Amelie Dülk und Lukas Ludwig stehen am Hauptbahnhof. Nur etwa 200 Meter trennen sie von ihren Arbeitsplätzen bei SKF in Schweinfurt. Bis Oktober letzten Jahres konnten sie die Fußgängerbrücke über die Gleise zur Ernst-Sachs-Straße nutzen, doch dann hat die Stadt diese wichtige Verbindung wegen Einsturzgefahr gesperrt.
"Ich komme oft zu spät und muss auch immer eine lange Strecke laufen", sagt Lukas Ludwig im Gespräch mit dieser Redaktion. Der 18-Jährige wohnt in einem Stadtteil von Arnstein im Landkreis Main-Spessart. Um seine Arbeitsstätte im 25 Kilometer entfernten Schweinfurt zu erreichen, fährt der angehende Chemielaborant bei SKF um 5.45 Uhr mit dem Bus in knapp einer halben Stunde zum Hauptbahnhof. Von dort konnte er über die Brücke sein Labor innerhalb von zehn Minuten pünktlich erreichen.
Seit der Steg aber gesperrt ist, muss der Azubi jeden Tag einen Umweg von mindestens 25 Minuten in Kauf nehmen. Er kommt zu spät am Arbeitsplatz an und muss nach Feierabend fast eine Stunde auf einen späteren Bus warten. Dazu komme, dass viele der Haltestellen nicht überdacht seien. "Dann stehst du da eine Dreiviertelstunde im Regen", beklagt sich Ludwig. Eine alternative Verbindung gebe es für ihn nicht.
Schichtbetrieb und Azubis besonders betroffen
Amelie Dülk trifft die Sperrung noch schlimmer. Die angehende Industriemechanikerin hat keine Gleitzeit und muss also pünktlich an ihrer Arbeitsstätte sein. "Ein anderes Zeitmodell gibt es nicht", sagt die 16-Jährige im Gespräch.
Bisher fuhr Dülk mit dem Zug um 6.30 Uhr am Bahnhof in Waigolshausen ab. Seit der Brückensperrung muss sie nun, um pünktlich auf der Arbeit sein zu können, den Bus eine Stunde früher nehmen und in Schweinfurt bis zum Arbeitsbeginn fast eine Stunde warten. "Und bin auch noch jeden Tag eine Stunde später Zuhause", erklärt Dülk.
Alternativen wie eine frühere Busverbindung oder andere Verkehrsmittel fallen sowohl für sie, als auch ihren Kollegen raus. Als Auswärtige sind beide auf den getakteten ÖPNV, nahtlose Verbindungen und damit auch den Steg angewiesen. Ein Auto besitzen die beiden nicht. "Bei den Preisen momentan kann ich mir das nicht leisten", fügt Ludwig hinzu. Zug- und Bustickets hingegen werden vom Arbeitgeber übernommen.
353 Personen nutzen die Fußgängerbrücke durchschnittlich pro Tag
Die Tagesabläufe der beiden Azubis stehen sinnbildlich für die vieler anderer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Industrie, meint Jürgen Stürzenberger, Ausbildungsleiter bei SKF. Laut einer Fußgängerzählung der Stadtverwaltung im Herbst 2021 passierten im Durchschnitt 353 Personen innerhalb eines Tages die Brücke.
Stürzenberger, der seit 44 Jahren bei SKF arbeitet, glaubt, dass es weitaus mehr Angestellte gibt, die den Steg nutzen. "Es hängt auch davon ab, ob Berufsschule ist oder Ferienzeit." Es sei ein großes Thema, da viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit festen Arbeitszeiten im Schichtdienst oder in der Fertigung angestellt seien und eben keine Gleitzeit hätten.
SKF und ZF wenden sich mit Brandbrief an Oberbürgermeister Remelé
Stürzenberger kritisiert dabei auch die schlechte Kommunikation und das Vorgehen der Stadt. Firmen und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter seien zuvor nicht über die Sperrung informiert worden. "Der Steg war eines Mittags einfach gesperrt. Von der Stadt gab es keine Mitteilung", sagt Stürzenberger.
Wegen der vielen Beschwerden aus der Belegschaft wendeten sich ZF und SKF Anfang November in einem gemeinsamen Brief persönlich an Oberbürgermeister Sebastian Remelé. "Den Verzicht sehen wir kritisch", heißt es in dem Schreiben, das der Redaktion vorliegt.
Firmen fordern Förderung des ÖPNV
Die Ankunftszeiten der Züge seien auf den Schicht- und Arbeitsbeginn in der Großindustrie getaktet, und die umweltfreundliche Bahn gerate damit ins Hintertreffen, da zu befürchten sei, dass Betroffene vom ÖPNV langfristig auf das Auto umsteigen, so die Stellungnahme der Firmen.
Der öffentliche Nahverkehrs leiste zudem einen wesentlichen Beitrag zur Senkung von Treibhausgasen. "Dieser muss entsprechend attraktiv gestaltet werden", ergänzt Fabiola Wagner, Pressesprecherin von ZF in einer Mitteilung.
