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Sennfeld
Aufnahmestopp für neue Patienten: Suche nach Hausärzten in Stadt und Landkreis Schweinfurt gestaltet sich schwierig
Die Hausarztversorgung in und um Schweinfurt ist kritisch. Jetzt nimmt auch die Mainbogen-Praxis in Sennfeld keine Patientinnen und Patienten mehr auf. Warum?
Beim Thema Hausarztversorgung in Stadt und Landkreis Schweinfurt wird es eng. Auch die Mainbogen-Praxis in Sennfeld kann aktuell keine neue Patientinnen und Patienten mehr aufnehmen, sagt ihr ärztlicher Leiter, Dr. Philipp van Gelder.
Foto: Anand Anders | Beim Thema Hausarztversorgung in Stadt und Landkreis Schweinfurt wird es eng. Auch die Mainbogen-Praxis in Sennfeld kann aktuell keine neue Patientinnen und Patienten mehr aufnehmen, sagt ihr ärztlicher Leiter, Dr.
Silvia Eidel
 |  aktualisiert: 08.02.2024 14:30 Uhr

Wer aktuell einen Hausarzt in Stadt und Landkreis Schweinfurt sucht, der tut sich schwer. Viele Allgemeinmediziner lehnen neue Patienten ab. Jetzt hat auch die Mainbogen-Praxis, eine große Hausarztpraxis bei Sennfeld nahe des Gewerbegebiets im Schweinfurter Hafen, einen Aufnahmestopp für neue Patienten verkündet.

Es fehlt an Personal bei gleichzeitig enorm gestiegener Auslastung. "Um uns herum schließen immer mehr Praxen, und viele Hausärzte in der Stadt, aber auch im Landkreis nehmen keine neuen Patienten auf", erklärt Dr. Philipp van Gelder, ärztlicher Leiter der Mainbogen-Praxis. Lange habe die große Hausarztpraxis mit Niederlassung in Gochsheim und einem Versorgungsgebiet bis Schwebheim und Grettstadt das abfangen können.

Aber "weil gefühlt halb Schweinfurt jetzt kommt und der Versorgungsradius immer größer wird", sei die Belastung für die angestellten Ärzte und vor allem die Arzthelferinnen, die Medizinischen Fachangestellten (MFA), extrem angestiegen.

Woran es in der Mainbogen-Praxis vor allem fehlt, sind nicht Ärztinnen und Ärzte

Die aktuelle Infektionswelle verschärfe die Situation, so dass "wir die Reißleine ziehen und bis auf weiteres einen Annahmestopp verhängen müssen". Täglich zehn bis 15 neue Patienten habe die Mainbogen-Praxis in der letzten Zeit aufgenommen, sagt van Gelder. Vor allem aus der Stadt seien viele gekommen, beziehungsweise von den ablehnenden Praxen gezielt geschickt worden.

"Das Wartezimmer ist immer voll, die Ärzte rennen nur noch von Zimmer zu Zimmer."
Dr. Philipp van Gelder, ärztlicher Leiter der Mainbogen-Praxis

"Am letzten Montag kamen allein 483 Personen in unsere Akutsprechstunde, zusätzlich zu den Patienten mit Terminen", unterstreicht van Gelder den aktuell großen Zulauf. "Das Wartezimmer ist immer voll, die Ärzte rennen nur noch von Zimmer zu Zimmer."

Dabei arbeiten in der Mainbogen-Praxis 15 Ärzte in Vollzeit und neun in Teilzeit auf insgesamt 19 Stellen. 1,5 davon befinden sich derzeit in Elternzeit, drei sind im Krankenstand. Auch von den 40 MFA-Stellen, verteilt auf 48 Personen, sind derzeit 4,5 in Elternzeit und sieben krank.

"Es fehlen vor allem die Arzthelferinnen", konstatiert der ärztliche Leiter. Er habe zwar sechs Auszubildende und einen Quereinsteiger eingestellt. Er habe auch etliche Stellenanzeigen geschaltet, "mit Null Ergebnis".

