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Oberwerrn
"Wir wollen Menschen günstig mit Wärme beliefern": Wie eine Oberwerrner Initiative das Heizungs-Dilemma lösen will
2024 sollen die ersten Häuser in Oberwerrn mit Nahwärme aus dem Ort versorgt werden. Wie das funktionieren soll und wofür die Energiegenossenschaft steht.
Louis Ulrich, Vorstand der Energiegenossenschaft Oberwerrn, vor der Biogasanlage von Landwirt Andreas Hümmer. Von hier aus sollen Haushalte in Oberwerrn mit Nahwärme versorgt werden.
Foto: Josef Lamber | Louis Ulrich, Vorstand der Energiegenossenschaft Oberwerrn, vor der Biogasanlage von Landwirt Andreas Hümmer. Von hier aus sollen Haushalte in Oberwerrn mit Nahwärme versorgt werden.
Katja Beringer
 |  aktualisiert: 08.02.2024 15:54 Uhr

Zwischen 300 und 900 Kilowatt Leistung hat die Biogasanlage von Landwirt Andreas Hümmer. Der Stoff, aus dem erst Biogas und dann Strom wird, stammt hauptsächlich aus dem, was im Stall der Rindermast anfällt: Mist. Fünf andere Landwirte liefern zu, daneben landen Grünschnitt, Zwischenfrüchte und auch Mais in der Biogasanlage, die Hümmer 2006 gebaut hat. Die Wärme, die hier entsteht, ist quasi ein Nebenprodukt, wird im eigenen Haus und zur Getreidetrocknung genutzt.

Doch das meiste bleibt ungenutzt. Nun soll das anders werden. Im Januar 2023 hat sich eine Energiegenossenschaft gegründet. Ihr Ziel: der Ausbau eines Nahwärmenetzes, das Haushalte in Oberwerrn mit beliefern will – günstig und unabhängig von den Preisschwankungen auf dem Energiemarkt.

Woher soll die Energie für das Nahwärmenetz in Oberwerrn kommen?

Die Biogasanlage in Oberwerrn soll zum Hauptlieferant für das geplante Nahwärmenetz werden, erklärt Louis Hümmer, Vorstand der Energiegenossenschaft Oberwerrn, der nicht nur Landmaschinentechniker ist, sondern auch ausgebildeter Energiewirt. Die Wärme, die in der Anlage entsteht, wird über Leitungen zu den Privathaushalten geführt, die anschließen wollen. Transportiert wird heißes Wasser. Das kommt mit einer Temperatur zwischen 73 und 83 Grad Celsius in den Wärmespeichern der Haushalte an. Das abgekühlte Wasser wird in einem Kreislauf wieder zurück zur Anlage geführt. Als Backup, also zur Sicherheit des Systems, soll eine Hackschnitzelheizung gebaut werden. Sie steht für den Notfall bereit.

Was macht Nahwärme so interessant?

Die Wärme wird dort genutzt, wo sie entsteht. Da sie ohnehin vorhanden ist und nur zu einem geringen Maß genutzt wird, fällt kein zusätzlicher Energieaufwand und CO2-Ausstoß an. Damit ist die Nahwärme in Oberwerrn CO2 neutral, sagt Daniel Ulrich, Mitglied im Vorstand. Und geht noch einen Schritt weiter: Eine zentrale Versorgung macht auch flexibler. Das heißt: Ergeben sich durch technische Weiterentwicklungen oder durch Innovationen neue oder zusätzliche erneuerbare Energiequellen, kann man bei einer zentralen Versorgung leichter die neuen Möglichkeiten ins System einbauen oder dieses erweitern. 

Warum ist eine zentrale Versorgung für manche die bessere Option?

Angesichts der neuen Vorgaben der Bundesregierung, die neue Heizungen ab 2024 nur noch dann erlauben will, wenn 65 Prozent der Heizleistung aus erneuerbaren Energien stammen, sind viele Hausbesitzerinnen und -besitzer verunsichert. Für welches System sollen sie sich entscheiden, wenn eine neue Heizung ansteht? Vor allem bei älteren, schlecht gedämmten Häusern ist die Auswahl an Technik eher begrenzt. Wärmepumpen setzen eine gute Dämmung voraus, neben den Kosten für das neue Heizsystem müssten Hausbesitzerinnen und -besitzer also einiges investieren. Ohnehin ist der Umstieg auf ein neues System teuer. So kostet der Umstieg von einer Öl- auf eine Pelletsheizung beispielsweise zwischen 20.000 und 30.000 Euro – abzüglich der Förderung.

Im Bullenstall von Andreas Hümmer beginnt die Energiegewinnung in Form von Biogas, aus dem Strom gewonnen wird. Nebenprodukt ist Wärme, die künftig über 60 Haushalte in Oberwerrn versorgen soll.
Foto: Josef Lamber | Im Bullenstall von Andreas Hümmer beginnt die Energiegewinnung in Form von Biogas, aus dem Strom gewonnen wird. Nebenprodukt ist Wärme, die künftig über 60 Haushalte in Oberwerrn versorgen soll.

