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Schweinfurt
Prozess gegen "Go&Change"-Guru geht am Montag weiter: Warum Kai K. die Verhandlung in Fesseln verfolgen muss
Der Kopf der Gemeinschaft aus Lülsfeld wird auch am vierten Verhandlungstag an Händen und Füßen gefesselt vor Gericht in Schweinfurt vorgeführt. Wie die Regeln dafür sind.
'Guru' Kai K. vor Gericht: Der Angeklagte wird an Händen und Füßen gefesselt in den Gerichtssaal in Schweinfurt geführt.
Foto: Heiko Becker, dpa | "Guru" Kai K. vor Gericht: Der Angeklagte wird an Händen und Füßen gefesselt in den Gerichtssaal in Schweinfurt geführt.
Benjamin Stahl
 |  aktualisiert: 21.03.2024 02:55 Uhr

Vor dem Landgericht Schweinfurt wird am kommenden Montag, 18. März, der Prozess gegen den Kopf der Gemeinschaft "Go&Change" fortgesetzt. Dem 42-jährigen Kai K. wird vorgeworfen, eine 30-Jährige in dem ehemaligen Kloster in Lülsfeld (Lkr. Schweinfurt) mehrfach vergewaltigt, geschlagen und dreimal bis zur Bewusstlosigkeit gewürgt zu haben.

Zuletzt hatten die Verteidiger von Kai K. beklagt, dass ihr Mandant "wie Hannibal Lecter" vor Gericht vorgeführt werde: an Händen und Füßen gefesselt, "verschnürt wie ein Paket". Die Anwälte forderten von der Vorsitzenden Richterin Erleichterungen für den Angeklagten. 

"Die Bewachung und falls nötig Fesselung von Gefangenen spielen eine zentrale Rolle für die Sicherheit in den Gerichtsgebäuden", erklärt dazu das Bayerische Justizministerium auf Anfrage der Redaktion. Es gelten jedoch bestimmte Regeln.

Wie ist der Angeklagte Kai K. gefesselt?

Der Angeklagte wird an den Verhandlungstagen an Händen und Füßen gefesselt von zwei Polizisten ins Gericht gebracht. Erst wenn die Beamten der Richterin bestätigt haben, dass es während der Fahrt von der forensischen Psychiatrie, in der K. untergebracht ist, ins Gericht keine Probleme gab, werden ihm die Handschellen abgenommen. Die Fußfesseln muss er während der ganzen Verhandlung tragen. Zusätzlich sichern mehrere Polizei- und Justizbeamte den Saal.

Die Fußfesseln werden Kai K. im Schweinfurter Gericht nicht abgenommen.
Foto: Heiko Becker | Die Fußfesseln werden Kai K. im Schweinfurter Gericht nicht abgenommen.

Wer bestimmt, ob ein Angeklagter gefesselt seinen Prozess verfolgen muss?

Die Fesselung eines Angeklagten ist laut Justizministerium von der Strafprozessordnung und dem Gerichtsverfassungsgesetz gedeckt. Letztlich entscheide der Richter oder die Richterin darüber. Eine Fesselung komme jedoch "nur dann in Betracht, wenn es konkrete Anhaltspunkte für Flucht oder für Gewalttätigkeit gibt", so ein Ministeriumssprecher.

Welche Rolle spielt die Unterbringung in einer JVA oder in einer Forensik?

Spielt es bei der Frage, ob ein Angeklagter gefesselt wird, eine Rolle, ob er aus einer JVA oder einer Forensik ins Gericht gebracht wird? Nein, heißt es aus dem Ministerium. Maßgeblich sind die genannten Hinweise auf eine Fluchtgefahr oder Gewalttätigkeit, so der Sprecher. "Solche Hinweise können sich beispielsweise aus dem Verhalten im bisherigen Haftvollzug oder der Unterbringung in der Maßregelvollzugseinrichtung ergeben." Entscheidend sei "das individuelle Verhalten der vorzuführenden Person".

Welche konkreten Anhaltspunkte für Fluchtgefahr oder Gewalttätigkeit gibt es bei Kai K.?

Das ist offen. Auf Nachfrage der Redaktion erklärte ein Sprecher des Landgerichts Schweinfurt, dass hierzu "keine verfahrensbezogenen Auskünfte erfolgen" könnten, "da es sich um sicherheitsrelevante Fragestellungen handelt".

Was haben die Verteidiger von Kai K. konkret vom Schweinfurter Gericht gefordert?

