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Dingolshausen
Nikolaus Fey: Dingolshausen diskutiert nicht über Straßennamen
In Gerolzhofen soll der Name des nazitreuen Heimatdichters verschwinden. Im Nachbarort fährt Bürgermeisterin Weissenseel-Brendler eine andere Linie. Sie stellt sich hinter Anwohner.
In Dingolshausen zweigt von der Hauptstraße die Nikolaus-Fey-Straße ab. Der Namenspatron der Straße ist ein Heimatdichter, der bekennender Nationalsozialist und tatkräftiger Unterstützer der Nazi-Diktatur war.
Foto: Michael Mößlein | In Dingolshausen zweigt von der Hauptstraße die Nikolaus-Fey-Straße ab. Der Namenspatron der Straße ist ein Heimatdichter, der bekennender Nationalsozialist und tatkräftiger Unterstützer der Nazi-Diktatur war.
Michael Mößlein
 |  aktualisiert: 27.04.2023 12:23 Uhr

Der Gerolzhöfer Stadtrat hat sich vor kurzem beinahe einhellig dafür ausgesprochen, die Nikolaus-Fey-Straße umzubenennen. Auch wenn das noch kein Beschluss war, hat das Gremium damit klar signalisiert: Gerolzhofen soll anderen Kommunen in der Region folgen, die nicht länger demins geschichtliche Zwielicht geratenen Heimatdichter huldigen möchten und die diesen inneren Abschied durch die Umbenennung von Straßen zum Teil bereits vollzogen haben.

In der Nachbargemeinde Dingolshausen dagegen, wo es in der Ortsmitte ebenfalls eine Nikolaus-Fey-Straße gibt, hat der Gemeinderat über das Thema noch nicht einmal beraten – und wird dies auch nicht so schnell nachholen. Zumindest nicht, wenn es nach dem Wunsch von Bürgermeisterin Nicole Weissenseel-Brendler geht.

Etliche Gemeinden haben bereits Konsequenzen gezogen

Dabei wabert die Diskussion um Nikolaus Fey als Namensgeber nicht nur für etliche Straßen, sondern beispielsweise auch für die Grund- und Mittelschule Schule in Wiesentheid, seit vielen Monaten durch die Gremien der betroffenen Städte und Gemeinden. Die Diskussion war aufgekommen, nachdem in Würzburg eine elfköpfige Fachkommission im Jahr 2020 nach über vierjähriger Forschung zu dem klaren Ergebnis gekommen war: Der im Jahr 1881 in Wiesentheid geborene und 1956 auf der zu Gerolzhofen gehörenden Waldesruh gestorbene Heimatpoet ist mehr als nur ein Sympathisant der Nationalsozialisten gewesen. Nikloaus Fey gilt in Fachkreisen mittlerweile als gesinnungstreuer, strammer Gefolgsmann der Nazis, der sich aktiv bemüht hat, deren Rassenideologie umzusetzen, vor allem im Bereich des besetzten Polens.

Damit schien den meisten Verantwortlichen in den Kommunen klar, dass Nikolaus Fey nicht weiter als Namensgeber und damit als Vorbild taugt. Fey ist damit schließlich auch längst nicht der erste Fall, in dem eine vermeintlich honorige Persönlichkeit erst nach vielen Jahrzehnten ob deren Rolle während der Nazi-Zeit neu bewertet wurde. Dies hat nicht zuletzt der Fall des Schweinfurter Großindustriellen Willy Sachs deutlich gemacht, dem der Schweinfurter Stadtrat aus genau diesem Grund im Juni 2021 die Ehrenbürgerwürde der Stadt entzogen hat.

Gemeinderat hat bis heute nicht über Nikolaus Fey beraten

In Dingolshausen ist man von einer möglichen Änderung des Namens der Nikolaus-Fey-Straße noch weit entfernt. Zwar wurde das Thema im vergangenen August während der Bürgerversammlung kurz gestreift, doch im Gemeinderat hat Nikolaus Fey es bis heute nicht auf die Tagesordnung geschafft, bestätigt Bürgermeisterin Nicole Weissenseel-Brendler auf Nachfrage dieser Redaktion. Sie sehe hier auch keine Dringlichkeit und deutet an, das Thema "vielleicht im Sommer" im Gremium zu behandeln.

Ihre Zurückhaltung beim Thema begründet Weissenseel-Brendler damit, dass die Gemeinde andere, akutere Themen habe. Als Beispiele nennt sie den anstehenden Umbau des Sportheims und die aufgetretenen Schäden durch Biber. Zudem verweist sie darauf, ihr Amt als Bürgermeisterin nicht hauptberuflich auszuüben. Deshalb sei ihr zeitliches Budget zu begrenzt, um sich derzeit um einen solchen "Schönheitsfehler", wie einen nicht mehr ins Zeitbild passenden Straßennamen zu kümmern. Jedenfalls erkenne sie in der Sache als Bürgermeisterin im Moment "keinen akuten Handlungsbedarf".

Bürgermeisterin: Nicht gegen den Willen der Anwohner

Was für ihr Zögern ebenfalls eine Rolle spielen dürfte, sind die von ihr selbst angesprochenen Scherereien, die eine Änderung eines Straßennamens mit sich bringt – vor allem für die betroffenen Anwohner. Bisher hätten sich drei von diesen bei ihr gemeldet mit dem Wunsch, den Namen der Nikolaus-Fey-Straße bloß nicht zu ändern. Auch wenn dies noch kein Mehrheitsbild ist, bezieht Weissenseel-Brendler eine klare Position: "Ohne Einbindung der Anwohner wird nichts unternommen." Das bedeutet für sie auch, dass es keine Namensänderung geben soll, solange eine Mehrheit der Anwohner dagegen ist.

