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UNTERSPIESHEIM
Ungelöste Kriminalfälle: Die Tote auf dem Feldweg
Hinterrücks erstochen: Die 18-jährige Cornelia Hümpfer aus Dittelbrunn fällt 1978 einem grausamen Verbrechen bei Unterspiesheim zum Opfer. Die Spur zum mutmaßlichen Täter verliert sich irgendwann in den USA.
37 Jahre danach: Georg Krauß, der das tote Mädchen 1978 mit fand, am damaligen Feld- und heutigen Radweg von Kolitzheim nach Unterspiesheim.
Foto: Norbert Vollmann | 37 Jahre danach: Georg Krauß, der das tote Mädchen 1978 mit fand, am damaligen Feld- und heutigen Radweg von Kolitzheim nach Unterspiesheim.
Norbert Vollmann
Norbert Vollmann
 |  aktualisiert: 16.12.2021 11:18 Uhr

Hinterrücks erstochen: Die 18-jährige Cornelia Hümpfer aus Dittelbrunn fällt 1978 einem grausamen Verbrechen bei Unterspiesheim zum Opfer. Die Spur zum mutmaßlichen Täter verliert sich irgendwann in den USA.

Es ist Freitag, der 21. April 1978, als Georg Krauß kurz nach 5 Uhr mit seinem Ford Taunus von Kolitzheim (Lkr. Schweinfurt) in Richtung Unterspiesheim auf dem Weg zur Arbeit nach Schweinfurt ist. Dort, wo sich das Gelände etwa auf halber Strecke etwas anhebt, sieht er von Weitem im Morgengrauen etwas auf der kleinen Anhöhe liegen. Der Zeilitzheimer: „Ich dachte zunächst, da liegt ein leerer Kunstdüngersack auf dem Feld.“

Gerhard Stark aus Kolitzheim ist zur gleichen Zeit mit seinem Auto auf der Strecke unterwegs. Er glaubt, dass „hier ein Bauer seine Jacke liegen gelassen hat“. Doch je mehr sich beide der Stelle nähern, desto mehr wird zur Gewissheit, dass auf dem Feldweg neben der Straße „jemand liegt“. Es ist die hinterrücks erstochene 18-jährige Cornelia Hümpfer aus Dittelbrunn. Die Studentin fällt in jener Nacht von Donnerstag auf Freitag einem grausamen Verbrechen zum Opfer.

  • Weitere ungelöste Kriminalfälle im Special unter www.mainpost.de/kriminalfaelle

Etwa zeitgleich war Georg Krauß, Gerhard Stark und dem inzwischen verstorbenen Hans Haupt an jenem Morgen das auffällige Bündel am Straßenrand auf der Fahrt zur Arbeit aufgefallen, das sich bei näherer Betrachtung als die brutal ermordete junge Frau erweist.

Krauß und Stark fragen sich bis heute, warum niemand zuvor davon Notiz genommen hat. Schließlich waren sie selbst schon etwas später dran. Vor ihnen müssen also etliche andere Autofahrer und auch der sogenannte Arbeiterbus die Fundstelle auf der Fahrt zur Schicht nach Schweinfurt passiert haben.

Immer noch beschleicht Georg Krauß (damals 22) und Gerhard Stark (damals 39) ein mulmiges und flaues Gefühl im Magen, wenn sie an jenen Tag im April zurückdenken oder zufällig an der besagten Stelle vorbeikommen, wie sie bekennen.

Und schlagartig ist das Bild von damals da, wenn sie nach den vielen Jahren wieder mit der lange verdrängten Situation konfrontiert werden. Als wäre es gestern gewesen, zählen sie unabhängig voneinander spontan auf, was die Tote auf dem Feldweg anhatte: roter Rock, grüne Wollstrickjacke, weiße Bluse und weiße Strumpfhose. „Um Himmels willen, da muss etwas Furchtbares passiert sein“, denkt sich Gerhard Stark, nachdem er um das Mädchen am Boden herumgelaufen ist. Rasch ist klar, dass die junge Frau tot ist. Nach kurzer Beratung fährt Hans Haupt zu jener Zeit, als es noch keine Mobilfunkgeräte gab, nach Unterspiesheim, um die Polizei zu rufen. Gerhard Stark erklärt sich bereit, am Fundort der Leiche zu bleiben und zu warten, bis die Polizei eintrifft. Da er nicht mehr benötigt wird, setzt Georg Krauß seine Fahrt nach Schweinfurt fort.

Die Polizei geht später davon aus, dass der nur wenige Meter neben der Staatsstraße 2271 zwischen Unterspiesheim und Kolitzheim gelegene sandige Feldweg auch der Tatort ist, an dem die junge Frau ermordet wird. Sie liegt völlig bekleidet mit dem Gesicht nach unten in ihrem Blut. Der Rücken weist unzählige Messerstiche auf.

Cornelia Hümpfer hatte am Donnerstag, 20. April 1978, gegen 19.30 Uhr die elterliche Wohnung im Tannigweg in Dittelbrunn verlassen, um sich nach Schweinfurt zu begeben. Sie gehörte als Sängerin der Kirchen-Musikgruppe „Band of Jericho“ der evangelischen Dreieinigkeitsgemeinde an. Mit den Musikern sollte an diesem Abend die Gestaltung eines Gottesdienstes besprochen werden. Doch Cornelia Hümpfer kommt nie in dem Gemeindezentrum an, das im sogenannten Musikerviertel liegt. Die Ermittler gehen davon aus, dass sie bereits auf dem Weg zur Dreieinigkeitskirche ihrem Mörder begegnet sein muss.