Die Anwälte schlugen vor, dass Kai K. schon vor Verhandlungsbeginn - also noch im Polizeifahrzeug - die Handfesseln abgenommen werden. Das lehnte die Vorsitzende Richterin jedoch ab und verwies dabei auch auf die beiden Angeklagten, denen Anfang 2023 die Flucht aus Gerichtsgebäuden in Regensburg beziehungsweise Coburg gelungen war.

Hat sich die Praxis an bayerischen Gerichten nach der Flucht der zwei Angeklagten verschärft?

Eine konkrete Antwort darauf gibt das Justizministerium nicht. Nur so viel: Die "Ereignisse" seien "von Justiz und Polizei gründlich aufgearbeitet" worden. So sei "ein umfassender Sicherheitscheck" für alle Gerichte im Freistaat angeordnet worden, "der jeweils vor Ort in Abstimmung mit der Polizei" bis Ende März 2023 durchgeführt wurde. Außerdem hatten die Oberlandesgerichte umgehend "Taskforces mit Sicherheitsexperten aus Justiz und Polizei" eingerichtet, "die bei jedem Gericht die baulichen Gegebenheiten und organisatorischen Abläufe unter Sicherheitsaspekten geprüft haben".

 
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  • Cornelius Beyer
    Danke, Herr Stahl, das war sehr erhellend und hat einige Fragen geklärt.
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  • Lutz Saubert
    Freiheitliche Demokratie und Recht schließen sich nicht aus. Hier wird nicht Lieschen Müller dem Richter vorgeführt.
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  • Martin Deeg
    Das ist keine "Vorführung" beim Richter sondern eine öffentliche Hauptverhandlung, es geht daher auch um unredliche öffentliche Vorverurteilung und Revisionsgründe z.B..

    Es ist auch egal, wie der Angeklagte heißt oder was Sie von ihm halten, für eine "Fesselung" relevant in dem Zusammenhang ist - wie im Bericht genannt - allein, ob es " konkrete Anhaltspunkte für Flucht oder für Gewalttätigkeit gibt"...!

    Wissen Sie dazu näheres?
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  • Peter Koch
    Wenn der Angeklagte verraten würde wo sich das immer noch vermisste Kind aus seiner Sekte befindet würde ich für Erlass der Handfesseln plädieren. Nachdem er nicht kooperativ sein will darf er gerne weiter, wie bisher, gefesselt bleiben.
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  • Martin Deeg
    Sehen Sie, genau diesen Zusammenhang darf (!) es in einem Rechtsstaat nicht geben. Untersuchungshaft, Fesselung, Maßregeln etc. als Druckmittel einzusetzen ist gesetzlich (!) verboten. Der Fall Daschner sagt Ihnen vermutlich etwas....?

    Das vermisste (?) Kind wird m.W. überhaupt nicht mehr thematisiert - und wer sagt denn, dass dieses nicht deshalb verschwunden ist, um es (vor dem Angeklagten) zu schützen?
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  • Peter Koch
    Nicht im Traum denke ich an ein Druckmittel, nur an eine Belohnung. So wie es Hafterleichterung wegen guter Führung gibt.
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  • Martin Deeg
    Sind Sie Jurist?

    Da es vorgeblich um "Sicherheitsrelevanz" geht, ist auch die Umdeutung mittels "Belohnung" rechtlich/gesetzlich (!) nicht möglich oder statthaft.
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  • Georg Ries
    Die Kommentarfunktion steht für Artikel unter https://mainpost.de/ueberregional/bayern/bayern generell nicht zur Verfügung.
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  • Hildegard Tutschku
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  • Martin Deeg
    Was für ein Popanz. Offenkundig wird wieder einmal die Öffentlichkeit gezielt getäuscht und belogen , indem man vorgaukelt, es gäbe für diese Art des öffentlichen Vorführens einen sicherheitsrelevanten „Grund“. …

    Es ist ganz einfach so, dass in der Vergangenheit zwei Gefangenen durch konkretes Versagen der Justiz die Flucht gelang und dadurch die bayerische Gerichtsbarkeit öffentlich der Lächerlichkeit preisgegeben wurde - alle anderen sollen das nun „büßen“, damit die bayerische Justiz sich inszenieren und ihr „Gesicht“ wieder herstellen kann.