Komplettneubau kostet rund elf Millionen Euro
Was die Sperrung des Bauwerks betrifft, entgegnet die Stadt, dass dieses sich bei der letzten Hauptprüfung im Oktober 2020 noch in einem "verkehrssicheren Zustand" befand, so Pressesprecherin Kristina Dietz auf Anfrage der Redaktion. Erst im Zuge von Unterhaltungsarbeiten im Jahr 2021 sei ein deutlich verschlechterter Zustand bemerkt und eine Sonderprüfung in Auftrag gegeben worden.
Ersten Schätzungen zufolge liegen die Kosten für einen barrierefreier Komplettneubau bei rund elf Millionen Euro. Ein Teilrückbau, bei dem kein Fußgängerverkehr mehr möglich sei, aber die weitere Nutzung als Querung für die vorhandenen Strom- und Glasfaserleitungen möglich bleibe, würde um die 100 000 Euro kosten, so Dietz.
Wie es mit dem Steg im Detail nun weiter gehe, sei nun davon abhängig, welches Vorgehen der Stadtrat entscheide. "Noch ist kein konkreter Termin bekannt, wann das Thema im Stadtrat behandelt wird", so Dietz.
Industriebuslinie ist für die Firmen keine Lösung
Seit dem ersten März bieten die Stadtwerke eine angepasste Industriebuslinie als Ausweichmöglichkeit für Arbeiterinnen und Arbeiter an. Die Linie 64 verkehrt an Werktagen zwischen 5.30 und 23 Uhr. Ab sieben Uhr fahren die Busse laut Stadtwerke im 30-Minuten-Takt.
Nicht ausreichend, finden Jürgen Stürzenberger und seine beiden Azubis. "Das Problem ist, dass die Mitarbeiter zu unterschiedlichen Zeiten anfangen." Wenn überhaupt, sei nur eine kürzere Taktung in frühen Morgenstunden, mit einem dauerhaften Pendelverkehr, sinnvoll.
Eine zusätzliche Lösung könnte die Aufhebung des Parkverbots in der Ernst-Sachs-Straße sein, fügt Stürzenberger hinzu. Mit zusätzlichen Elektrorollern am Hauptbahnhof könnten Angestellte dann schnell hin und her fahren. Auf lange Sicht jedoch sei der Fußgängersteg über die Bahngleise die nachhaltigste und zeitsparendste Verbindung.
das Güntersleben seit einem Jahr ein Sackdorf ist..
ich da aber 2mal täglich hinliefern muss
die zusätzliche Zeit und den Sprit bezahlt mir auch keiner...
ich könnte ja mal an die Mainpost schreiben
"Früher war alles schlechter...'" und "die Welt hat andere Sorgen..." Das sind doch Totschlagargmumente. "Gemeinsam konstruktive Lösungen erarbeiten..." - dafür gibt es, von Steuerzahlern, bezahlte Fachkräfte!
Wenn sie ihre Arbeit nicht ordentlich erledigen müssen sie auch mit Kritik rechnen. Dieser ständige Kuschelkurs und Verständnis für alles und jeden aufbringen muss endlich ausdienen. So eine Denkweise führt nämlich zu solchen Zuständen.
Wenn es das einzige Versäumnis wäre könnte man noch drüber wegsehen oder auf baldige Besserung hoffen, leider hat man mittlerweile das Gefühl es läuft allerorten schlecht. Bevor man Zeit in zusätzliche Prestigeobjekte investiert sollte man seine täglich anfallenden Aufgaben nachkommen. Kein Wunder wenn das Klima im Rathaus nicht so toll ist. Der einzelen Mitarbeiter ist oft nur ein Rädchen im Getrieben. Da verliert man irgendwann auch die Motivation wenn Chaos von oben vorgelebt wird.
Da schläft doch die Verwaltung.
Remele muss wirklich weg um nicht noch mehr Schaden in Schweinfurt anzurichten.
Wir wollen keine LGS als Denkmal sondern eine lebendige Stadt für uns Bürger. Wir arbeiten und leben hier, ziehen unsere Kinder groß und wir werden übergangen und nicht ernst genommen.Nein, man wird bei Anliegen noch gegängelt.
Es reicht!
Auch ich sehe in SW nichts positives mehr. Hätten die nicht ihre Grossindustrie, wären sie schon pleite.
Nichts, aber auch gar nichts ist in den letzten Jahren besser geworden. Baustellen die innerhalb weniger Stunden eingerichtet werden, an denen sich aber tagelang rein gar nichts tut sind seit Jahren Standard. Es interessiert niemanden. Über den Zustand der Innenstadt braucht man nicht zu sprechen.
Diese kleine Brücke ist ein Sinnbild für die ganze Misere, hier tut sich nichts oder es wird ständig vertagt. Mir graut schon vor dem Brückenneubau der Maxbrücke. Vermutlich suche ich mir spätestens bis dahin einen neuen Arbeitgeber, das sollte kein Problem sein. Von Schweinfurt hab ich die Schn... voll.
Dieses kleine Brücklein ist ein Sinnbild für das seit Jahren bestehende Unvermögen! Es ist nur noch erbärmlich vor allem im Vergleich mit benachbarten Städten.
Wichtig ist aber das jetzt ein millionenteures, kaum benutztes Parkhaus in der Mainberger Strasse steht.
Dazu kommt noch das die Modernisierung des Hauptbahnhof - Vorplatzes auf den Sankt Nimmerleinstag verschoben wurde.
Verkehrswende nach Schweinfurter Art.
Eine Schande ist das!!