Das System Pflege ist seit längerem in personeller Hinsicht auf Kante genäht, jetzt zeigen sich erste Risse. Ein Senior, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, wendet sich an diese Redaktion, beklagt, dass sein ambulanter Behandlungspflegevertrag, den er mit der Diakonie Schweinfurt hat, seitens der Diakonie zum 15. August gekündigt wurde. Keine gute Nachricht für einen 93-Jährigen, der auf Pflege angewiesen ist.
Sein Fall ist kein Einzelfall, 40 weitere Seniorinnen und Senioren waren unlängst mit der Kündigung ihrer ambulanten Pflegeverträge seitens der Diakonie konfrontiert. Kündigungen, die dem Anbieter selbst, der Diakonie, sehr schwer gefallen sind, aber nicht zu vermeiden waren, teilt die Diakonie auf Nachfrage mit. "Es ist tatsächlich so, dass wir die Pflegeverträge für Hambach, Zell, Dittelbrunn, Weipoltshausen und vom Stadtteil Bergl gekündigt haben", so Tanja Back, Geschäftsbereichsleiterin für die mobile Altenhilfe. "Wir haben ganz einfach nicht genug Personal, wir engagieren uns intensiv in der Ausbildung, schalten Stellenanzeigen auf verschiedensten Portalen", ergänzt sie, doch der Erfolg ist mäßig, denn der Markt ist leer.
Pflegepersonal: Während der Pandemie in einer Art Not-Modus
Dazu kommt: "Während der Pandemie waren alle Pflegekräfte durch die Dauerbelastung in einer Art Not-Modus." Die Arbeit jenseits der Belastungsgrenze blieb nicht ohne Folgen. Jetzt wo die erste Anspannung nachlässt, zeige sich, dass einige aus dem Team, die während der Hochphase der Pandemie 'ihr letztes Hemd' gegeben haben, selbst krank geworden sind. Die Dauerbelastung hat Spuren hinterlassen. "Ausgepowert" sind die einen, andere reduzieren ihre Arbeitszeit.
Zu wenig Nachwuchs, ein leerer Pflegekräftemarkt und Pflegende, die sich selbst "krank gearbeitet haben". Dieser Dreiklang habe dazu geführt, dass man 41 von 180 Verträgen für die mobile Pflege habe kündigen müssen. Die Diakonie Schweinfurt betreut alle Stadtteile und bislang die vier nun gekündigten Orte Hambach, Zell, Weipolthausen und Dittelbrunn.
Doch man habe die pflegebedürftigen Menschen nicht alleine gelassen. "Wir haben die Betroffenen angerufen und ihnen die Situation erklärt." Auf Wunsch der Seniorinnen und Senioren wurden die Mitbewerber, die in Schweinfurt in Sachen Pflege unterwegs sind, kontaktiert, ergänzt Tanja Back. "Jeder hat eine Liste bekommen mit allen Mitbewerbern, wer es selbst nicht geschafft hat, für den haben wir den Anruf beim Anbieter seiner Wahl erledigt".
Das erklärte Ziel, die gekündigten Patienten von anderen Pflegedienstleistern versorgen zu lassen, wurde – wenn auch manchmal mit Abstrichen – erreicht. Abstriche deshalb, weil zwar alle Seniorinnen und Senioren, die das wünschten, anderweitig "untergebracht" werden konnten, aber nicht immer mit den vollen Leistungen ihrer bisherigen Pflegeverträge. "Einige Patientinnen und Patienten mussten Kompromisse eingehen", räumt Back ein, denn auch andere Anbieter haben ähnliche Personalprobleme.
Versorgungs-Anschluss gefunden
"Die Bezahlung ist es nicht", betont Back im Hinblick auf die sich verschärfende Personalsituation nicht nur bei der Diakonie, wo nach Tarif bezahlt werde. "Es gibt einfach schlichtweg nicht genug Pflegefachkräfte." Der Schritt, die Kündigungen der bestehenden Verträge auszusprechen, sei nötig geworden, um für die verbliebenen Patientinnen und Patienten eine sichere Versorgung aufrecht erhalten zu können.
"Versorgungs-Anschluss" hat auch der eingangs erwähnte 93-Jährige gefunden. Zum 16. August, also ohne Lücke zum gekündigten Diakonie-Vertrag, ist er bei der Caritas untergekommen. Und er bekommt auch bei der Caritas das "volle Programm", wie er es von der Diakonie gewohnt ist, versichert er auf Nachfrage. Körperwäsche, Hilfe beim An- und Auskleiden sind einige der Dinge auf die es ihm in erster Linie ankommt und die ihm auch für die Zeit nach dem 15. August zugesagt wurden.