
Als Bilder der toten Cornelia Hümpfer im Gerichtssaal gezeigt werden, geht ein Raunen durch den Zuschauerraum. Darauf zu sehen ist, wie die damals 18-Jährige auf einem Acker knapp fünf Meter neben der Straße zwischen Kolitzheim und Unterspiesheim (Lkr. Schweinfurt) liegt. Die Strickjacke, die sie getragen hatte, ist zerfetzt, mehrere Einstiche in den Rücken sind zu sehen. Auch der Angeklagte schaut immer wieder regungslos auf den Bildschirm.
Es ist der US-Amerikaner Tommy M., der fast 47 Jahre nach der Tat im Landgericht Schweinfurt auf der Anklagebank sitzt. Als er am Montagmorgen in den Sitzungssaal 6 geführt wird, versteckt er sich nicht vor den zahlreichen Kameras, auch den Blick ins Publikum scheut er nicht. Als ihm die Handschellen gelöst werden, bedankt sich der 70-Jährige.
Die Staatsanwaltschaft wirft M. Mord aus niederen Beweggründen und Heimtücke vor. Aus ihrer Sicht hat sich die Tat so abgespielt: Am 20. April 1978 gegen 20 Uhr sollen sich Hümpfer und M., der als US-Soldat in Schweinfurt stationiert war und dort mit Frau und Sohn gelebt haben soll, in der Nähe von Dittelbrunn (Lkr. Schweinfurt) getroffen haben. Dabei sei es zwischen ihnen in M.s Auto zunächst zu einvernehmlichem Geschlechtsverkehr gekommen, ehe die damals 18-Jährige M. erklärt habe, dass sie schwanger sei und dies seiner Frau erzählen wolle.
Der Angeklagte soll vierzehnmal auf sie eingestochen haben
Als Hümpfer zwischen 21.30 Uhr und 23 Uhr das Fahrzeug habe verlassen wollen, habe der Angeklagte mit einem mitgeführten Bajonettmesser vierzehnmal auf sie eingestochen, heißt es in der Anklageschrift. Dabei habe er "absichtsgemäß" mehrfach das Herz der damals 18-Jährigen getroffen, woraufhin sie verblutet sei.
Laut Staatsanwaltschaft hatte M. die Absicht, "sie umzubringen und dadurch zu verhindern, dass die Geschädigte ihre Ankündigung in die Tat umsetzt". Weil sie mit einem solchen Angriff nicht habe rechnen können, habe sie "keine Möglichkeit gehabt, den Angriff erfolgreich abzuwehren oder rechtzeitig zu flüchten".
Während Oberstaatsanwalt Markus Küstner die Anklageschrift vorträgt, liest M. mit, der Dolmetscher übersetzt ins Englische. Immer wieder schüttelt M. den Kopf – und schweigt. Der Pflichtverteidiger des 70-Jährigen, Johannes Makepeace, erklärt: Der Angeklagte werde zum jetzigen Zeitpunkt keine Angaben machen.
Passanten fanden am frühen Morgen des 21. April 1978 die Leiche der jungen Frau aus Dittelbrunn auf dem Acker. Zwei davon sagten am Montag vor Gericht aus. Wie üblich seien sie an jenem Tag gegen fünf Uhr morgens als Fahrgemeinschaft auf dem Weg zur Frühschicht nach Schweinfurt gewesen. Da hätten sie die junge Frau im Feld gefunden, berichten sie. An alles darüber hinaus scheinen die Erinnerungen jedoch bei vielen Zeuginnen und Zeugen, die an diesem Tag vor Gericht auftreten, mittlerweile verblasst zu sein.
Zeugin berichtete 1978 von grünem Kennzeichen
Eine heute 73-jährige Frau, die der Polizei damals von einem Fahrzeug mit grünem Kennzeichen für US-Soldaten berichtet hatte, das sie an jenem Abend nahe der späteren Fundstelle gesehen haben will, will sich daran heute nicht mehr erinnern. Auch, dass sie damals der Polizei gesagt haben soll, sie habe Umrisse zweier Personen in dem Auto erkannt, wisse sie nicht mehr.
Zeuginnen und Zeugen beschreiben Cornelia Hümpfer als zuverlässig, lebenslustig, aktiv, offen. Sie sei in der ganzen Klasse beliebt gewesen, sagt eine ehemalige Klassenkameradin, mit der die damals 18-Jährige eine Ausbildung zur Erzieherin absolvierte. "Eine ganz super Frau war das." Privat habe sie nichts mit ihr zu tun gehabt, nur in der Schule. Dass Hümpfer engeren Kontakt zu US-amerikanischen Soldaten gehabt haben könnte, kann niemand berichten.
Ihr damaliger Partner hatte keine Anhaltspunkte für eine Affäre
Mit ihrem damaligen Partner, der sie noch am Tag vor ihrem Tod gesehen haben will, soll sie für den 20. April verabredet gewesen sein. Als sie am Abend nicht auftauchte, sei er mehrere Strecken nach Dittelbrunn abgefahren. "Das war untypisch für sie, ich war irritiert", sagt der Zeuge vor Gericht. Am Folgetag, er habe noch im Bett gelegen, hätten Polizeibeamte ihn über den Tod seiner Freundin informiert. Anhaltspunkte für eine Affäre habe er nicht gehabt.
Warum Tommy M. keine Angaben gemacht hat, erklären seine Anwälte im Nachgang des ersten Prozesstages: "Es ist prozessual schwierig, eine Teilerklärung abzugeben. Wenn jemand nichts zur Sache sagt, dann sagt er gleichzeitig zumindest 'Das stimmt wohl nicht'", sagt Verteidiger Wolfgang Staudinger. Man könne nach über 40 Jahren keine vollständige Erklärung abgeben, was ihr Mandant an welchem Tag gemacht habe. Und sogenanntes Teilschweigen würde negativ gewertet. In Amerika habe M. aber gesagt: "Not guilty" (deutsch: nicht schuldig)
Der Prozess wird am Dienstag, 28. Januar, fortgesetzt.