Zum dritten Sommerfest des Helferkreises Gerolzhofen ließen die hohen Temperaturen auf sich warten. Das hinderte die Gäste jedoch nicht daran, zahlreich zu erscheinen und selbstgemachte Speisen für das Buffet mitzubringen.
Im Foyer des Bürgerspitals kamen die verschiedensten Nationalitäten zum gemeinsamen Abendessen zusammen: Afghanistan, Ukraine, Russland und sogar einige Menschen von der Elfenbeinküste waren da. Viele von ihnen sind vor dem Krieg in ihrer Heimat geflohen und teilweise noch nicht lange in Deutschland. Trotzdem war die Stimmung heiter und der Raum erfüllt von angeregten Gesprächen.
"Einmal im Jahr möchten wir ein gemeinsames Fest veranstalten. Dabei ist es egal, wo man herkommt", erklärt Claudia Ockl, eine Vertreterin des Helferkreises, der seit zehn Jahren geflüchteten Menschen dabei hilft, sich in ihrer neuen Umgebung zurechtzufinden. Dafür unterhält er unter anderem ein Netzwerk des Austauschs und der gegenseitigen Unterstützung, das schon vielen Geflüchteten geholfen hat.
"Die meisten syrischen Geflüchteten, die ich kenne, haben mittlerweile eine Arbeit gefunden oder machen eine Ausbildung", erzählt Matthias Seng, ebenfalls ein Vertreter des Helferkreises. Und wie geht es den Menschen, die aus der Ukraine, Russland oder Afghanistan geflohen sind und versuchen, sich in Deutschland ein neues Leben aufzubauen?
Man darf keine Angst haben, um Hilfe zu bitten
Daniel Bychkov kommt ursprünglich aus Dnipro in der Ukraine. Ab September macht der 19-Jährige eine Ausbildung zum Fachinformatiker. Ihm gefällt es in Deutschland. "Ich fühle mich hier wohl, weil mir viele Leute helfen", erzählt er. Als die Universität aufgrund des Krieges geschlossen wurde und er nicht weiterstudieren konnte, entschloss er sich, das Land zu verlassen. Seine Familie kam nicht mit. Zurück in die Ukraine möchte er nicht mehr. Genauso geht es seinem langjährigen Freund Maksym Huravskyi.
"Hier in Deutschland ist es viel besser als in der Ukraine, weil man viel mehr Möglichkeiten hat, seine Zukunft zu gestalten", begründet er. Die beiden kennen sich noch aus der Schulzeit in der Ukraine. In Deutschland nicht alleine zu sein, hätte beiden sehr geholfen. Denn auch Huravskyi, der seit eineinhalb Jahren in Deutschland lebt, ist ohne seine Familie hergekommen. Im September beginnt sein B2-Deutschkurs.
Ihre gemeinsame Freundin Polina Semenina lebt seit vier Jahren mit ihrer Familie in Deutschland. Dass sie aus Russland kommt, sei zwischen den drei Freunden nie ein Thema gewesen. Aktuell macht sie eine Ausbildung zur Bankkauffrau. "Ich bin gut in Mathe und wollte unbedingt etwas mit Finanzen machen", erzählt die 16-Jährige. Anderen geflüchteten Menschen legt sie ans Herz, keine Angst davor zu haben, neue Leute kennenzulernen. Bychkov ergänzt: "Habt keine Angst, um Hilfe zu bitten."
Solange die Taliban an der Macht sind, ist eine Rückkehr nach Afghanistan keine Option
Auch Ismail Sediqi und Abdul Wares Haiderzada, die beide aus Afghanistan kommen, können sich nicht vorstellen, in ihre Heimat zurückzukehren, solange die Taliban an der Macht sind. "In Afghanistan habe ich als Apotheker gearbeitet und wollte mich mit einem Studium spezialisieren. Aber die Taliban haben das nicht erlaubt", erzählt Sediqi. Auch seine Schwestern dürfen nicht mehr studieren.
Der 23-Jährige ist seit zehn Monaten in Deutschland und besucht aktuell den Deutschunterricht. Dort hat er Wares Haiderzada kennengelernt und ist seitdem mit ihm befreundet. Der 20-Jährige lebt seit acht Monaten in Deutschland. Genau wie bei Sediqi konnte auch seine Familie nicht mitkommen. Zwar stünden beide in regelmäßigem Kontakt zu ihnen, dennoch sei es hart, sie nicht sehen zu können.
Beiden gefalle es in Deutschland, weil sie hier mehr Möglichkeiten für die Zukunft hätten als in ihrem Heimatland. "Hier wird man ermutigt und unterstützt, wenn man studieren möchte", sagt Sediqi. Deshalb möchte er auf die Universität gehen, wenn er den Deutschkurs abgeschlossen hat. Wares Haiderzada will anschließend Krankenpfleger werden.
Doch nicht für alle ist eine Rückkehr ausgeschlossen. Iryna Nazarova beispielsweise hofft darauf, irgendwann in ihr Heimatland, die Ukraine, zurückkehren und wieder bei ihrer Familie sein zu können.
Die Entscheidung, die Ukraine zu verlassen, kam nicht von Herzen
Als sie mit ihren beiden Kindern im März 2022 zum ersten Mal vor dem Krieg floh und bei Bekannten in Deutschland unterkam, ging sie noch davon aus, ihr Aufenthalt sei nur vorübergehend. "Wir dachten, der Krieg endet schnell", erzählt sie. Deshalb kehrten die drei Anfang September nach Kiew zurück und gingen wieder ihrem Alltag nach: Nazarova arbeitete als Deutschlehrerin und ihre Kinder gingen zur Schule.
Doch die Situation entspannte sich nicht und die zunehmenden Stromausfälle und alltäglichen Bombenalarme nagten an der Familie. Denn in ihrer Umgebung gab es keine Luftschutzkeller oder U-Bahnstationen, in denen sie sich in Sicherheit bringen konnten. "Ich konnte nachts nicht schlafen, weil ich ständig auf einen möglichen Bombenalarm gehorcht habe", erklärt sie.
Außerdem habe die Ungewissheit, wie es weitergeht, sie und ihren Mann sehr belastet. "Die Situation war schrecklich und ich wollte nicht darauf warten, dass sie noch schrecklicher wird." Deshalb entschieden sie gemeinsam, dass es besser sei, wenn sie und die Kinder wieder nach Deutschland gingen. Die Entscheidung sei ihr unglaublich schwer gefallen und nicht von Herzen gekommen, sondern aus der Vernunft heraus, ihre Kinder in Sicherheit zu bringen.
Seit Ende Juli sind die drei wieder in Deutschland – Nazarovas Mann konnte nicht mitkommen. Weil er jederzeit mobilisiert werden kann, darf er das Land nicht verlassen. Auch wenn die beiden in Kontakt stehen, vermisse sie ihn sehr. Aktuell ist sie auf der Suche nach einem Job und einer Wohnung. In Deutschland könne sie wieder ruhig schlafen und habe viel Hilfsbereitschaft erfahren. Dennoch möchte sie zurück in ihre Heimat und zu ihrer Familie, wenn der Krieg vorbei ist.