Jahrelang ist über den schlechten Zustand des Fußgängerstegs über den Schweinfurter Hauptbahnhof diskutiert worden, passiert ist nichts. Es gab keine Instandsetzung, keine endgültige Entscheidung – weder für den Steg noch dagegen. Und der Rost nagte weiter an der Konstruktion. Das Ergebnis: Mitte Oktober 2021 wurde der Fußgängersteg über die Bahngleise nach einer Sonderprüfung sofort gesperrt. Ein Jahr später kochte das Thema wieder auf. Die Stadtverwaltung schlug vor, den Steg abzureißen. Kostenpunkt: 500.000 Euro.
Für SPD und Bündnis 90/Die Grünen ein Irrsinn – und eine verschenkte Chance. In Sachen Fußgängersteg haben sie sich zusammen getan und gegen die Abrisspläne ihr Veto angekündigt. Jetzt gehen die beiden Fraktionen noch einen Schritt weiter: Sie beantragen, den Steg zu sanieren statt ihn abzureißen. Kostenpunkt: maximal eine Million Euro; einzustellen in den Haushalt 2023, der im November beraten werden soll.
Wie sie auf die Summe kommen und warum Erhalt und Sanierung wichtig sind, erklären die Stadträte Peter Hofmann (SPD) und Holger Laschka (Grüne) bei einer Protestaktion am Fußgängersteg am Dienstag, 25. Oktober, kurz vor der Stadtratssitzung. Elf Vertreter von SPD und Grünen haben sich dazu eingefunden. Die Protestplakate sind selbst gemalt und machen deutlich, um was es geht: den Abriss stoppen, um den Steg zu erhalten, der in Zukunft noch wichtiger werden dürften.
Damit mehr Menschen auf Bus und Bahn umsteigen, muss nicht nur der ÖPNV attraktiv sein
Dann nämlich, wenn der Verkehrsverbund Mainfranken kommt, der ÖPNV weiter ausgebaut, der Schweinfurter Hauptbahnhof von noch größerer Bedeutung sein wird, sagt Peter Hofmann. Wer die Menschen dazu bringen will, immer mehr auf Bus und Bahn umzusteigen, muss es ihnen so leicht wie möglich machen. Mit der aktuellen Situation ist genau das Gegenteil der Fall. Denn die Querverbindung, die es sowohl Beschäftigten der südlich gelegenen Industriebetriebe von SKF und ZF als auch Busnutzern aus Bergrheinfeld, Grafenrheinfeld und Oberndorf ermöglicht, ihre Arbeitsplätze oder den Bahnhof auf kurzem Weg zu erreichen, gibt es nicht mehr.
300 Personen haben in der Hochzeit der Pandemie an einem Tag den Fußgängersteg überquert, das ergab eine Zählung, sagt Laschka. Zeiten, in denen Homeoffice bei der Industrie ein großes Thema war. Soll heißen: normalerweise nutzen den Weg hin zu den großen Industriewerken von SKF und ZF weit mehr Menschen. "500 plus", schätzt Laschka. Dass es die einzige Querungsmöglichkeit nun seit einem Jahr nicht mehr gibt, hat Spuren hinterlassen.
Betroffen von der Sperrung ist auch die Bahn – und das in zweifacher Hinsicht
Zum einen seien etliche Menschen wieder aufs Auto umgestiegen, hat Laschka in vielen Gesprächen erfahren. Denn ohne den Steg ist der Weg vom Hauptbahnhof zur Arbeit lang, der Umweg über die Ernst-Sachs-Straße weit. Betroffen ist auch die Bahn. Zum einen, weil auch Angestellte der DB Cargo den Steg nutzen müssten, um direkt zur Arbeit gegenüber zu kommen; zum anderen, weil es immer wieder Fälle gab, in denen Menschen die Abkürzung über die Bahngleise genommen haben.
Doch weder mit den Industriebetrieben noch mit der Bahn hat die Stadt wirklich in Sachen Lösungsfindung gesprochen, kritisieren die Stadträte. Allenfalls habe man die Sperrung des Stegs mitgeteilt. Dabei könnte die Industrie vielleicht sogar die Instandsetzung unterstützen, meint Laschka.
Wie Ingenieure aus Schweinfurt den Zustand des Fußgängerstegs einschätzen
Was würde es kosten, den Fußgängersteg zu erhalten? Maximal eine Million Euro, sagen Laschka und Peter Hofmann. Sie stützen sich dabei auf die Einschätzung eines "renommierten Schweinfurter Architektenbüros". Das habe den Zustand des Stegs überprüft und sei zu folgendem Ergebnis gekommen: Große Teile der tragenden Konstruktion sind noch intakt. Die Stütztürme, die großen Längsträger und, so Laschka, "das wichtigste – das Fundament". Der Gehbelag, also die Bretter und die Querstrebungen sind nach Angaben der Ingenieure sanierungsbedürftig.
Die Stadt hätte zwei Millionen Euro für eine Sanierung veranschlagt, also das Doppelte. Vor einem Jahr, als Marietta Eder einen entsprechenden Antrag auf Sanierung des Fußgängerstegs am Hauptbahnhof in den Haushaltsberatungen gestellt hatte, sei die Summe noch im zweistelligen Millionenbereich gewesen, sagt sie. "Mondpreise."
Die Protestplakate sind wieder eingerollt, die Diskussion geht weiter. In den Haushaltsberatungen, die im November beginnen und bei denen der Stadtrat die Projekte und Investitionen für das kommende Jahr festlegt, kommt der Antrag von SPD und Grünen auf den Tisch.