Nach ihrer persönlichen Meinung in der Sache gefragt, erklärt die Bürgermeisterin, bei dem Thema "persönlich ein bisschen leidenschaftslos" zu sein. Sie sei damals nicht dabei gewesen, weder als Nikolaus Fey gelebt hat, noch als die Entscheidung fiel, eine Straße im Ort nach diesem zu benennen. Auch distanziert sich Weissenseel-Brendler vom Urteil der Würzburger Expertenkommission zur Rolle des Heimatdichters während der Zeit des Nationalsozialismus', das Nikolaus Fey klar die Rolle eines Mittäters und nicht nur die eines Mitläufers zuweist.

Zweifel am Bestand des Expertenurteils

Niemand wisse, ob andere Wissenschaftler später nicht zu einer neuen, anderen Bewertung von Nikolaus Feys Leben und Wirken gelangen könnten, sagt die Dingolshäuser Bürgermeisterin im Gespräch mit dieser Redaktion. Sie sei in solchen Fragen "heutzutage vorsichtig". Dies bestärke sie zusätzlich, den großen Aufwand, der mit einer Änderung des Straßennamens verbunden wäre, zurückhaltend zu bewerten, zumal dann, wenn dies "nicht unbedingt sein muss".

 
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Kommentare
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  • S. B.
    Mit derartigen Aussagen könnte Frau Bürgermeisterin durchaus einen eigenen Kabarettabend im Dingolshäuser „Freiraum“ veranstalten. Realsatire pur!
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  • R. S.
    Daumen hoch für eine Bürgermeisterin die eine eigene Meinung hat und dazu steht👍.
    Esgibt wirklich Wichtigeres als diese Sache!
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  • G. S.
    An christel2
    Nachtrag: Mein Beitrag war etwas verkorkst aber sarkastisch gemeint. Zukünftig werde ich deutlicher schreiben. Für mich sind solche Verharmlosungen (sh griller etc.) der Beginn von Geschichtsrevisionismus und brandgefährlich. Da ist die Umbenennung von Straßen das kleinste Übel. Ich habe Verständnis für die Anwohner, die sich über den Aufwand der damit für sie verbunden ist ärgern, aber kein Verständnis für diese Art der Bewertung von historischen Tatsachen. Und ich hoffe nicht, dass es in Zukunft eine Zeit geben wird, in der diese historischen Tatsachen wieder "anders bewertet" werden, denn dann leben wir vermutlich wir wieder in einem faschistischen Staat o.Ä.
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  • E. B.
    An RainerZufall: Danke für Ihren engagierten Beitrag.
    Die Bürgermeisterin und auch Silenius und Griller müssen wirklich einige Geschichtsstunden versäumt haben oder doch in Wirklichkeit einer anderen Partei nahe stehen. Ich kann deren Aussagen nicht fassen.
    Das allermindeste müsste sein, dass man eine erklärende Tafel anbringt.
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  • M. D.
    @Griller
    Verstehe ich ihren Kommentar so richtig: Unsere Vorfahren aus der NS-Zeit hätten nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt, im Gegensatz zu heutigen Enscheidungsträgern?!?!
    Ist Ihnen bewusst, was Sie da schreiben?!?!?
    Furchtbar wie immer wieder versucht wird die Gräuel herunterzuspielen und kleinzureden.
    Logisch war niemand von uns dabei, das macht das Ganze aber doch nicht weniger schlimm.
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  • G. R.
    Niemand wisse, ob andere Wissenschaftler später nicht zu einer neuen, anderen Bewertung von Nikolaus Feys Leben und Wirken gelangen könnten, sagt die Dingolshäuser Bürgermeisterin im Gespräch mit dieser Redaktion. Hier kann ich der Bürgermeisterin nur zustimmen. Auch das nichts gegen den Willen der Anwohner getan werden soll finde ich gut. Die ewigen Besserwisser die laut schreien müssen nicht unbedingt Recht bekommen bzw. haben. Bleibt erst einmal ruhig und reckt euch nicht so auf, von uns war niemand dabei also können wir auch nicht sagen wer Recht hat, unsere Vorfahren sind aber auch nicht auf der Wassersuppe daher geschwommen sie haben nach bestem Wissen gehandelt im Gegensatz zu den meisten heutigen Entscheidungsträger
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  • G. S.
    Warum sollte man "heutzutage vorsichtig" in solchen historischen Fragen sein?? Sieht hier jemand die braune Morgendämmerung heransumpfen?
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  • G. S.
    Die Frau Bürgermeisterin ist fokussiert auf das Wesentliche. Daran sollten wir uns alle ein Beispiel nehmen! Nicht aufhalten mit dem alten Kram. Vorwärts immer! Rückwärts nimmer. Je länger das her ist, desto weniger erinnern sich daran, desto fragwürdiger werden die sog. historischen Fakten. Desto besser wird "die gute alte Zeit". Und wer weiß ob das überhaupt alles stimmt? heutzutage im Zeitalter des "individuellen Geschichtsrevisionismus" ...
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  • E. B.
    Über die Antworten der Bürgermeisterin bin ich entsetzt. Vielleicht ist ihr nicht bekannt, dass man nach 1989 erst an Unterlagen gekommen ist.
    Und den "Fall des Schweinfurter Großindustriellen Willy Sachs" mit Nikolaus Fey zu vergleichen, das kann ja wohl nicht sein!
    Meint vielleicht die Bürgermeisterin, dass die Anwohner der Nikolaus-Fey-Str. das entscheiden könnten? Die sehen nur die Arbeit, die sie sowieso hätten, sollten sie wegziehen wollen. Das ist doch bei den Straßenumbenennungen sowieso immer der gleich Grund - die Arbeit. Heutzutage ist das kein Thema mehr, Dank email und EDV.
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