zurück
Schweinfurt
Nach Odyssee bei 300 Ärzten und Kliniken: Staatsanwaltschaft Schweinfurt ermittelt im Fall Bronnsack
Jahrelang hab man ihn nicht ernst genommen und falsch oder gar nicht behandelt, sagt Jens Bronnsack. Wie der 45-Jährige jetzt straf- und medizinrechtlich dagegen vorgeht.
Jens Bronnsack kämpft seit Jahren um seine Gesundheit – und nun auch juristisch für Gerechtigkeit. Der 45-Jährige aus dem Landkreis Schweinfurt sagt, zahlreiche Ärztinnen und Ärzte hätten ihm immer wieder falsche oder gar keine Diagnosen gestellt.
Foto: Josef Lamber | Jens Bronnsack kämpft seit Jahren um seine Gesundheit – und nun auch juristisch für Gerechtigkeit. Der 45-Jährige aus dem Landkreis Schweinfurt sagt, zahlreiche Ärztinnen und Ärzte hätten ihm immer wieder falsche ...
Lisa Marie Waschbusch
 |  aktualisiert: 15.07.2024 09:23 Uhr

Im Oktober 2023 hat Jens Bronnsack mehr als 25 Operationen hinter sich. Die letzte ist gerade ein paar Wochen her – und die nächste schon geplant. Es gehe ihm viel besser heute, sagt Bronnsack. Kein Vergleich zum Frühjahr 2022, als er dieser Redaktion zum ersten Mal von seiner Odyssee bei Ärzten, Krankenhäusern und Psychiatrien erzählt hat. Und davon, wie sie ihn immer wieder weggeschickt, seine Beschwerden nicht ernst genommen und immer wieder auf "die Psyche" geschoben hätten. 

Schon da war für Bronnsack, zweifacher Vater aus dem Landkreis Schweinfurt, klar: Er will juristisch gegen die Ärztinnen und Ärzte vorgehen, die seiner Aussage nach nicht mal versuchten, die mutmaßliche Ursache zu erkennen. Oder die mit ihren Behandlungen seine Beschwerden nur noch schlimmer machten, wie der 45-Jährige sagt. 

Angefangen hatte alles 2016, mit einem Sturz von der Leiter und einem Unfall mit einer Baggerscheibe. Nach zahlreichen Untersuchungen ohne Ergebnisse – darunter viele Magnetresonanztomografien (MRT) – und jahrelangen Beschwerden stellte ein Würzburger Arzt im Februar 2021 dann bei Jens Bronnsack eine Vergiftung mit dem Schwermetall Gadolinium fest, das in MRT-Kontrastmitteln enthalten sein kann.

Jetzt, im Herbst 2023, kommt ein anderer Jens Bronnsack zum Gespräch in die Redaktion als im Frühjahr 2022. Einer, der zwar immer noch in kürzester Zeit so viele Informationen wie möglich loswerden will, sodass es oft schwer ist, ihm zu folgen. Aus Gewohnheit, sagt er, weil er das bei den Ärzten immer habe machen müssen.

Doch der 45-Jährige erzählt nicht mehr so unstrukturiert, er hat jetzt einen Plan, und er hat sowas wie ein Team hinter sich: Anwälte, Ärzte, Freunde und Bekannte. Er hat Ordner voller Dokumente, hat Skizzen zu seinen Operationen selbst gezeichnet. "Ich habe alle meine Diagnosen selbst herausgefunden", sagt Bronnsack. Eine Aussage, die sich nur schwer überprüfen lässt. Doch wenn es darum geht, seine Beschwerden und das, was in seinem Körper passiert, zu beschreiben, dann kann Bronnsack das mittlerweile ziemlich gut.

"Weit weg von jeder Standardschule": Ein Arzt aus Hessen ist für Jens Bronnsack Vertrauensperson 

Ein Arzt aus Hessen, der den Schweinfurter zuletzt öfter operiert hat, ist eine Vertrauensperson für Bronnsack. "Diese Fälle fressen einen auf", sagt der Mediziner am Telefon zum Grund, warum er seinen Namen nicht öffentlich nennen will. Im Juli 2022 habe er das erste Mal mit Bronnsack zu tun gehabt. Die Beschwerden reichten von Kopf bis Fuß, "die subjektiv und objektiv irgendwo miteinander verkettet waren".

