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Gerolzhofen
Flüchtlinge wollen sich gerne integrieren - "aber es ist extrem schwierig"
Die bayerische Integrationsbeauftragte Gudrun Brendel-Fischer informierte sich in Gerolzhofen über die Arbeit des Asyl-Helferkreises. Sie kam auch mit Flüchtlingen ins Gespräch.
Diskussionsrunde beim Gerolzhöfer Helferkreis mit Flüchtlingen: Unter den Portraits der Fürstbischöfe im Alten Rathaus sitzen (von links) Matthias Seng und Claudia Ockl vom Helferkreis, die Integrationsbeauftragte Gudrun Brendel-Fischer, Bürgermeister Thorsten Wozniak, Stadträtin Kerstin Krammer-Kneißl sowie Dorina Anders und Stefanie Mager von der Diakonie.
Foto: Klaus Vogt | Diskussionsrunde beim Gerolzhöfer Helferkreis mit Flüchtlingen: Unter den Portraits der Fürstbischöfe im Alten Rathaus sitzen (von links) Matthias Seng und Claudia Ockl vom Helferkreis, die Integrationsbeauftragte ...
Klaus Vogt
 |  aktualisiert: 08.02.2024 11:24 Uhr

Zu einer Gesprächsrunde mit der bayerischen Integrationsbeauftragten Gudrun Brendel-Fischer lud der Asyl-Helferkreis Gerolzhofen mehrere Flüchtlinge in den Sitzungssaal des Alten Rathauses ein. Die Männer und Frauen schilderten ihren bisherigen Weg der Integration in die deutsche Gesellschaft und wiesen auf so manches Hindernis hin.

Angesprochen wurden aber auch Probleme, die jeder Einheimische ebenfalls hat und die nicht mit dem Asylrecht zusammenhängen. Brendel-Fischer machte sich viele Notizen und will ihre gewonnenen Eindrücke und Informationen nun an den richtigen Stellen vorbringen.

Gudrun Brendel-Fischer stammt aus Heinersreuth (Lkr. Bayreuth) und ist seit 2013 die Stimmkreisabgeordnete für den Stimmkreis Bayreuth. Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der CSU-Landtagsfraktion wurde am 27. November 2018 vom Ministerrat zur Integrationsbeauftragten der Bayerischen Staatsregierung berufen. Ihr Amt ist im Innenministerium angesiedelt. Als Integrationsbeauftragte berät und unterstützt Brendel-Fischer nach eigener Aussage die Bayerische Staatsregierung in Fragen der Integrations-, Asyl- und Migrationspolitik und hält engen Kontakt zu Verbänden, Schulen, Arbeitgebern und der Arbeitsgemeinschaft der Ausländer-, Migranten- und Integrationsbeiräte Bayerns. Im Freistaat leben derzeit rund 3,5 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund.

55 Nationen in der Stadt

Bürgermeister Thorsten Wozniak stellte der Abgeordneten zunächst die Stadt und die Region vor. Derzeit hätten rund acht Prozent der Gerolzhöfer Einwohner keinen deutschen Pass. Insgesamt seien es rund 55 verschiedene Nationen, die in der Stadt "sehr friedlich zusammenleben." Im Jahr 2015, in der Hochzeit der Flüchtlingsströme insbesondere aus Syrien, seien bis 370 Ausländer in der Dreifachturnhalle und in privaten Wohnungen untergebracht gewesen. Um diesen Menschen zu helfen, habe sich ein "unglaublich breites Spektrum an Helfern quer durch alle politische Couleurs" zusammengefunden. Die Hilfe sei "mustergültig und beispielhaft" gewesen und die Anwesenheit der Flüchtlinge habe man in der Stadt als "äußert wohlwollend und bereichernd" empfunden.

Erste Hilfsaktion schon 2013

Claudia Ockl vom Helferkreis begrüßte die Abgeordnete und betonte, wie wichtig die politischen Rahmenbedingungen seien für eine gelungene Integration der "neuen Gäste". Der Helferkreis gehe zurück auf eine erste Hilfsaktion im Jahr 2013, als beide Kirchen in Gerolzhofen einer Familie aus Tschetschenien Kirchenasyl gewährten, berichtete Matthias Seng vom Helferkreis. 2015 dann hätten sich "mehrere hundert Helfer" für die Neuankömmlinge engagiert. Dies sei ein "großer gesellschaftlicher Kraftakt" gewesen, gleichzeitig aber auch eine Selbstverständlichkeit, dass Menschen in Not Unterstützung bekommen. Und nun aktuell, ausgelöst vom Vernichtungskrieg Russlands gegen die Ukraine, diene die Dreifachturnhalle wieder als Notunterkunft. "Der Helferkreis wurde deshalb wieder aktiv, diesmal auch mit vielen neuen Mitgliedern."

