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Schweinfurt
Nach schwerem Unfall auf der B286: Warum der psychiatrische Gutachter so wichtig ist
Ein Sicherungsverfahren gegen eine 52-Jährige wegen eines schweren Auto-Unfalls wird nun bereits zum zweiten Mal vor dem Landgericht Schweinfurt verhandelt.
Vor dem Landgericht Schweinfurt muss sich derzeit eine 52-Jährige verantworten wegen eines schweren Unfalls im Januar 2023.
Foto: René Ruprecht | Vor dem Landgericht Schweinfurt muss sich derzeit eine 52-Jährige verantworten wegen eines schweren Unfalls im Januar 2023.
Oliver Schikora
 |  aktualisiert: 18.10.2024 02:39 Uhr

Es war der 28. Januar 2023, kurz nach 19 Uhr, ein dunkler, kalter Winterabend. Nach einem heftigen Streit mit ihrem Mann setzt sich eine 52 Jahre alte Schweinfurterin hinters Steuer ihres Kleinwagens, an der Tankstelle kauft sie sich zuvor zwei kleine Wodkaflaschen. Sie will zu ihrer Tochter und dem Enkel, kommt dort aber nie an: Kurz vor der Kreuzung auf der B286 nach Maibach verursacht die Frau einen folgenschweren Unfall.

Sie fährt bergabwärts auf der falschen, der linken Spur, kollidiert frontal mit einem Kleinbus, der in Richtung Schweinfurt fährt. Sie und die vier Insassen in dem Bus werden teils schwer verletzt. Für die 1. Große Strafkammer am Landgericht mit der Vorsitzenden Richterin Claudia Guba stellt sich nun die Frage: War es versuchter Mord? Geschah der Unfall absichtlich, weil es der Versuch war, sich das Leben zu nehmen?

Das Verfahren ist ein Sicherungsverfahren nach Paragraf 413 der Strafprozessordnung, kein Strafverfahren. Die Staatsanwaltschaft wirft der Beschuldigten versuchten Mord in vier Fällen in Tateinheit mit Trunkenheit im Verkehr mit vorsätzlichem gefährlichem Eingriff in den Straßenverkehr vor.

Und das Verfahren ist besonders, weil es bereits zum zweiten Mal stattfindet: Die erste Verhandlung in diesem Fall gab es im November vergangenen Jahres. Doch als das Urteil verkündet werden sollte, gab es eine Überraschung. Um die Frage beantworten zu können, ob die Beschuldigte stationär in eine Entziehungsanstalt muss oder doch mit einer Bewährung davonkommt, hatte das Gericht ein psychiatrisches Gutachten in Auftrag gegeben. Und da gab es ein großes Aber: "Das Gutachten hat uns hinten und vorne nicht überzeugt", betonte die Vorsitzende Richterin Claudia Guba damals.

Also wurde der Prozess ausgesetzt und begann jetzt von vorne – mit den gleichen Zeugen, aber einem neuen Gutachter, dessen Aussage am Montag, 14. Oktober, am zweiten Prozesstag von besonderer Bedeutung ist. Bleibende Schäden gab es bei den Insassen im Kleinbus nicht, doch die Unfallverursacherin leidet bis heute an den Folgen, musste auch in diesem Jahr operiert werden und ist aktuell auf Reha.

Beschuldigte entschuldigt sich bei Geschädigten für den Unfall

Ihr Anwalt verlas eine Einlassung seiner Mandantin, in der sie sich ausdrücklich für das Geschehene entschuldigte. Sie bestritt aber den Vorwurf der Staatsanwaltschaft, sie habe sich suizidieren wollen und deshalb den Unfall verursacht. "Ich wollte mir nicht das Leben nehmen." Zur damaligen Zeit habe sie zwar private Sorgen gehabt, jedoch mittlerweile auch erkannt, dass sie ihre Alkoholsucht therapieren lassen muss. Die vergangenen Monate habe sie auch dazu genutzt, insbesondere die Gespräche mit dem sozialen Dienst seien sehr hilfreich. Wegen der notwendigen weiteren Operationen konnte sie bisher keine stationäre Suchttherapie beginnen.

Am ersten Prozesstag hatten mehrere Zeugen berichtet, wie sie die Beschuldigte, die 2,19 Promille Alkohol im Blut hatte, nach dem Unfall erlebt hätten. Die sie behandelnde Ärztin in der Notaufnahme des Leopoldina-Krankenhauses erklärte, dort habe die Beschuldigte geäußert, sie habe sich das Leben nehmen wollen. Das habe sie ernst genommen und gemäß der Regeln auch weitergegeben. Gleichwohl sei die Beschuldigte in einem "psychischen Ausnahmezustand" aufgrund des Unfalls gewesen und habe auch starke Medikamente vom Notarzt gegen die Schmerzen bekommen.

In der Regel berichtet die Main Post nicht über Selbsttötungen, außer die Umstände erlangen besondere Bedeutung in der Öffentlichkeit. Wenn Sie Gedanken quälen, sich selbst das Leben zu nehmen, dann kontaktieren Sie bitte umgehend die Telefonseelsorge. Unter der kostenlosen Rufnummer 0800-1110111 oder 0800-1110222 erhalten Sie Hilfe von Beratern, die Ihnen Auswege aus schwierigen Situationen aufzeigen können.

 
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