könnte ein kleines Café entstehen. Die Gäste könnten dort zwischen alten Werkzeugen und Maschinen der einstigen Glaserei sitzen. "Das ist noch Zukunftsmusik", sagt Karin Förster zu ihren Plänen.
Jetzt ruht ihr Hauptaugenmerk erst einmal auf dem Wohnhaus. Dort soll nach der Sanierung wieder dessen Geschichte, die man dort Karin Försters Worten nach auf Schritt und Tritt spürt, wieder sichtbar werden. Im ersten und zweiten Obergeschoss sind noch Fachwerkständerwände erhalten, die original aus der Bauzeit stammen. Genauso alt ist die südliche Außenwand des ersten Obergeschosses mit einigen Fachwerkfeldern. Dort finden sich auch noch bauzeitliche Farbfassungen.
Nicht ganz so alt sind erhaltene Türrahmen im Jugendstil sowie Holzdielen-Böden, die ebenfalls restauriert werden und Teil der künftigen Wohnungen in dem Haus werden. Die alten Lehmdecken werden erhalten und dort, wo sie fehlen, in Lehmbauweise ergänzt. "Wir haben Ehrfrucht vor dem Alten", beschreibt die Bauherrin ihre Motivation. Zwangsläufig beschäftigten sie und ihre Familie sich mit Fragen nach den ehemaligen Bewohnern des Hauses. "Welche Menschen waren das? Wie haben sie hier gelebt? Wer hat hier was verändert?"
Unter dem Dach entsteht eine Loftwohnung
Im Dachgeschoss haben Karin und Alexander Förster mit eigenen Händen über 40 Tonnen Bimssteine entfernt. Diese waren in Trennwänden verbaut, die in der Neuzeit eingezogen wurden und dort insgesamt sieben Räume geschaffen haben. In Zukunft wird der größtenteils bauzeitliche Dachstuhl seine alte Pracht wieder richtig entfalten dürfen. Dort entsteht eine Loftwohnung, in der wohl nur das Badezimmer vom restlichen Wohnraum abgetrennt wird. Diese Wohnung soll wie die im ersten Obergeschoss vermietet werden. Im Erdgeschoss, das barrierefrei ausgebaut wird, werden Angehörige der Bauherren einziehen.
Der Eingang des Hauses liegt auf der Rückseite des Hauses, wo dieser einst auch war. Die Tür zur Straßenseite hin entstand erst viel später, als dort unter anderem auch ein Kolonialwarenladen untergerbacht war. Diese Tür verschwindet jetzt wieder. Dort werden Fenster entstehen.
Die kompletten Außenwände erhalten eine Innendämmung. Geheizt werden die Räume über Fußboden- und Wandflächenheizungen. Zum Heizen wird Erdwärme verwendet. Hierfür sollen auf dem Grundstück mit der bereits vorliegenden Erlaubnis der Fachbehörden vier 80 Meter tiefe Löcher gebohrt werden. Diese Arbeiten stehen noch aus, ebenso die Elektroinstallationen sowie Sanitärarbeiten, Fenster und Böden.
Größte Baustelle auf der Baustelle ist derzeit der Dachstuhl. Dort reparieren die Zimmerer gerade die beschädigten Köpfe der Deckenbalken. Hierzu setzen sie neues Holz an die alten Balken an und verlängern diese dadurch, bis sie wieder sicher auf der Außenwand aufliegen.
Baustoff-Verteuerung trifft auch Sanierung
Wie so viele Bauherren bekommen Karin und Alexander Förster derzeit die Steigerung der Baukosten zu spüren. Eine Firma hat erst dieser Tage angekündigt, das abgegebene Angebot um zehn Prozent erhöhen zu müssen, weil die Baustoffe sich so stark verteuert haben. Noch lassen sich die Försters davon die Freude an der Sanierung nicht vermiesen. Ein Zurück wäre ohnehin längst nicht mehr möglich. Das wissen sie auch.
Da hilft es sicherlich, dass ihr Herz fürs Alte schlägt, wie Karin Förster es ausdrückt. "Uns wäre es nie in den Sinn gekommen, uns als Geldanlage eine Immobilie in einem Neubaugebiet zu kaufen." Ihnen gehe es auch darum, die Gerolzhöfer Altstadt aufzuwerten und zu erhalten. Diese Botschaft scheint in der Nachbarschaft angekommen zu sein. Denn als vor kurzem wegen des an ihrer Baustelle aufgebauten Gerüsts die Durchfahrt der Weiße-Turm-Straße voraussichtlich bis Ende September gesperrt werden musste, da hat sich niemand bei ihnen darüber beschwert. Nicht gemotzt ist in Franken bekanntlich schon ein Lob.
Mal schauen was zuerst fertig ist, das Haus oder ein gewisses Hotel mit Tiefgarage 😉