Flüchtlinge schildern ihre Situation

Dann stellten mehrere Flüchtlinge in deutscher Sprache ihre derzeitige Situation vor. Dorina Anders und Stefanie Mager von der Diakonie Schweinfurt moderierten die Runde. Einige Beispiele.

Eine Frau aus Syrien, vor sechs Jahren mit ihrer Familie nach Gerolzhofen gekommen, hat in ihrer Heimat an der Universität in Damaskus einen Abschluss in Umweltwissenschaft in englischer Sprache absolviert. 2019 wurde dieses Studium in Deutschland auch anerkannt. Sie habe den großen Willen, sich in die Gesellschaft zu integrieren, sagte sie, "aber es ist extrem schwierig". Trotz ihrer akademisch anspruchsvollen Ausbildung habe sie bei -zig Bewerbungen um einen Arbeitsplatz häufig überhaupt keine Rückmeldung erhalten und wenn doch, dann waren es Ablehnungen. Gudrun Brendel-Fischer notierte sich den Fall.

Ein Mann, der 2015 mit seinem Sohn aus Syrien kam, arbeitet heute als selbstständiger Gastwirt. Er möchte gerne die deutsche Staatsbürgerschaft erwerben. Das Landratsamt Schweinfurt verlange dafür aber erst, dass seine Geburtsurkunde in Beirut beglaubigt wird, sagte er. Und dies ziehe sich. "Ich warte schon seit einem Jahr." In der kreisfreien Stadt Schweinfurt hingegen werde diese Beglaubigung überhaupt nicht verlangt und dies verstehe er nicht. Brendel-Fischer konnte diese unterschiedliche Handhabung in Stadt und Kreis ebenfalls nicht nachvollziehen. Sie will sich kümmern.  

Tägliches Pendeln nach Würzburg

Ein 38-jähriger Syrer, mit seiner fünfköpfigen Familie in Gerolzhofen wohnhaft, arbeitet als Busfahrer beim WVV in Würzburg, wo es ihm sehr gut gefällt. Sein Problem: Er muss täglich nach Würzburg pendeln und würde gerne eine Wohnung im Großraum Würzburg beziehen, findet aber nichts. Brendel-Fischer signalisierte ihm, dass sie hier die falsche Ansprechpartnerin sei. Die Wohnungssituation in Würzburg als Studentenstadt sei in der Tat sehr angespannt, das Problem fehlenden Wohnraums hätten aber auch die Einheimischen. Der 38-Jährige sah dies ein - und bedankte sich am Ende seines Redebeitrags ausdrücklich für die Hilfe, die ihm in Deutschland gewährt wurde.

Eine Syrerin mit fünf Kindern, die 2018 im Wege des Familiennachzugs ihrem Mann nach Gerolzhofen gefolgt war, der bereits seit 2015 hier ist, beklagte Benachteiligungen bei der Wohnungssuche. Flüchtlinge aus der Ukraine würden bei der Vergabe von Wohnungen durch die Vermieter bevorzugt, "weil sie Europäer und Christen sind".

Kritik an Busverbindungen

Ein 28-jähriger Syrer, seit 2015 in Deutschland, hatte in seiner Heimat bereits sechs Semester Wirtschaft studiert. In Deutschland habe er wieder von vorne beginnen müssen. Nach dem Fachabitur an der FOS Schweinfurt hat er nun eine Ausbildung als Industriemechaniker in der Schweinfurt begonnen. Als Empfänger von Sozialhilfe sei er nicht in der Lage gewesen, einen Führerschein zu machen und sich ein Auto zu kaufen.

Deshalb sei er als Schüler auf den Bus angewiesen gewesen, um nach Schweinfurt zu kommen. Die Busverbindung sei allerdings schlecht. Weil er demnächst nun im Schichtbetrieb auch nachts arbeiten muss, wo überhaupt kein Bus fahre, habe er jetzt notgedrungen den Führerschein gemacht und sich einen Wagen gekauft. "Bei schlechten Busverbindungen kann ich schlecht was machen", antwortete die Integrationsbeauftragte. Dies sei ein generelles Problem, was auch deutsche Auszubildende betreffe.