Mediziner sind sich einig: Seit Jahren verschärft sich die Situation der Hausarzt-Versorgung

Seit drei Jahren verschärfe sich die Situation der Hausarzt-Versorgung immer mehr, wobei verschiedene Felder zusammentreffen, meint der Mediziner. Neben dem Personalmangel und dem massiven Patientenzulauf gebe es enorme Zusatzbelastungen: etwa durch die Telematik-Infrastruktur. "Man ist immer abhängig von fremden Firmen und Systemen, die aber gleichzeitig nicht funktionieren, wie zum Beispiel die elektronische Krankenkarte".

"Ich finde kein Personal mehr, ich muss eher meine Sprechzeiten reduzieren."
Dr. Hannes Nägele, Allgemeinarzt in Schweinfurt

Die Bürokratie nehme weiter zu, immer mehr Regulierungen, von der Verordnung über die Vergütung bis zur Dokumentation, fressen Arbeitszeit. Zeit, die am Patienten fehlt. Hinzu komme, dass über Jahre viel zu wenige Ärzte ausgebildet wurden. "Es fehlen aktuell 5000 Studienplätze."

Weil es an Personal fehlt, müssen Praxen ihre Sprechzeiten reduzieren

Die gesamte Problematik unterstreicht auch Dr. Hannes Nägle, der in Schweinfurt "als Alleinkämpfer" seine Allgemeinarztpraxis betreibt. Auch er nimmt schon seit zwei Jahren keine neuen Patienten mehr auf. Auch er hat entsprechende Anfragen zur Mainbogen-Praxis geschickt, sagt er. "Ich finde kein Personal mehr, ich muss eher meine Sprechzeiten reduzieren."

Weil "die Bürokratie ausufert" und "die Selbstständigkeit von Ärzten zerstört" werde, seien nur noch Großpraxen mit angestellten Ärzten rentabel. "Die nachwachsende Generation will nicht mehr 60 Stunden und mehr in der Woche arbeiten", weiß er. Mindestens ein Drittel bis die Hälfte der Arbeitsleistung falle so weg.

Stimmt die Berechnung der Kassenärztlichen Vereinigung für den Raum Schweinfurt?

Ein anderes Bild zeigt die Bedarfsplanung der Kassenärztlichen Vereinigung Bayern (KVB). Sie regelt, wie viele Ärzte in bestimmten Regionen zugelassen werden können. Der Bereich Schweinfurt-Nord wird mit 76 Prozent als unterversorgt aufgeführt. Schweinfurt-Stadt gilt dagegen mit 110 Prozent als überversorgt und auch der südliche Landkreis, der Bereich Schweinfurt-Süd, ist offiziell mit 106 Prozent überversorgt. Sagen zumindest die Zahlen der KVB.

"Diese Bedarfsplanung ist nicht realistisch", sagt Dr. Nägle. Angesichts des Ärztemangels sei vor zehn Jahren eine neue Berechnung eingeführt worden, man habe die Situation schöngerechnet.

Die Mainbogen-Praxis in Sennfeld wurde 2014 als großes Ärztehaus mit Apotheke gebaut.
Foto: Anand Anders | Die Mainbogen-Praxis in Sennfeld wurde 2014 als großes Ärztehaus mit Apotheke gebaut.

Der Frust in den Arztpraxen sei mittlerweile groß. "Ständig kommen neue Probleme", so der Hausarzt. Aktuell etwa, dass wegen Schließungen von Sozialstationen in Schweinfurt Patienten wegen eines Verbandwechsels jetzt in seine Praxis kämen. "Wir stopfen ständig irgendwelche Löcher."

Auffällig viele kleine Patientinnen und Patienten kommen ins HausarztZentrum

Auffällig viele Kinder würden derzeit in seinem "HausarztZentrum" behandelt, sagt Dr. Jürgen Schott, aber auch die Infektsprechstunde werde stark gefragt. Seine Großpraxis mit Niederlassungen in Grafenrheinfeld, Bergrheinfeld, Röthlein, Schwebheim und bald auch Niederwerrn nimmt allerdings noch Patienten auf. "Wir haben noch genügend Personal, auch wenn wir gerne mehr Mitarbeiter hätten", sagt er. Sieben Ärzte und 35 Arzthelferinnen arbeiten bei ihm. Man müsse sich der Situation eben anpassen, etwa Vorsorgeuntersuchungen auf den Sommer verschieben.

