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Schweinfurt
Kommentar: Jeder muss wissen, mit wem er sich bei den Corona-Protesten gemein macht
Die Demonstrierenden von Schweinfurt sind eine Minderheit. Die Mehrzahl der Bürgerinnen und Bürger hierzulande gibt auf sich und andere acht. Das darf nicht vergessen werden.
Der 'Spaziergang' von Corona-Demonstranten in Schweinfurt am zweiten Weihnachtsfeiertag wurde von einem Großaufgebot der Polizei begleitet.  
Foto: Martina Mueller | Der "Spaziergang" von Corona-Demonstranten in Schweinfurt am zweiten Weihnachtsfeiertag wurde von einem Großaufgebot der Polizei begleitet.  
Achim Muth
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:52 Uhr

Fast zwei Jahre Pandemie zerren an den Nerven. An den Nerven aller. Eltern, Kinder, Polizisten,  Politikerinnen, Pfleger, Demonstrierende, Genesene, Geimpfte, Menschen mit Fragen und Ängsten, Menschen mit Vertrauen. Sie, ja wir alle sehnen uns nach einem baldigen Ende des Ausnahmezustands. Dieser Wunsch scheint alle zu einen. Ein trügerischer Schein.

Denn wer sich am Sonntagabend durch die sozialen Netzwerke scrollte, erlebte nicht den besinnlichen Ausklang einer friedlichen Weihnacht, sondern ein Stakkato an Schreckensmeldungen. Videos des Polizeieinsatzes bei den Anti-Corona-Protesten in Schweinfurt kursierten schnell genauso im Netz wie Meldungen über Verletzte und Verhaftungen. Die Stadt zwischen Steigerwald und Rhön schaffte es in die Hauptnachrichten und auf die Titelseiten der nationalen Medien.

Auch diese Redaktion berichtet umfangreich. Schließlich erlebte der gewalttätige Protest eine für diese Region neue Dimension. Und doch darf in diesem Trommelfeuer der Nachrichten nicht vergessen werden: Es handelt sich bei den Schwurblern und Leugnern, bei den aggressiven Störenfrieden um eine Minderheit im Lande. Eine sehr laut krakeelende zwar, weil sie die sozialen Netzwerke als Verstärker nutzt. Aber diese Minderheit darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Mehrzahl der Bürgerinnen und Bürger sozial verantwortlich dieses Leben in der Pandemie meistert. Dass die Mehrzahl auf sich und andere acht gibt. Dass die Mehrzahl durch das Impfen sich und andere schützt.

Versammlungsfreiheit muss friedlich ausgeübt werden

Dennoch müssen die Ängste und Bedenken der Menschen ernst genommen werden, die sich den Vakzinen verweigern. Aufklärung statt Belehrung sollte ein Ansatz sein. Was diese Menschen jedoch nicht erwarten dürfen, ist Verständnis, wenn sie gemeinsam mit Rechtsradikalen durch die Straßen ziehen und ein "Ende der Diktatur" fordern oder: "endlich Freiheit". Wenn sie ihre Kinder als Pflug missbrauchen, um Absperrungen zu durchbrechen.

Jeder muss wissen, mit wem er sich gemein macht.

Deshalb ist es wichtig, die gewalttätigen Proteste zu unterbinden. Die Versammlungsfreiheit ist Ausdruck einer freiheitlichen Demokratie. Im Gesetzestext ist aber auch bei der Wahrnehmung des Rechts ausdrücklich die Rede von "friedlich". Erst neulich hat der Extremismusforscher Peter Neumann aus Würzburg nicht mehr ausgeschlossen, dass von Corona-Protesten terroristische Gefahren ausgehen können. Er könne sich vorstellen, "dass wir in einigen Monaten tatsächlich möglicherweise von einer terroristischen Kampagne sprechen müssen".

