Es ist der 28. Januar 2023, kurz nach 19 Uhr, ein dunkler Winterabend. Nach einem Streit mit ihrem Mann setzt sich eine 52 Jahre alte Schweinfurterin hinters Steuer ihres Kleinwagens, an der Tankstelle kauft sie sich zuvor zwei kleine Wodkaflaschen. Sie will zu ihrer Tochter und dem Enkel, kommt dort aber nie an: Kurz vor der Kreuzung auf der B286 nach Maibach verursacht die Frau einen folgenschweren Unfall.
Sie fährt auf der falschen Spur, kollidiert frontal mit einem Kleinbus, der in Richtung Schweinfurt fährt. Sie und die vier Insassen in dem Bus werden teils schwer verletzt. Für die 1. Große Strafkammer am Landgericht mit der Vorsitzenden Richterin Claudia Guba stellt sich nun die Frage: War es versuchter Mord? Geschah der Unfall absichtlich?
Das Verfahren ist ein Sicherungsverfahren nach Paragraf 413 der Strafprozessordnung, kein Strafverfahren. Oberstaatsanwalt Reinhold Emmert wirft der Beschuldigten versuchten Mord in vier Fällen in Tateinheit mit Trunkenheit im Verkehr in Tateinheit mit vorsätzlichem gefährlichem Eingriff in den Straßenverkehr vor.
In der Antragsschrift heißt es, die Beschuldigte sei aufgrund ihres Alkoholkonsums zuvor und der Einnahme von Crystal Meth im Zustand der Schuldunfähigkeit in suizidaler Absicht bewusst in den Gegenverkehr gefahren. Bei einer Blutentnahme im Krankenhaus nach dem Unfall waren 2,19 Promille Alkohol festgestellt worden und, dass die Beschuldigte unter Drogeneinfluss stand.
Beschuldigte entschuldigt sich bei den Geschädigten für den Unfall
Ihr Würzburger Anwalt Norman F. Jacob verlas im Namen der Beschuldigten eine Stellungnahme. In dieser entschuldigte sie sich bei den Geschädigten, bestritt aber klar, dass sie sich das Leben habe nehmen wollen. An den Unfall selbst habe sie keine Erinnerung, habe zum damaligen Zeitpunkt aber private und gesundheitliche Sorgen gehabt und zu viel Alkohol konsumiert. Seit dem Unfall habe sie keinen Alkohol mehr zu sich genommen, betonte ihr Anwalt. Sie sei darüber hinaus in psychologischer Behandlung und plane eine stationäre Therapie. Die Beschuldigte wurde bei dem Unfall selbst schwer verletzt und musste von der Feuerwehr aus ihrem Autowrack geschnitten werden.
Die vier Insassen im Kleinbus, der auf der Linie zwischen Maibach und dem Hauptbahnhof unterwegs war, wurden unterschiedlich schwer verletzt – Prellungen an Knien, Rücken, im Gesicht oder der Schulter. Der Busfahrer, der einzige Zeuge, der den Unfall-Hergang schildern konnte, erklärte, es sei alles sehr schnell gegangen. "Plötzlich zog das Auto rüber und es hat gekracht." Er habe den Eindruck gehabt, die Fahrerin habe auf ihr Handy geschaut, im Moment des Aufpralls aber nach vorne.
Auf den im Gericht gezeigten Videoaufnahmen der im Bus eingebauten Kamera ist klar zu sehen, dass die Beschuldigte auf der falschen Spur fahrend frontal in den Bus fuhr. Der Unfallgutachter erklärte, der Aufprall sei mit rund 70 km/h erfolgt. Die Beschuldigte sei mindestens vier Sekunden lang auf der falschen Spur gewesen, habe aber kurz vor dem Unfall noch gebremst.
Im Krankenhaus sprach die Beschuldigte über Suizidgedanken
Viel Zeit mit mehreren Zeugen verwandte das Gericht darauf zu klären, ob die Beschuldigte in suizidaler Absicht gehandelt habe oder nicht. Die Polizei war zunächst von einem klassischen Unfallgeschehen ausgegangen, Aussagen der Beschuldigten im Krankenhaus veranlassten aber dazu, in eine andere Richtung zu ermitteln. Eine Ärztin, die sie behandelt hatte, bestätigte, dass in einem längeren Gespräch, bei dem die Beschuldigte nach dem Unfall aufgewühlt war, diese geäußert habe, sie habe sich das Leben nehmen wollen. Als sie erfahren habe, dass auch andere Personen verletzt worden waren, "hat ihr das sichtlich leid getan".
Durch den medizinischen Gutachter wird zu klären sein, ob die Gabe von Ephedrin wegen zu niedrigen Blutdrucks im Krankenhaus den Drogenbefund auf Crystal Meth erklären könnte. Die Beschuldigte bestritt, Drogen genommen zu haben. Der Prozess wird am 1. Dezember fortgesetzt, dann werden auch Plädoyers und das Urteil erwartet.
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