Der Zeitdruck in den Arztpraxen ist hoch, der Frust der Patientinnen und Patienten auch

Der Zeitdruck in den Praxen ist hoch, bestätigt Dr. Lothar Schmid, Vorsitzender des Ärztlichen Kreisverbands Schweinfurt. Es gebe ständig zusätzliche Arbeiten, etwa das Ausstellen der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen. "Das kostet Zeit."

Die Medizinischen Fachangestellten hätten aber derzeit den härtesten Job bei der grassierenden Erkältungswelle. Sie bekämen "das Maulen und Motzen der Patienten" ab. Der Frust darüber sei groß.

Sein Appell an die Bevölkerung: Gemeinsam dazu beitragen, dass sich die Situation ändert, also "sich impfen lassen gegen Corona und gegen Grippe".

 
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  • clubfan2@gmx.de
    in der Ankereinrichtung gibts evtl. noch Termine
    für die keinen HA mehr haben..

    wir werden halt auch immer mehr Menschen im Land...
    das sowas auf Dauer nicht gut gehen kann konnte man sich ja denken..
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  • m.schmitt.stadtlauringen@gmail.com
    @MeineZeitung2016:
    keine Ahnung ob es so ist oder ob hier unterbewusst Stimmung gegen Flüchtlinge gemacht werden soll. Selbst wenn es der Fall ist wie sie schreiben wäre auch das ein Versäumnis des dt. Staates und kein Verschulden der Flüchtlinge. Aber egal wie es ist.
    Lieber lebe ich als Deutscher im relativen Wohlstand und habe Umstände bei der Hausarztsuche als das ich als Flüchtling in der Ankereinrichtung lebe und möglicherweise ein Arzt vor Ort ohne lange Wartezeit.

    Gruppen gegeneinander auszuspielen hilft niemanden, im Gegenteil - es lenkt ab von den eigentlichen Versäumnissen.
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  • clubfan2@gmx.de
    Es werden halt leider immer mehr Menschen auf diesem Planeten.das hat auch nichts mit Flüchtlinge zu tun...
    Der Planet ist ausgereizt...Mit Allem
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  • harryamend@outlook.de
    Kritisch sehe ich nach wie vor, nicht nur bei den Ärzten sondern überall, diese Elternzeit. Für mich ist das nichts weiter wie bezahlter Urlaub auf Staatskosten. Wenn man dann noch im eigenen Umfeld hört wie diese genutzt werden, wird man darin noch bestätigt. Unsere Regierung egal welche Parteien, machen soviel falsch, das es kein Wunder ist das viele Bürger auf diesen Staat null Bock mehr haben.
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  • Faultier
    Was wäre denn die Alternative zur Elternzeit? Die Babys mit 2 Monaten in die Krippe geben?
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  • Faultier
    Es fehlen also 5000 Studienplätze für zukünftige Ärzte und Ärztinnen. Kürzlich erst gelesen: Das ist Ländersache und scheitert - wer hätt's gedacht - am Geld. Aber für so wichtige Dinge wie "Gender Studies" ist Geld da.
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  • m.schmitt.stadtlauringen@gmail.com
    Zitat: Diese Bedarfsplanung ist nicht realistisch", sagt Dr. Nägle. Angesichts des Ärztemangels sei vor zehn Jahren eine neue Berechnung eingeführt worden, man habe die Situation schöngerechnet.

    Darin ist Deutschland mittlerweile Weltmeister. Schönreden und Schönrechnen allerorten, egal wie groß das Hintergrundrauschen ist. Die Löcher die sich allerorten auftun können schon lange nur noch notdürftig gestopft werden, wenn überhaupt. Und darum ist in den wenigsten Fällen Corona oder der Ukrainekrieg verantwortlich. Das sind nur gerne hergenommene Ausreden um abzulenken.
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