Impfgegner im Eventmodus verbünden sich mit Verschwörungstheoretikern

So weit ist es in Schweinfurt nicht. Aber dort wurde in den vergangenen Wochen eine gefährliche Melange angerührt. Besorgte Eltern und Impfgegner im Eventmodus verbünden sich mit Verschwörungstheoretikern und rechten Gruppierungen. Es ist teilweise erschütternd, mit welch krudem Halbwissen sich manche Menschen auf die Straße trauen. In Erinnerung ist etwa der Familienvater, der neulich am Rande der Demo in Schweinfurt sagte, dass er enttäuscht davon sei, was seit Corona in diesem Lande passiere. Dann rief er lauthals diese Worte: Demokratie. Friede. Freiheit. Es klang wie eine Forderung. Schließlich beanspruchte er das Recht für sich ein, so zu leben wie er es wolle. Nämlich ohne Impfung, ohne Einschränkung.

Die Kleinigkeit, die der Mann vergessen hatte: Er lebt längst in Frieden in einer freiheitlichen Demokratie. Nur dass diese eben nicht nur mit Rechten, sondern auch mit Pflichten verbunden ist. Eine lautet sinngemäß: Die Freiheit des Einzelnen endet dort, wo sie die Freiheit der Allgemeinheit gefährdet.

Corona ist nicht nur eine gefährliche Pandemie, es ist auch ein Lackmustest für eine demokratische Gesellschaft.

 
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  • W. S.
    @MP
    Alles schön und gut. Ich denke, 99 % der Leser stimmen Ihnen zu.
    Das Problem ist doch, dass die "Querdenker", Schwurbler,... doch größtenteils gat nicht mehr für die "normalen" Medien erreichbar sind....
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  • T. L.
    Bitte zum Thema des Artikels kommentieren.
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  • K. W.
    Ein guter Kommentar, der sachlich, aber dennoch klar Ihre Meinung zum Ausdruck bringt, die ich ohne Einschränkung teile.
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  • H. M.
    @hentinger: "während die infizierten Geimpften weiterhin die Freiheit der Allgemeinheit nach Herzenslust gefährden dürfen?" Das ist nicht wahr!!!! Infizierte Geimpfte müssen in Quarantäne und gefährten daher nicht die Freiheit der Allgemeinheit!! Hören Sie endlich auf Unwahrheiten zu verbreiten! Sie wissen doch längst, dass Sie mit Ihrer Einstellung falsch liegen.
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  • T. L.
    "Infizierte Geimpfte müssen in Quarantäne und gefährden daher nicht die Freiheit der Allgemeinheit!!"
    Woher wissen denn die Geimpften, dass sie infiziert sind? Bei Ausbleiben der Symptome nur durch einen Test – und der ist für Geimpfte erst seit 24. November verbindlich.
    Vorher durften sie das Virus in Clubs, Discos, Fußballstadien und sonstigen 2G-Locations "unter dem Radar" an andere Geimpfte verteilen, die es dann ihrerseits (ebenfalls ungetestet!) in der Folgewoche dann zuhause und am Arbeitsplatz (auch in Pflegeheimen!) weiterverbreitet haben.
    Dass DAS seit November endlich gestoppt ist, war / ist eine vernünftige Entscheidung!
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  • K. W.
    "Zwei mal drei macht vier, widewidewitt und drei macht neune, ich mach mir die Welt,
    widewide wie sie mir gefällt."

    Soviel zu Ihrem Kommentar hentinger.
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  • H. S.
    Leider verstößt Ihr Kommentar gegen die Kommentarregeln auf mainpost.de. Wir haben den Kommentar deshalb gesperrt.
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  • M. E.
    @Achim Muth: Inhaltlich schließe ich mich Ihrem Kommentar völlig an. Dank dafür. Einen guten Beschluss und dementsprechenden Rutsch ins Jahr 2022 wünscht Ihnen und Ihrer Redaktion M. Englert
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  • A. M.
    Hallo Herr Englert, vielen Dank. Ihnen und Ihrer Familie ein gesundes neues Jahr!
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