Vermutlich benutzte die 18-Jährige, die gerne zu Fuß von Dittelbrunn nach Schweinfurt lief, auch diesmal nicht den Stadtbus und war dabei ihrem späteren Mörder begegnet. Dabei kann sie sowohl den Weg über die Dittelbrunner Straße genommen haben als auch auf Feldwegen über die Eselshöhe oder über die sogenannte Heeresstraße gelaufen sein. Nur so viel lässt sich bei der gerichtsmedizinischen Untersuchung ihrer Leiche feststellen: Die Studentin an der Fachakademie für Sozialpädagogik in Schweinfurt muss nach dem Verlassen des Elternhauses in Dittelbrunn irgendwo und irgendwann noch ein Fleischgericht zu sich genommen haben.

Die Obduktion der Leiche ergibt, dass die Studentin keinem Sexualverbrechen zum Opfer gefallen ist. Auch finden sich keine Anhaltspunkte für einen Raubmord. Die dunkelbraune Handtasche mit dem Reißverschluss liegt am Tatort neben ihr, ohne dass etwas fehlt. Die Tat wurde mit einem längeren, zweischneidigen Stichwerkzeug von zwei Zentimeter Breite ausgeführt.

Die Ermordete war 1,62 Meter groß, schlank, und hatte dunkelblonde, gewellte Haare. Auffallend war ihre bereits erwähnte Bekleidung: dunkelgrüne Wollstrickjacke, weißes T-Shirt, bis über die Knie reichender, rostroter Rock mit gleichfarbigem Volant, weiße Kniestrümpfe und damals moderne bunt gemusterte Clogs mit hohen Korksohlen.

Den Ermittlungen der Kripo Schweinfurt zufolge muss die Studentin aufgrund der vorgefundenen Reifenspuren mit einem Personenwagen zum Tatort gebracht worden sein. Der Täter fährt nach dem Mord vermutlich auf der Staatsstraße auf direktem Weg zurück zur viel befahrenen Bundesstraße 286, der sogenannten Schnellstraße als Autozubringer von Schweinfurt zur A 3 bei Rüdenhausen.

In der Tat meldet sich eine Zeugin, die an jenem Donnerstagabend gegen 21.30 Uhr, also zwei Stunden nach dem Weggang von Cornelia Hümpfer von zu Hause, am Tatort einen Pkw von der Größe eines Mittelklassewagens mit dem damals grünen Kennzeichen für US-Soldaten gesehen hat. Sie ist sich sicher, dass zu diesem Zeitpunkt zwei Personen in dem Wagen saßen. Das ist in etwa die Zeit, als nach den Feststellungen der Gerichtsmediziner kurz darauf der Tod der 18-Jährigen eingetreten sein könnte.

Die Ermittlungen der Kripo Schweinfurt konzentrierten sich deshalb im Folgenden auf einen Kleinwagen der unteren Mittelklasse mit grünem US-Kennzeichen. In der Sonderkommission sind ständig zehn bis 20 Beamte im Einsatz. Die Fahndungsarbeit läuft auf Hochtouren.

Trotz gegenteiliger Annahme in der Bevölkerung konnte der Täter bis heute nicht überführt werden. Das damalige Problem: Die heiße Spur führt in die US-Kaserne in Schweinfurt. Deshalb sind der gebildeten Sonderkommission zunächst die Hände gebunden. Da US-Soldaten einem besonderen Militärgesetz unterliegen, ist die Kripo in Schweinfurt auf die Mithilfe der US-Militärs und hier wiederum auf die der Militärpolizei und der zuständigen Criminal Investigation Division (CID) der amerikanischen Militärstrafverfolgungsbehörde angewiesen.

Jedenfalls geht zum Bedauern der deutschen Polizei wertvolle Zeit verloren, bis sich die Kasernentore richtig öffnen. Gerade in einem Mordfall sind aber die ersten Stunden und Tage nach der Tat in der Regel entscheidend und Verzögerungen bei der Täter- und Spurensuche oft „tödlich“.

Über ein internationales Rechtshilfeersuchen finden später noch Vernehmungen und Ermittlungen in den USA statt. In Zeiten, in denen noch kein DNA-Abgleich möglich war, gelingt es jedoch nicht mehr im Nachhinein den Tatverdacht, der sich gegen eine bestimmte Person richtet, zu erhärten. So kommt es bis heute zu keiner Anklage.

Wer kann zur Aufklärung beitragen? Die Polizei setzt auf Zeugen, die mit einem Tipp helfen können, den Fall zu klären. Hinweise an die Kripo Schweinfurt: Tel. (0 97 21) 2 02 17 31.

Cornelia Hümpfer: Die 18-Jährige aus Dittelbrunn wurde am Abend des 20. April 1978 erstochen. Der Täter konnte bis heute nicht überführt werden. Das Bild zeigt die junge Frau auf dem damals von der Polizei veröffentlichten Bild.
Foto: Main-Post-Archiv | Cornelia Hümpfer: Die 18-Jährige aus Dittelbrunn wurde am Abend des 20. April 1978 erstochen. Der Täter konnte bis heute nicht überführt werden.
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