Seit Mitte Dezember hat der Schweinfurter Schuhhändler und Vorsitzende des Kreisverbandes des Handelsverbandes, Axel Schöll, seinen Laden geschlossen. Wie alle seine Kollegen in der Stadt und der Region, die nicht als systemrelevant eingestuft wurden wie Lebensmittler oder Drogerien. Noch länger warten müssen nur Hotels, Gastronomen und Kulturbetriebe, die seit Anfang November geschlossen sind.
Die Lage, das kann man nicht mehr anders beschreiben, ist dramatisch. Deswegen kämpft Schöll mit den Kollegen des unterfränkischen Handelsverbandes an seiner Seite seit Monaten auch darum, dass die staatlichen Hilfen endlich da ankommen, wo sie gebraucht werden. Schöll ist kein Coronaleugner, er verharmlost die Gefahren durch das Virus nicht. Er setzt wie seine Kollegen auf strikte Hygienekonzepte in den Geschäften. Was ihn ärgert, regelrecht auf die Palme bringt, ist die von ihm und seinen Kollegen empfundene Ungleichbehandlung der Branchen durch die Politik.
Schöll ist ein Mann der klaren Worte, dafür wurde er auch schon von der CSU-Bundestagsabgeordneten Anja Weisgerber (Schwebheim) und dem CSU-Staatssekretär Gerhard Eck (Donnersdorf) kritisiert, die sich zu Unrecht an den Pranger gestellt sahen und vor einigen Wochen ein längeres Gespräch mit Schöll führten.
Geholfen hat es aus Sicht Schölls wenig, die Probleme für die Händler sind die gleichen wie zuletzt. Er selbst hatte im Januar einen Umsatzrückgang gegenüber dem Vorjahresmonat (da gab es noch kein Corona) von 90 Prozent. Click and Collect oder Online-Handel mit Versand würden durchaus angeboten, seien in Sachen Umsatz aber nur "ein Tropfen auf den heißen Stein", so Schöll.
Dass die Friseure schon ab 1. März wieder öffnen können, freut Schöll für seine Handwerkskollegen. Nachvollziehen kann er diese Entscheidung der Politik nicht: "Das ist reine Willkür und die Begründung an den Haaren herbeigezogen." In Fernsehinterviews am Wochenende, die bundesweit gezeigt wurden, wird Axel Schöll zitiert. Er kritisiert darin insbesondere die Bundespolitik und Wirtschaftsminister Peter Altmaier. Für seine klaren Worte bekam er viel Lob von Kollegen, "das Telefon stand nicht mehr still."
Lob, sich einzusetzen und auf Missstände bei den staatlichen Hilfen wie schleppende Auszahlung, missverständliche Formulierungen und überbordende Bürokratie hinzuweisen, ist das eine. Es füllt aber nicht den leeren Geldbeutel, weswegen Schöll nur eine Chance sieht: "Wir müssen öffnen dürfen."
Angesichts der Tatsache, dass die Inzidenz in der Stadt Schweinfurt am Montag bei 3,7 lag, stellt sich für ihn ohnehin die Frage, warum nicht die örtliche Verwaltung und Kommunalpolitik handelt. Schöll verweist auf eine Studie der Technischen Universität Braunschweig, die nachwies, dass das Infektionsrisiko im Handel und bei Friseuren etwa sechs Mal niedriger ist als in Büros und Schulen. Warum man darüber nachdenke, zuerst die Schulen zu öffnen und dem Handel keine Perspektive zu geben, kann Schöll nicht nachvollziehen.
Am Montag wurde der bayerische Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) zitiert, die neuen Überbrückungshilfen funktionierten und seien deshalb bürokratischer, weil aus seiner Sicht im Frühjahr 2020 "viele betrogen haben". Wie viele "Viele" sind, spezifizierte der Wirtschaftsminister nicht. Axel Schöll hat zu dieser Aussage eine klare Meinung: "Das ist einfach nur eine Frechheit, alle Händler unter Generalverdacht zu stellen. Es gibt schwarze Schafe, aber die große Mehrheit sind ehrbare Kaufleute. Wir kämpfen ums Überleben."
Für Schöll ist der weitere Weg, sollte die Politik dem Handel keine schnelle Öffnungsperspektive geben, klar: Er wird der Empfehlung des Handelsverbandes Bayern vom Wochenende folgen und gegen die Beschlüsse klagen.
Bei den Klagen, die im Hintergrund bereits vorbereitet werden und bundesweit in den nächsten Tagen die Gerichte erreichen, geht es um mehrere rechtliche Fragen: Ist es in Ordnung, dass die Hilfsprogramme unterschiedlich sind? Gastronomie und Hotellerie bekommen pauschal einen Prozentsatz des Umsatzes ersetzt, der Handel einen viel geringeren Prozentsatz der fixen Kosten, bei denen zum Beispiel Personalkosten nur pauschal einberechnet werden.
Außerdem: Wenn in einzelnen Regionen die Inzidenzwerte von 35 über längere Zeit deutlich unterschritten wurden, warum dürfen die Einzelhändler nicht mit strikten Hygienekonzepten öffnen? Warum dürfen große Supermärkte ihre Non-Food-Sortimente extrem ausweiten, während die Einzelhändler keine Perspektive haben? Schöll geht davon aus, dass es viele Sammelklagen geben wird. "Wenn es mit Argumenten nicht funktioniert, muss der Klageweg als letztes Mittel im Rechtsstaat beschritten werden", so der Kreisvorsitzende.
"Die Situation in Schweinfurt verschärft sich mit jeder Woche, die länger geschlossen ist. Die Kollegen sind enttäuscht und teilweise wütend auf die Politik", schildert Axel Schöll das, was er aus vielen Gesprächen mitgenommen hat. Sollte bis Ostern geschlossen bleiben müssen und die Überbrückungshilfen weiter nicht schnell ausgezahlt werden, "dann wird es wahrscheinlich auch mich nicht mehr geben."
Wirklich schade....
Vielleicht hat der Handel auch zu früh "gejammert". Bereits im März war von einer existenzbedrohenden Lage die Rede. Bis jetzt gibt es die meisten Geschäfte trotzdem noch. Aber auch hier gilt: "Der Krug geht solange zum Brunnen bis er bricht". Was einmal weg ist ist weg.
Herr Schöll tut mir leid, vor allem darf er sich noch anschauen wie sich die ältere Leute bei den geöffneten Discountern um Schuhe und Klamotten drängeln und die jüngeren gleich online bestellen.