Was muss ich für einen Anschluss an die Nahwärme Oberwerrn investieren?

Etwa 10.000 Euro, sagen Verantwortliche der Energiegenossenschaft. 2000 Euro sind quasi die Einlage in die Genossenschaft, der Rest deckt die Kosten für den Anschluss und einen hauseigenen Nahwärmepufferspeicher ab. Von dort aus wird das heiße Wasser durch die bestehenden Wärmeleitungen im Haus geführt. Das heißt: Ein Umbau ist nicht nötig, die Heizkörper beispielsweise bleiben, nur der Brenner der alten Heizung fliegt raus. Für die Technik, die neu dazu kommt, braucht es nur etwa zwei auf zwei Meter Platz.

Wer kann an das Nahwärmenetz in Oberwerrn anschließen?

Grundsätzlich alle, die in der Nähe der geplanten Leitung liegen. Die orientiert sich auch daran, wo die meisten Menschen anschließen wollen. Denn dann wird es wirtschaftlich, ist doch der Leitungsbau teuer. Aktuell haben 60 Bürgerinnen und Bürger zugesagt, wollen sich anschließen lassen. Teilweise auch Leute, die erst vor ein, zwei Jahren eine neue Heizung eingebaut haben. Einfach aus der Unsicherheit heraus, wie die Energiepreise in Zukunft noch steigen und was erlaubt oder nicht erlaubt sein wird. Für weitere 20 Anschlüsse wäre nach der aktuellen Konzeption aus Biogasanlage und Blockheizkraftwerk als Backup noch Luft.

Ab wann versorgt die Biogasanlage Oberwerrner Haushalte mit Wärme?

Geplant ist, im nächsten Jahr die ersten Häuser anzuschließen. Im Endausbau ist eine Trasse von bis zu 4500 Metern geplant, gebaut wird sie aber nach und nach. Aktuell beginnt die Detailplanung. Die Energiegenossenschaft muss außerdem eine Machbarkeitsstudie erstellen lassen. Sie ist nicht nur Basis dafür, dass die Genossenschaft als solche anerkannt wird, sondern auch Grundlage für eine staatliche Förderung des Oberwerrner Nahwärmenetzes. Auf die sind die Genossen angewiesen, schließlich werden die Investitionskosten auf insgesamt 2,5 Millionen Euro geschätzt.

Was kostet dann das Heizen über das Nahwärmenetz die Privathaushalte?

Interessant sind bei der Entscheidung für ein neues Heizungssystem nicht nur die Anschaffungskosten, sondern auch die Heizkosten im laufenden Betrieb. Auch da kann die Nahwärme laut Vertretern der Energiegenossenschaft punkten: Der Wärmepreis, sagen sie, sei relativ stabil. Angenommen werden zehn Cent pro Kilowattstunde. Im Vergleich: Bei Pellets sind das aktuell zwischen acht und neun Cent, Gas liegt momentan bei um die 10,5 Cent, Heizöl bewegt sich um die 13 Cent pro Kilowattstunde. Auch ein Vorteil der Nahwärme: Die Energie kommt aus der Region, das Netz ist unabhängig von Entwicklungen auf dem Weltmarkt und fossiler Energie.

Warum machen die Oberwerrner Energiegenossen das?

Was ist die Motivation hinter der Initiative? "Überzeugung", sagen die drei Vertreter der Energiegenossenschaft Oberwerrn – Louis und Daniel Ulrich und Andreas Hümmer. Der Initiativkreis der Genossenschaft, zu dem auch andere gehören, hat das Ganze vergangenes Jahr angeschoben, weil sie überzeugt sind, dass es eine gute Lösung ist. Für alle, wie sie sagen. Um Gewinne gehe es bei der Genossenschaft nicht, sondern darum, Menschen möglichst günstig mit Wärme zu versorgen. Auch deshalb wurde die Form der Genossenschaft gewählt, in der es beides geben kann: Investorinnen und Investoren sowie Wärmeabnehmerinnen und -abnehmer, wobei letztere darüber entscheiden sollen, wo es langgeht. Seit Monaten haben Vertreter der Genossenschaft "Klinken geputzt", sind von Haus zu Haus gegangen, haben Menschen beraten, informiert und viele für die Idee gewonnen.

Die Energiegenossenschaft Oberwerrn

Gegründet wurde die Genossenschaft im Januar 2023. Vorstand ist Louis Ulrich. Zur Vorstandschaft gehören Joachim Härtl, Felix Wohlfahrt, Dominik Schlotter und Daniel Ulrich. Aufsichtsratsvorsitzender ist Jan Weis. Im Aufsichtsrat sitzen Tobias Wiederer, Andreas Hümmer, Thomas Pfister und Raphael Fischer.
Begleitet wird das Projekt Nahwärmenetz von Enerpipe aus Hilpoltstein, Planungspartner der Genossenschaft. Das Unternehmen hat laut Genossenschaft schon viele Wärmenetze gebaut.
Quelle: Energiegenossenschaft Oberwerrn
 
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