Es klingt in Zeiten der Pandemie fast wie aus einer anderen Welt: Offene Cafés, Besuche im Kino oder Theater, entspanntes Einkaufen im Schuhgeschäft. Während in weiten Teilen Deutschlands immer härtere Corona-Einschränkungen gelten, schreibt eine Stadt im Zentrum Baden-Württembergs derzeit positive Schlagzeilen. Seit 16. März führt Tübingen ein Projekt mit Erfolg durch, bei dem eine ausgeweitete Teststrategie zu ungeahnten Lockerungen und niedrigen Inzidenzzahlen führt. Bei einer Sieben-Tage-Inzidenz von 181,6 am Mittwoch kann Schweinfurt aktuell zwar nur von Lockerungen träumen. Doch nun will die Stadt prüfen, ob man sich dem Tübinger Modell anschließen kann.
Die Schweinfurter Stadtratsfraktionen von CSU und SPD hatten vor der Stadtratssitzung am Dienstag unabhängig voneinander einen Eilantrag gestellt. Um möglichst schnell eine lokale Öffnungsperspektive für Gastronomie, Kultur und Einzelhandel zu erlangen, forderten beide Parteien eine ausgeweitete Teststrategie, die sich am Beispiel Tübingen orientieren soll. Mit Tagesattesten erhält dort jeder unter anderem Zugang zu Einzelhandelsgeschäften, Außengastronomie und kulturellen Einrichtungen sowie Kinos. Für die Ausstellung der Tagespässe wurden in der Tübinger Innenstadt Schnellteststationen eingerichtet. Das dort zuständige Personal gibt den negativ Getesteten dann ein personalisiertes Tages-Zertifikat aus. Ein Zertifikat als Tor zurück in die Normalität, gewissermaßen.
Verständnis für politische Entscheidungen schwindet
"Wir beobachten im Moment mit großer Sorge angesichts eines immer wieder verlängerten Lockdowns in größer werdenden Teilen der Bevölkerung eine zunehmende Lethargie", erklärte Stadtrat Ralf Hofmann den SPD-Antrag. Das Verständnis für politische Entscheidungen schwinde nach und nach. Um dem entgegenzuwirken, bekräftigte Hofmann, "benötigen wir eine neue Perspektive für unsere Bevölkerung". Gerade in einer Stadt wie Schweinfurt, die innerhalb von kürzester Zeit von einer sehr hohen Inzidenz zu einer sehr niedrigen und wieder zurück wechselte, erscheine ein solches Modellprojekt sinnvoll und zielführend, betonte Hofmann.
Die Stadt Schweinfurt solle sich hierzu bemühen, beim Freistaat Bayern entsprechende Mittel zur Unterstützung eines Modellprojektes zu erhalten. Geht es nach der SPD, sollte die Stadt gleichzeitig mit dem Leopoldina-Krankenhaus oder einer anderen Fachstelle kooperieren, "damit wissenschaftliche Erkenntnisse aus diesem Konzept ermittelt werden", so Hofmann. Es sollte alles darangesetzt werden, dass Schweinfurt nach Ostern mit dieser Teststrategie beginnen könne. Denn: Mit vielen kostenlosen Tests könne man einen Schritt Richtung Normalität gehen.
Schweinfurt muss sich als Modellstadt beim Freistaat bewerben
Ins gleiche Rohr bläst die CSU-Stadtratsfraktion in ihrem Antrag. "Die aktuelle Situation ist allen bekannt", sagte Florian Dittert. Seine Partei würde es begrüßen, wenn Schweinfurt eine solche Modellstadt werden könnte. "Damit könnte für den Handel, die Gastronomie und die Freizeiteinrichtungen eine Perspektive geschaffen werden", so Dittert. Doch einfach so kann Schweinfurt ein solches Konzept nicht umsetzen.
Denn wie die Staatsregierung mitteilte, will Bayern ab dem 12. April in Anlehnung an das "Tübinger Modell" voraussichtlich in vier Modellstädten mit hoher Inzidenz erweiterte Öffnungen von Handel, Gastronomie und Kultureinrichtungen mit einem umfassenden Testkonzept erproben. SPD und CSU fordern deshalb, dass sich Schweinfurt schnellstmöglich dafür bewerbe, was viel Anklang im Stadtratsgremium fand.
