In nicht allzu ferner Zukunft sollen bei der Niederwerrner Kirchweih die Plan-Tänzer in der "Neuen Mitte" ihre Runden drehen. Das ist der Traum von Bürgermeisterin Bettina Bärmann. Sie forciert die Innenentwicklung, die Erneuerung des Altorts von Niederwerrn, indem sie zusammenhängende Grundstücke und Gebäude aufkauft, um eine Neuordnung zu organisierten. Mit Visionen und Konzepten soll es Platz für Begegnungen, aber auch für Wohnen geben.
Dass städtebaulich im Ortskern von Niederwerrn, Mitgliedsgemeinde in der Allianz Oberes Werntal, einiges im Argen liegt, ist augenfällig. Deshalb hat die Gemeinde bereits 2014 ein Städtebauliches Entwicklungskonzept (ISEK) erstellt, hat das Sanierungsgebiet festgelegt, die Schwachstellen analysiert, hat Vorschläge für eine Neuordnung eingebracht. In diesem Rahmen wurde bei Bürger-Werkstätten der Wunsch nach einem zentralen Begegnungsort geäußert, den es so in Alt-Niederwerrn nicht gibt.
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Der Bereich um die Gemeindebibliothek bietet sich an, die Fläche Richtung Schule und dem AWO-Seniorenzentrum wird angebunden, ein Übergang zu Neu-Niederwerrn ermöglicht, erklärt die Bürgermeisterin. Dort, im Bereich Schulstraße/Höhengasse, kaufte die Gemeinde bereits 2014 ein erstes Grundstück. Aber die ursprüngliche Idee, nur ein Café und einen kleinen Platz an dem abschüssigen Gelände zu schaffen, war für die Regierung von Unterfranken nicht überzeugend genug. Diese ist zuständig für die Zuschüsse, die mittlerweile aus dem Programm "Soziale Stadt" mit 60-prozentiger Förderung fließen.
Bärmanns Idee war, ein daneben stehendes Fachwerkhaus zu erwerben, um es als Kolonialwarenmuseum der Sammlung Maul zu nutzen. Dann wurde der Blick noch weiter. "Das Ganze war ein Prozess", blickt sie auf die letzten Jahre, in denen sie weitere Grundstücke für zusammenhängende Flächen erwarb: für dieses erste Projekt "Neue Mitte", aber auch für weitere Neuordnungen am ehemaligen Judenhof und an der Schweinfurter Straße.
"Ich war die letzten vier Jahre viel als Immobilienmaklerin unterwegs", meint die Bürgermeisterin. Dabei nutzte sie auch das Instrument des Vorkaufsrechts – zu Marktpreisen – , "das aber nur anwendbar ist, wenn ein Gesamtkonzept erstellt und wenn dargelegt ist, dass ein höherer Nutzen daraus entsteht". Dann kann die Gemeinde auch die Förderung erhalten.
Mit dem Schweinfurter Architektur- und Stadtplanungsbüro Schlicht und Lamprecht wurde das Konzept für die "Neue Mitte" konkret. Nördlich eines neuen zentralen Platzes neben der Bibliothek werden nach dem Abriss zweier Häuser zwei versetzt nebeneinander stehende Gebäude in der Nähe des künftigen Museums errichtet: ein Café mit einem Bürgersaal und ein Haus für Vereine.
Das Café soll auch den Museumsbesuchern dienen, im Bürgersaal könnten Veranstaltungen stattfinden, ein Trausaal eingerichtet werden, die Bibliothek besser zur Geltung kommen. Am Platz soll der Maibaum stehen oder der Weihnachtsmarkt abgehalten werden. Noch heuer könnte die Baugenehmigung erfolgen, von 2020 bis 2022 gebaut werden.
Die Weitsicht und den Mut der Bürgermeisterin lobt Stefan Schlicht. "Als Stadtplaner wollen wir die Zukunft gestalten." Ideen seien nötig, Rahmenpläne müssten aufgestellt werden. Aber dazu brauche man Gebäude und Flächen.
"Natürlich gab es auch Kämpfe im Gemeinderat", gibt Bärmann zu. Die Frage war, ob Stadtplanung Aufgabe einer Gemeinde sei. Davon ist sie überzeugt. "Wenn Häuser frei werden, muss man sie jetzt kaufen, auch wenn es noch keinen konkreten Plan gibt".
"Innenentwicklung braucht Zeit", weiß die Bürgermeisterin. Schwierig dabei sei, dass nach außen noch nichts sichtbar sei.
Ein weiterer Schritt an der Neuen Mitte soll die Aufwertung des Löb-Kent-Platzes vor der Bibliothek, der ehemaligen Synagoge, sein. In ein dortiges Gebäude soll die Musikschule einziehen. "Es wird eine Abfolge von Plätzen und Gebäuden werden", so der Planer, "die neue Kulturmeile", ergänzt die Bürgermeisterin.
Mit öffentlichen Erneuerungen ziehen erfahrungsgemäß auch die Privatbesitzer nach, erklärt Stadtplanerin Evi Mohr. Für diese gibt es in Niederwerrn Fördermittel nach dem Städtebaulichen Sanierungsprogramm. Zudem hat die Gemeinde ein kommunales Förderprogramm erstellt.
Der Ort hat viele "Baustellen", weiß die Bürgermeisterin. Deshalb hat die Gemeinde auch am ehemaligen Judenhof Gebäude erworben, darunter einige Leerstände. Marode Häuser könnten saniert, teils auch abgerissen werden, neue Nutzungen gesucht werden, sagt Schlicht. Vom dahinter liegenden Park könnte man die Verbindung zur Kirche, der historischen Mitte, schaffen.
Langfristig müsse auch die Straßensituation verbessert werden. "Der Ort hat sich verlagert Richtung Siedlung", erklärt der Planer. An der Neuen Mitte enden sternförmig viele Wegeverbindungen.
Ein drittes Projekt der Innenentwicklung liegt an der Schweinfurter Straße gegenüber dem Rathaus. Dort hat die Gemeinde bereits etliche Gebäude erworben. "Das private Wohnen kann hier aufgewertet werden", erklärt Stadtplanerin Mohr, beispielweise durch eine Neuregelung der Durchfahrt vom nördlichen Siedlungsgebiet her.
"Der Prozess hat zwar lange gedauert", hält Allianzmanagerin Eva Braksiek fest, "aber das war die Chance für die Neue Mitte".
Die Anstrengungen der Allianz Oberes Werntal zur Wiederbelebung der Altorte zeigen Wirkung. Ziel ist es, sogenannte Krapfendörfer zu schaffen, deren Inneres gut gefüllt ist, und Donut-Dörfer zu vermeiden, die in ihrem Kern leer sind. Die verschiedenen Aspekte dieser Innenentwicklung mit Vorbildcharakter beleuchten wir in unserer Serie.