    Das Gericht führt sich hier selbst vor.
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  • Peter Kriebel
    Herr Deeg,
    ihre pathologische Abneigung gegen unser Rechtssystem und seine Organe nimmt mittlerweile schon groteske, bzw. absurde Züge an.
    Aber ruhig weiter so, es ist sehr amüsant zu sehen, wie sie sich an solchen Vorgängen abarbeiten.
    Inhaltlich aber leider ohne Belang.
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  • Martin Deeg
    Da sind das "Rechtssystem und seine Organe" sicher froh, dass Sie sie so "mutig" hier verteidigen!

    Aber worüber beklagen Sie sich? Meine Kommentare geben Leuten wie Ihnen doch immer wieder Gelegenheit, hier persönliche und pauschale Diffamierungen und "Ferndiagnosen" zu platzieren, ohne Beanstandung durch die Moderation...."pathologische Abneigung"? Sie scheinen eine echte Koryphäe zu sein. Kennen Sie auch JVA und Forensik von innen? Wissen Sie, was Sicherheit herstellt, was präventiv wirkt?

    Zum Inhalt: mich stören solche Vorgänge unter Behauptung von "Sicherheitsrelevanz" deshalb, weil sie die die Legitimation und die Seriosität des Rechtsstaates für billige Effekthascherei zersetzen.

    Der Rechtsstaat und die Gesetze sind alles, was Sie und mich und jeden anderen vor der Willkür und Strafwut von Menschen mit Amtsgewalt SCHÜTZEN!
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  • Peter Kriebel
    Pawlowscher Reflex.
    Ich diffamiere nicht, und Ferndiagnosen stelle ich auch nicht.
    Ich beobachte und ziehe Schlüsse.
    Schönen Tag noch
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  • Martin Deeg
    Na, dann "beobachten" Sie tapfer weiter.

    Ihnen auch einen schönen Tag.

    Ps: was Sie meinen, nennt man Projektion, ein "pawlowscher Reflex" ist etwas völlig anderes und wäre eine Beleidigung.
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  • Peter Kriebel
    Leider verstößt der Kommentar gegen die Kommentarregeln auf mainpost.de. Wir haben den Kommentar deshalb gesperrt.
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  • Manfred Englert
    Herr Kriebel, Ihr Adressat ist offensichtlich der Meinung, allumfassend wäre eine Lebenserfahrung nur dann, würden JVA oder Forensikerfahrungen vorliegen.
    Sie haben vollkommen recht mit Ihrem Kommentar, jedwede Erwiderung ist sinn- und zwecklos.
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  • Martin Deeg
    ...."Ihr Adressat ist offensichtlich der Meinung, allumfassend wäre eine Lebenserfahrung nur dann, würden JVA oder Forensikerfahrungen vorliegen."...

    Nö, Herr Englert, Sie kommentieren hier doch auch. Es geht hier auch nicht um "allumfassende Lebenserfahrung" (?) - was soll das sein?

    Und Sie dürfen natürlich weiter selektiv und ausschließlich die Kommentare desjenigen "kritisieren", der vermutlich als Einziger hier mit umfassenden persönlichen Erfahrungen zum speziellen Thema aufwartet. Etwas mehr SUBSTANZ wäre dennoch schön!

    Mit "Super-Hannibal-Lecter-höhö"-Beifall kann ich halt nicht dienen, "sorry"....!!
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  • Ute Schlichting
    Zuletzt hatten die Verteidiger von Kai K. beklagt, dass ihr Mandant "wie Hannibal Lecter" vor Gericht vorgeführt werde: an Händen und Füßen gefesselt, "verschnürt wie ein Paket". Na und,gut so. Gehört viel öfter gemacht.
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  • Martin Deeg
    Ihr Kommentar ist der beste Beweis für das Gegenteil (auch weil Sie dafür in gewissen Kreisen sicher eifrig Zustimmung bekommen).

    Die bayerischer Staatsregierung kann sich natürlich durchaus zum Ziel setzen und auch daran freuen, dass auch nach dem Gesetz als "unschuldig" geltende Angeklagte in absolut demütigender Weise und als Machtdemonstration des Staates so inszeniert werden.

    Nur sollte man sich dann halt nicht mehr über die Zirkusverhandlungen und die Behandlung von Menschen bspw. durch den russischen Staat echauffieren....
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  • Georg Wohlfart-Mitznegg
    Es ist immer schön zu lesen, wie Bevölkerungsteile einer freiheitlichen Demokratie Vorgehensweisen wie in China, Russland oder ähnlichen Staatsgebilden auch noch feiern.
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