Auf Wohnungsinserate aus 110 deutschen Mittelstädten (50 000 bis 10 000 Einwohner) hat der Online-Marktplatz Immowelt (Wohnungen und Häuser) geschaut und bei Wohnungen mit 40 bis 120 Quadratmetern Mietsteigerungen von bis zu 43 Prozent (Aalen) im Vergleich von 2015 mit heute notiert. Ermittelt ist für jede zweite Mittelstadt ein Quadratmeterpreis von über acht Euro bei Neuvermietungen. Auch für Schweinfurt ist ein sattes Plus verzeichnet – eine Erhöhung um 27 Prozent (Bamberg 23, Aschaffenburg 32 Prozent), also von durchschnittlich sechs auf 7,60 Euro. Die Redaktion hat bei den Akteuren auf dem Schweinfurter Wohnungsmarkt nachgefragt.
Die Mär von der Mietenexplosion
Für Klaus Krug (Vorstandsmitglied Bauverein Schweinfurt e.G.) sind die Angaben von Immowelt nicht sonderlich aussagekräftig, da diese nur die Preisvorstellungen inserierender Vermieter und keinesfalls die dann auch bezahlten Mieten widerspiegeln und diese Erhebungen nur auf die Angebote in den Internetportalen zurückgreifen würden. Der ganz überwiegende Teil der Wohnungen werde jedoch nicht über die Portale vermarktet, so Krug und: "Diese Zahlen haben aus meiner Sicht überhaupt keinen Aussagewert, sind aber wunderbar dazu geeignet, die Mär von einer Mietenexplosion auch in unseren Regionen zu unterstützen."
In der Genossenschaft mit 1800 Wohnungen lag die durchschnittliche Netto-Kaltmiete im vergangenen Jahr bei 5,48 Euro (Preisangaben = Kaltmiete je Monat und Quadratmeter). Der Vergleich mit 2015 zeigt eine Steigerung um 10,7 Prozent, also um jährlich etwa zwei Prozent. Im gleichen Zeitraum kletterten nach Angaben des Statistischen Bundesamtes die Verbraucherpreise um 5,5, jene für Nahrungsmittel um 9,3 und die Baupreise um 15,6 Prozent. Krug führt dazu an, dass die veranschlagten Baukosten für Gebäude mit mehr als drei Wohnungen von 2015 bis Ende 2019 gar um satte 45 Prozent nach oben geschnellt seien.
Bauen immer teurer
Für die gestiegenen Baupreise macht Krug nicht nur die Lohn- und Materialkosten, "sondern vor allem die immer weiter ausufernden Anforderungen an den Brandschutz, den Schallschutz oder etwa an die Barrierefreiheit" verantwortlich. Deshalb seien die Mieten in neuen Häusern höher anzusetzen. Da der Bauverein in den letzten Jahren einiges neu erstellt habe, erklärte dies auch einen Anstieg über dem Bundesdurchschnitt.
Bernhard Ackermann vom Schweinfurter Mieterverein hält die Aussage über eine Erhöhung von 27 Prozent ebenfalls für "weit überzogen" und verweist auf den örtlichen Mietenspiegel, der zwischen 2015 und 2017 ein Plus von drei Prozent und in den Folgejahren eine Zunahme in etwa gleicher Höhe nennt. Allerdings seien in den vergangenen Jahren bei Neuvermietungen häufig höhere Mieten verlangt und auch bezahlt worden, weil es der Markt hergegeben habe.
Moderate Mietsteigerungen
Der Mietenspiegel ist zwar keine Preisfeststellung, aber eine Richtlinie für die frei finanzierten Wohnungen. Er wird unter der Regie des städtischen Bauverwaltungsamts und in Zusammenarbeit mit dem Mieterverein sowie dem Haus- und Grundbesitzerverein alle zwei Jahre aktualisiert. Die noch taufrische Ausgabe aus dem Februar belegt für die vergangenen 24 Monate ein Plus von 2,5 Prozent. Amtsleiter Werner Duske: "In Schweinfurt sind die Mieten nur sehr moderat gestiegen oder sogar stabil geblieben."
Anhand des Mietenspiegels ergibt sich für eine 60 Quadratmeter große und gut ausgestattete Wohnung aus dem Baujahr 1995 für 2015 ein durchschnittlicher Mietpreis von 6,89 Euro, der in den folgenden fünf Jahren auf 7,46 Euro (oder um 8,3 Prozent) geklettert ist. Für eine Neubauwohnung gleicher Größe und Ausstattung ergibt sich dagegen ein weit kräftigeres Plus von 22 Prozent (7,39 auf 9,02 Euro). Das Bauverwaltungsamt stuft mit Blick auf die Mehrheit der Wohnungen, die ja nicht in Neubauten zu finden sind, die Lage als entspannt ein, was auch daran liege, dass Schweinfurt keine wachsende Stadt, sondern eine mit recht konstanter Einwohnerzahl (zwischen 53 000 und 54 000 Bürgern) sei. Auch habe sich der Abzug der Amerikaner beruhigend auf den Wohnungsmarkt ausgewirkt.
Schweinfurts Sozialreferent Jürgen Montag unterscheidet zwischen den im Vergleich zu den großen Ballungszentren "brutal günstigen" Mieten für die meisten Schweinfurter und zwei Sondersituationen: Nach wie vor fehle es an bezahlbaren Wohnungen für große Familien "aller sozialen Schichten" und auch und insbesondere an ganz einfachen Wohnungen für die auf soziale Hilfen angewiesenen Schweinfurter. Dass immer mehr Wohnungen, wie es sie beispielsweise noch Am Herroth im Stadtteil Bergl geben würde, verschwinden und durch zeitgemäßes Bauen ersetzt würden, habe also auch eine Schattenseite.