Kritik am Numerus Clausus

Ein 19-jähriger Syrer, der derzeit in die 11. Klasse eines Gymnasiums geht, hat gleich zwei Probleme. Er würde gerne den Führerschein machen und sich das Geld dafür in einem Ferienjob verdienen. Weil aber seine Eltern Leistungen aus dem Jobcenter beziehen (Hartz IV), würde der Staat 80 Prozent seines Ferienjob-Verdienstes einbehalten. Dies sei ungerecht, meinte er. "Die Regeln sind aber so", sagte Brendel-Fischer.

Das zweite Problem des 19-Jährigen: Er würde nach dem Abitur gerne Medizin studieren und halte sich auch selbst geeignet dafür. Allerdings gebe es in Deutschland den Numerus Clausus mit einem Abi-Schnitt von 1,0 oder 1,1. "Schulnoten sind aber nicht die alleinige Kompetenz für ein Medizin-Studium", sagte der junge Mann. Brendel-Fischer stimmte ihm zwar zu, konnte aber auch hier nicht so recht helfen. "Die Regeln gelten eben für alle."   

 
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Kommentare
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  • A. W.
    ""...unterschiedliche Handhabung in Stadt und Kreis..."
    ""...kann ich schlecht was machen.""
    ""Die Regeln sind aber so.""
    ""Die Regeln gelten eben für alle.""

    Kurz gesagt: Deutschland.
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    Vieleicht möchte er auch noch einen Flugschein machen ?
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    Flüchtlinge könnten sich genauso schnell integrieren wie die derzeitigen Kriegsflüchtlinge, wenn man ihnen die gleiche Behandlung/Hilfe zukommen lassen und keine Unterschiede machen würde. Öffentlich werden den einen Jobs ohne Sprachkenntnisse angeboten und die anderen, die teilweise schon mehrere Jahre in Deutschland leben, bekommen keinen Job, weil sie die deutsche Sprache nicht in Wort und Schrift beherrschen. Der staatliche Unsinn produziert hier nur Probleme über Probleme, die immer mehr in Aggressionen ausarten werden (Verbrennung der ukrainischen Fahne usw.) und sicher bald auch bei den sonst so stoisch ruhigen deutschen Bürgern, denn das Geld wird immer weniger und wenn es um die eigene Existenz geht……??
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    Der Staat verlässt sich auf diese ungeniert auf diese Helfer, mal kurz bedankt, geklatscht, das war es. Lieber das Geld der braven Steuerzahler für die Beraterteams, die immer mehr werden, ausgeben, da unsere derzeitigen Politiker sichtlich selbst keine Entscheidungen fällen können? Denkt überhaupt jemand mal an all die Menschen, die bei uns Hilfe suchten und immer noch hoffen. Lieber bietet man ihnen Geld an, damit sie wieder gehen. Krass, inhuman. Wundert es dann, wenn die Flüchtlinge frustriert sind, psychisch erkranken und straffällig werden, weil auch sie ein Stück vom Kuchen möchten? Da wird dann gleich von diversen Gruppierungen geschürt und Feindbilder geschaffen. Sicherlich sind immer wieder welche dabei, die gezielt geschickt werden, das war auch bei der Auswanderung der Russlanddeutschen und sicherlich auch jetzt, dass Putin bestimmte Personen schickt, um seine Interessen wahren zu können. Ehrenamtliche streikt mal, damit die Politiker merken, was ihr leistet.
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    Traurig ist, dass Unterschiede gemacht werden bei Flüchtlingen/Asylbewerbern. Menschen, die aus ihrer Heimat fliehen bzw. fliehen müssen und hier in Europa eine neue sichere Heimat suchen, sollten alle gleich behandelt werden. Viele leben seit Jahren in Ankereinrichtungen, ohne Job und Perspektive - Frust und Kriminalität etc. tagtäglich. Bedauerlich für alle, denn jetzt kamen Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine: die mussten oft nur Übergangszeiten in den Notunterkünfte ausharren, plötzlich standen von städtischer Seite über 100 Wohnungen zur Verfügung. Andere Wohnungssuchende, die seit zig Monaten, teilweise Jahren auf der Liste standen, gingen wieder leer aus. Ein Schlag ins Gesicht, aber nicht nur für die Bürger der Region, nein auch für alle, die in den letzten Jahren hier angekommen sind und jetzt wieder im Stich gelassen werden. Gäbe es nicht die vielen unermüdlichen Ehrenamtlichen und Hilfsorganisationen wäre eh schon alles zusammengebrochen. Fortsetzung nächster Kommentar
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