AfD-Stadträtin zweifelt an erfolgreicher Teststrategie
Laut Oberbürgermeister Sebastian Remelé habe sich die Stadtverwaltung ebenfalls bereits mit solchen Modellen befasst. "Wir unterstützen deshalb die Stoßrichtung beider Anträge, können uns allerdings nur bewerben, nichts versprechen." Auch für Schweinfurts Ordnungsreferent Jan von Lackum ist der Antrag "im Kern genau richtig". Nun müsse man noch die genauen Bewerbungsvoraussetzungen prüfen und dann zeitnah ein Konzept bei der Regierung einreichen.
"Wir befürworten die Anträge sehr", sagte auch Frank Firsching von den Linken. Mit einer ausgeweiteten Teststrategie könnten die Menschen schließlich mehr Freiheit erlangen. Marietta Eder (SPD) forderte indes noch mehr politischen Druck von Seiten der Kommune. "Wenn wir jetzt auf die Modellregion ab 12. April warten, verlieren wir zu viel Zeit." Auch für Parteikollege Ralf Hofmann sei jetzt Schnelligkeit gefragt. "Die Stadtverwaltung sollte sofort zusagen, um bei der Regierung ein Zeichen zu setzen." Jedoch gab Oberbürgermeister Remelé zu bedenken, dass man mit Sorgfalt zunächst die Vergaberichtlinien prüfen und ein eigenes Konzept erarbeiten müsse.
Mit einer Ausnahme erfuhr das Vorhaben dennoch eine breite Zustimmung im Stadtrat. Lediglich AfD-Stadträtin Daniela Mahler zweifelte am Erfolg einer solchen Teststrategie. "Ich bin mir nicht ganz sicher, ob wir dem Handel damit einen Gefallen tun", sagte sie. Durch mehr Tests kämen mehr positiv Getestete zum Vorschein, was wiederum zu härteren Verschärfungen und eben keinen Lockerungen führe, so Mahler. Ordnungsreferent von Lackum widersprach dem und betonte, dass eine Vielzahl an Tests nur kurzfristig für einen Anstieg der gemeldeten Infektionszahlen führe. "Mittel- und langfristig sorgen viele Tests dafür, dass positiv Getestete weniger Menschen anstecken, was zu sinkenden Infektionszahlen führt." Hier müsse man noch mehr Aufklärungsarbeit in der Bevölkerung leisten, so von Lackum.
Mittlerweile teilte Ordnungsreferent Jan von Lackum der Redaktion mit, dass die Bewerbung Schweinfurts als Modellstadt bereits an die Regierung von Unterfranken gesandt wurde. Diese habe die Bewerbung bereits an das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege weitergeleitet. Sie soll nun in den nächsten Tagen konkretisiert werden.
Kehrt man nun auf einmal wieder zur (ausufernden Bürokratie) zurück während anderenorts Entscheidungen und Beschüsse innerhalb weniger Stunden "ausgewürfelt" werden?
Schön, wenn man sich hinter Vorschriften verschanzen kann, um nicht mal schnell aktiv werden zu müssen. Es ist unverantwortlich gegenüber dem Einzelhandel und der Gastronomie, zu warten und Vorschriften zu lesen. Das zeigt die fehlende Wertschätzung deutlich. Herr OB, wenn sie keine Lust haben, für diese Stadt was aktiv zu tun, überlegen Sie, ob Sie am richtigen Platz sitzen.
Tübingen wird von einem grünen OB regiert,wie kann man dann von einer Modellstadt reden?
Schickt euren OB lieber zum Lanz.
Es ist ja nicht so dass es eine Partei allein gibt zu der man aufschauen könnte, egal ob die nun CDU/CSU, SPD, Grüne, FDP, FW, AfD usw. heißt.
Welche Schreckensszenarien wurden an die Wand gemalt als die Grünen nach Jahrzehnten CDU-Herrschaft die Regierung in BW übernahmen - wa ist davon eingetreten? Nichts.
Zudem wird Würzburg hier ohnehin schneller sein als Schweinfurt. Siehe den anderen Artikel zum Thema mit Aussagen vom Würzburger OB.