Ganz günstig wird ganz selten
Welch schlechte Karten jene haben, die im Schatten stehen, weiß Christiane Steinmüller von der Caritas-Sozialberatung. "Wöchentlich sind es mehrere Fälle. Seit zwei Jahren werden es immer mehr", sagt die Sozialpädagogin. Schwerer werde es auch, Passendes für Senioren und Behinderte zu finden; für nach Trennung Alleinstehende, für Einzelpersonen, denen nach dem Tod des Partners die Wohnung zu groß und/oder zu teuer sei, für Migranten und für große Familien. Zugige Altbauten, die kaum noch zu heizen seien, würde es zwar geben, seien aber keine Lösung.
Roland Metzger, Geschäftsführer der Mentor Immobilien GmbH, hat über einen Zeitraum von zehn Jahren nachgeschaut und durchgerechnet: "Die allermeisten Mieter haben in der Laufzeit ihres Mietvertrags gar keine oder nur wenige Mieterhöhungen erfahren. Ferner finden vor Neuvermietungen oft Modernisierungen und damit Wertverbesserungen statt", denn ein vernünftiger Mieter lasse sich nur noch finden, wenn auch die Qualität passe. Als Beispiele nennt Metzger eine sanierte Wohnung mit Lift und Balkon, die 2010 für 375 Euro Kaltmiete vergeben wurde und für die 2020 bei einer Neuvermietung 420 Euro fällig wurden. Ebenfalls eine Mietsteigerung von zwölf Prozent in zehn Jahren ist bei einer Erstvermietung aus dem Jahr 2010 (ebenfalls Lift und Balkon) notiert. Damals lag die Kaltmiete bei 8.50 Euro. Jetzt sind es zehn Euro.
Auch hat Metzger beobachtet, dass in jüngster Zeit in Inseraten überhöhte Forderungen gestellt worden seien, die nicht realistisch waren. Triebfeder sei hierbei sicherlich der Blick auf den Wohnungsmarkt der Ballungsräume gewesen.
Rathaus reguliert über die SWG
Bernd Blatt vom Haus- und Grundbesitzerverein Schweinfurt stuft den Mietenspiegel als solide Richtlinie ein und bringt als Beispiel für die Entwicklung des Mietzinses eine gut 80 Quadratmeter große Wohnung, für die 2015 pro Quadratmeter 7,40 Euro zu zahlen waren und die heute acht Euro kostet – die sich also in den fünf Jahren um zehn Prozent verteuert hat. Dass man in Schweinfurt günstig wohne, führt Blatt auch auf die Mietpreise der großen und damit den Preis mitbestimmenden Stadt- und Wohnbau GmbH (SWG) zurück. Die städtische Gesellschaft ist verpflichtet, sich stets am unteren Rand des Mietspiegels zu orientieren. Der Vertreter von Haus und Grund rechnet aber auch vor, dass das Wohnen in Neubauten teurer sein müsse, was etwa das Wohnungsbauprojekt in der Luitpoldstraße zeige. Dort kostete die 100 Quadratmeter große Eigentumswohnung rund 450 000 Euro, weshalb bei einer Vermietung zehn Euro pro Quadratmeter realistisch und keinesfalls zu viel seien.
Die SWG (5000 Wohnungen im eigenen Bestand) koppelt laut Prokurist Michael Radler die Mieterhöhungen mit der Herausgabe der Fortschreibung des Mietenspiegels. Erhöht wird um fünf Prozent, wobei ein Betrag von 30 Euro nicht überschritten wird. Außerdem wird die Erhöhung bei der Unterkante des Mietspiegelwerts gekappt. Das bedeutet, dass keine Anpassung höher als fünf Prozent oder 30 Euro ausfällt und dass die Unterkante des Mietspiegels die Höchstgrenze für die verlangte Miete setzt. Die durchschnittliche Miete bei der SWG lag 2015 bis 4,70 Euro, 2016 bei 4,76 Euro, 2017: 4,87 Euro, 2018: 4,94 Euro, 2019: 5,05 Euro und 2020 bei 5,20 Euro pro Monat und Quadratmeter. Daraus ergibt sich eine Erhöhung von rund zehn Prozent in fünf Jahren.
Aus zwei Statistiken
Eine landesweite Erhebung aus dem Jahr 2018 belegt eine durchschnittliche Mietbelastung in Bayern bei 20 Prozent der Mieterkaufkraft. Schweinfurt schnitt im Vergleich und aus Sicht der Mieter mit 17 Prozent erfreulich ab. Für die Mieter bei der SWG weist die Statistik gar nur eine Mietbelastung von 13 Prozent aus. Ein Jahr später (2019) ermittelte eine weitere Studie, dass vier von fünf SWG-Wohnungen innerhalb der Miethöhen für Leistungsempfänger eingestuft sind.
Waaahnsinn wo?
Auch in WÜ kann man von einer durchschnittlichen Mietbelastung von 17% oder wie bei der SWG von 13% vmtl. nur träumen. Dafür wohnt man in WÜ im stickigen Talkessel, in einem "Straßendorf" an Stadtring und A3, umgeben von wenig Wald & Rübenfeldern. Während wir in SW viele gut bezahlte Jobs und eine wunderschöne Umgebung haben. Ein bisschen mehr Dankbarkeit wäre angebracht. Frohe Ostern.