Sein erster Schritt sei es gewesen, das Chaos zu ordnen, sagt der Arzt. Seine Therapie und Behandlungsansätze, die letztlich zu einer Besserung von Bronnsacks Beschwerden geführt hätten, seien "weit weg von jeder Standardschule, jeder etablierten Medizin". Der Arzt sagt: "Das Krankheitsbild Bronnsack gibt es halt nicht."

Kampf um Gerechtigkeit: Jens Bronnsack erhält juristische Unterstützung

Während Bronnsack um seine Gesundheit kämpft, bekommt er bei seinem Kampf um Gerechtigkeit juristische Unterstützung. Im August 2022 kam er auf den Lohrer Anwalt Klaus Brönner zu. "Eine Zeit, in der Bronnsack gesundheitlich in einer schlechten Verfassung war", erinnert sich Brönner. "Aber mir war es wichtig, nicht das zu machen, was viele offensichtlich gemacht haben: ihn wegzuschicken. Ich habe mich mit ihm hingesetzt und das aufgearbeitet."

Brönner schickte eine Stellungnahme an die Staatsanwaltschaft Schweinfurt, diese bat den Anwalt und seinen Mandanten zu konkretisieren: Auf wen sollen sich die Ermittlungen wirklich fokussieren? "Aus Sicht von Herrn Bronnsack ist das sicherlich alles in gewisser Weise strafrechtlich relevant, aber die Juristen wissen natürlich: Ganz so einfach ist es nicht", sagt Brönner.

Staatsanwaltschaft Schweinfurt und Staatsanwaltschaft Bamberg bestätigen die Strafanzeigen

Für den Anwalt und seinen Mandanten geht es um zwei Themen: fahrlässige Körperverletzung im Rahmen einer Behandlung und unterlassene Hilfeleistung. Im Herbst 2023 bestätigen sowohl die Staatsanwaltschaft Schweinfurt als auch die Staatsanwaltschaft Bamberg, dass bei ihnen eine Strafanzeige eingegangen ist. Beide Anzeigen liegen dieser Redaktion vor.

Kurze Zeit später für Jens Bronnsack der Rückschlag: Die Staatsanwaltschaft Bamberg bestätigt dieser Redaktion, dass sie das Verfahren gegen einen Psychiater aus dem Landkreis Haßberge wieder eingestellt habe. Der Grund: Das öffentliche Interesse zu einer Strafverfolgung fehle.

Dem Psychiater hatte Bronnsack vorgeworfen, von ihm im Behandlungszeitraum 2018 bis 2021 zahlreiche Psychopharmaka und andere Medikamente aufgrund angeblicher psychischer Erkrankungen erhalten zu haben. "Durch die Psychopharmaka war ich immer mehr verwirrt", sagt der 45-Jährige heute. Sein Gesundheitszustand habe sich durch die Medikamente erheblich verschlechtert, wirft er dem Psychiater vor.

Für Anwalt Klaus Brönner ist die Einstellung ein "unbefriedigendes Ergebnis". Sein Mandant solle die Angelegenheit besser zivilrechtlich angehen, habe es geheißen. Dort seien die Hürden niedriger als im Strafrecht.

Bronnsack erstattete Anzeige gegen ein Krankenhaus

Unterdessen ermittelt die Kriminalpolizei Schweinfurt im Fall der zweiten Strafanzeige. Diese richtet sich gegen ein Krankenhaus im Raum Schweinfurt. Die Klinik soll Bronnsack im Januar 2021 trotz erheblicher Schmerzen mehrmals nach Hause geschickt haben. Ihm sei es damals sehr schlecht gegangen, schildert der 45-Jährige. Zu den Symptomen wie Nasenbluten, Schwindel, Muskelzucken, Gewichtsverlust, die ihn schon länger geplagt hätten, seien in dieser Nacht "erhebliche Bauchkrämpfe hinzugekommen".

In der Notaufnahme habe er mitgeteilt, dass er seit zwei Wochen wegen einer Magenspiegelung abführe. Dennoch hätten die Ärzte in der Klinik ihm weitere Abführmittel verabreicht, wodurch seine Schmerzen schlimmer geworden seien. Doch statt ihm zu helfen, sagt der 45-Jährige, habe man ihn nach Hause geschickt, mehrmals. Bronnsack betont, er habe immer Einweisungen von seinem Hausarzt gehabt.

Aus Sicht seines Rechtsanwalts handelt es sich bei der Behandlung um einen Verstoß gegen die Regeln der ärztlichen Kunst. Ein weiteres Abführen hätte nicht erfolgen dürfen, sagt Brönner. "Zudem hätte man aufgrund des schlechten gesundheitlichen Zustands des Herrn Bronnsack auf Basis von Laborwerten weitergehende Untersuchungen vornehmen müssen." Es liege eine fahrlässige Körperverletzung vor. Dass man Bronnsack mehrmals "in einem lebensbedrohlichen Zustand" nicht weiter behandelt habe, stellt aus Sicht des Anwaltes zudem eine unterlassene Hilfeleistung dar.

Das sagt das Krankenhaus zu den Vorwürfen

"Wir möchten zunächst betonen, dass die Krankengeschichte von Herrn Jens Bronnsack uns sehr bewegt", antwortet das Krankenhaus auf die Nachfrage dieser Redaktion. Man könne sich aufgrund der laufenden Ermittlungen nur sehr begrenzt äußern. Dennoch: Ende September sei der Kriminalpolizei Schweinfurt, die aktuell in dem Fall ermittelt, und der Staatsanwaltschaft die Behandlungsakte des Patienten übergeben worden. "Wir gehen davon aus, dass von der Staatsanwaltschaft Schweinfurt ein unabhängiger Gutachter mit der Beurteilung der Behandlung von Jens Bronnsack beauftragt wird."

Zu den Vorwürfen selbst, schreibt das Krankenhaus: "Wir können nach Sichten der Behandlungsunterlagen keine Anzeichen erkennen, die den Vorwurf der fahrlässigen Körperverletzung oder unterlassener Hilfeleistung rechtfertigen." Den Ermittlungsbehörden gegenüber sei man "vollumfänglich transparent und kooperativ".

Warum wurde Bronnsack nicht stationär aufgenommen? "An beiden Tagen wurden keine Diagnosen gestellt, die eine stationäre Aufnahme gerechtfertigt hätten", teilt das Krankenhaus dazu mit. Bronnsack sei zur weiteren Behandlung an seinen Hausarzt oder einen anderen niedergelassenen Arzt verwiesen worden.

Bronnsacks Anwältin muss bis 2024 Ansprüche geltend machen

Jens Bronnsack will jetzt auch zivilrechtlich gegen die Ärzte vorgehen. Dabei vertreten wird er von der Erfurter Anwältin Maria Theresia Marhold. Um Schadensersatzansprüche geltend machen zu können, müssen, vereinfacht gesagt, einige Voraussetzungen erfüllt sein: Gab es eine unterlassene Befunderhebung? Liegt ein Diagnoseirrtum vor, der aufgrund des Befunderhebungsfehlers gestellt wurde? War die Behandlung infolge eines oder mehrerer Behandlungsfehler sogar schädlich? Und vor allem: Gibt es eine Kausalkette oder mehrere?

Die Vorgehensweise in dem sogenannten Arzthaftungsverfahren erklärt Anwältin Marhold wie folgt: Zuerst schreibe sie die Betroffenen außergerichtlich an. Ihr Schreiben wird dann an die Haftpflichtversicherung des Betroffenen weitergeleitet, die sich dann widerum bei ihr meldet. "Wenn die Haftung dem Grunde nach nicht anerkannt wird oder es keinen Vergleich gibt, dann muss man überlegen, ob man innerhalb der Verjährungsfrist klagt", sagt Marhold. "Bis Ende 2024 müssen wir gegenüber allen, bei denen wir Ansprüche herleiten wollen, das geltend machen."

Arzt: Jemand wie Jens Bronnsack fällt durchs Raster

Bis zu einem Ergebnis wird noch einige Zeit vergehen. Jens Bronnsack hat Glück. Die Barmer, seine Krankenkasse, ermöglicht ihm die Operationen und Behandlungen, die seine jetzigen Ärzte für sinnvoll halten. Keine Selbstverständlichkeit, sagt der Mediziner aus Hessen: "Es gibt keine Abrechnungsziffer, die das abbildet. Das ist unendlich teuer und zeitaufwändig." Im auf Effizienz gedrillten Gesundheitssystem sei so etwas eigentlich nicht kostendeckend abbildbar: "Dann fällt so jemand durchs Raster." 

Es sei das Verdienst von Bronnsack, dass er "mit seiner Bull-Terrier-Mentalität" so weit gekommen sei, sagt der Arzt. "Der beißt sich fest und lässt erst dann los, wenn er hat, was er will." Das sei zwar "extrem nervig", aber es habe dazu geführt, dass der 45-Jährige Leute gefunden habe, mit denen er weiter gekommen sei. "Ich möchte gar nicht wissen, wie viele Leute ähnliche Probleme haben, aber nicht diese Energie." 

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Schweinfurt
Lisa Marie Waschbusch
Arztpraxen
Barmer Ersatzkasse
Hausärzte
Instagram-Inhalte
Körperverletzung und Straftaten gegen die körperliche Unversehrtheit
Psychopharmaka
Staatsanwaltschaft Bamberg
Staatsanwaltschaft Schweinfurt
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top
  • Christof Bretscher
    Der Artikel bringt weder Hilfe noch Klärung, sondern wird die Probleme für Herrn Bronnsack vergrößern. Jetzt fühlen sich alle möglichen Leute autorisiert, öffentlich und ahnungslos mitzusprechen. Und Herr Bronnsack wird die für ihn neue Belastung durch die Kategorie Justiz auszuhalten habe. Ich wünsche ihm Ruhe, Geduld, Distanz und alles Gute - für ihn selbst und seine Familie.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Fred Reinshagen
    "Einer, der zwar immer noch in kürzester Zeit so viele Informationen wie möglich loswerden will, sodass es oft schwer ist, ihm zu folgen. Aus Gewohnheit, sagt er, weil er das bei den Ärzten immer habe machen müssen."

    Die meisten Ärzte hören den Patienten gar nicht richtig zu, nehmen sich viel zu wenig Zeit für das diagnostische Gespräch, Tippen alles sofort in den PC für die Kartei, ohne den Patienten anzusehen, ohne intelligente Rückfragen zu stellen, z. B. nach Ausschlusskriterien, um von vorneherein eine Fehldiagnose auszuschließen - Das sind alles für mich als Laien selbstverständliche Dinge!

    Das wirft kein gutes Licht auf die medizinische Ausbildung & Professoren in D - wie z.B. an der WÜer Uni. Wozu gibt der Steuerzahler Mrd. für Universitäten aus, wenn diese einen Mindestanspruch nicht erfüllen: dass vom diagnostischen Gespräch, trotz modernster Technik, alles abhängen kann. Die ersten Minuten beim Arzt entscheiden über Wohl & Wehe oder sogar Tod & Leben des Patienten.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Albin Heusinger
    Jens, ich wünsch dir alles gute!!! dein Exarbeitskollege.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Martin Deeg
    Zunächst einmal herzlichen Glückwunsch, dass es gelungen ist, die Mainpost davon zu überzeugen, dass man tatsächlich ein Opfer ist und kein Simulant oder Querulant.

    Nicht ganz klar geworden ist wo die - offenbar für die weiteren Folgen maßgebliche - Schwermetall-Vergiftung mit einem Kontrastmittel entstanden ist. Lässt sich das nicht nachvollziehen anhand der Behandlungen des Sturzes und des Unfalles, die - ist das richtig? - - unabhängig voneinander stattfanden?

    Natürlich besteht hier ein öffentliches Interesse! Die Staatsanwaltschaft Bamberg soll ihre Arbeit machen. Wenn es um "Beleidigung" von Justizjuristen geht, werden auch alle Register gezogen.

    Und dass die "Hürden" für zivilrechtliche Klagen "niedriger als im Strafrecht" seien, was Fehler von Psychiatern oder Ärzten angeht, wäre mir jedenfalls neu.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Klaus - Peter Eschenbach
    Ein Hoch auf unser Gesundheitssystem und die Arroganz unsrer Ärzte. Halbgötter in weiß die ihre Patienten als Simulanten abtun wenn sie nicht mehr weiter wissen. Erst wenn der Kopf unter dem Arm getragen wird erkennt man die Notwendigkeit einer Behandlung. Und das ist erst der Beginn eines desaströsen Systems.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten