Milchkühe muhen schon seit einigen Jahren nicht mehr in dem ehemaligen Bauernhof an der Hauptstraße in Poppenhausen. Stattdessen lockt ein stylischer, junger Friseursalon weibliche und männliche Kunden zu Haarschnitt oder Make up. Friseurmeister Frank Fischer hat sich damit einen Traum erfüllt und der Gemeinde zu mehr Leben im Altort verholfen.
Kuhstall, Milchkammer und Futterkammer verbargen sich einst in dem Gebäude aus dem Jahr 1929 neben dem Wohnhaus des Gehöfts. Ihm blieb nur der Abriss und ein Ersatzneubau, "weil ein Umbau viel zu teuer und wegen der Ammoniak- und anderer Altlasten nicht möglich war". Frank Fischer und sein Lebenspartner Thorsten Schmälzle wohnten zu dieser Zeit nebenan, im Obergeschoss von Fischers Elternhaus. Dort hatte der frischgebackene und ausgezeichnete Friseurmeister 2015 einen kleinen Salon eröffnet, mit vier Plätzen.
Das Geschäft lief gut, den Wunsch, nach etwas Größerem, Neuem, Eigenem wollte der 34-Jährige auf dem elterlichen Anwesen verwirklichen. In der Karlstädter Architektin Lisa Kraft fand Fischer eine Fachfrau mit Erfahrung aus der Dorferneuerung, die seine Vorstellung von modernem Bauen umsetzte, gleichzeitig das neue Gebäude der Umgebung anpasste.
Unten der Salon, oben die Wohnung
Weil die Eltern mit dem Rentenalter mit der Landwirtschaft aufhörten und Franks Bruder die Felder weiter bewirtschafte, war das Hofgebäude für ihn freigeworden. "Am 11. April 2016 hat der Abriss begonnen", erzählt Thorsten Schmälzle. Eine Firma übernahm die Arbeiten plus Entsorgung. Auch wenn das ein Kostenfaktor war, so weiß der 32-Jährige, dass "der Baugrund aufgrund des Einheitswerts günstiger war als auf der grünen Wiese".
Innerhalb eines Jahres wurde das Gebäude mit dem 150 Quadratmeter großen Salon im Erdgeschoss aus Tonziegeln hochgezogen. "Am 28. Mai 2017 war Eröffnung." Im Stockwerk darüber sowie unterm Dach liegt die großzügige Wohnung für das Paar.
Überall, sowohl an der Fassade als auch im Innern, dominiert ein ruhiger, dunkler Farbton: Sei es beim Granitstein, sei es beim Fußboden in dunkler Holzoptik, sei es bei den Betonsteinriemchen in Natursteinoptik. Diese umgeben auch die vier Schaufenster des Salons zur Hauptstraße hin sowie die Durchfahrt in den Hof mit den Parkplätzen. "Die ist genau an der gleichen Stelle wie früher", verweist Thorsten Schmälzle auf ein altes Foto des Anwesens. "Tagsüber steht das Tor offen, abends wird die Burg zugemacht", lacht er.
Keine Lücke in der Straßenansicht
Wichtig war den beiden jungen Leuten, dass trotz modernen Baustils keine Lücke in der Straßenansicht bleibt. "Eigentlich wollten wir das Dach flacher, aber das hätte nichts ausgesehen." Jetzt passt sich das rot gedeckte Haus mit den liegenden Dachfenstern der Umgebung an.
Auch Franks Mutter Christine ist begeistert von dem neuen Gebäude: "Es ist viel schöner jetzt". Zudem haben die Männer auch den Hofraum "geliftet", haben die Gebäudefassaden – Scheune und ehemaligen Stall – in passendem Weiß und Grau gestrichen.
"Da hinten war früher der Misthaufen", deutet die Seniorin auf die Hofecke, in der die Luftwärmepumpe für die Beheizung des neuen Gebäudes untergebracht ist. Eine Photovoltaikanlage auf dem Dach ergänzt die moderne Energiegewinnung.
Mit seiner stylischen Ausstattung und der indirekten Beleuchtung in den 1,50 Meter hohen, abgehängten Räumen mutet der Friseursalon großstädtisch an. Er wird gut angenommen, sieben Mitarbeiter sind hier mittlerweile beschäftigt. Die Kunden kommen aus der ganzen Region sowie von außerhalb. "Die gehen dann auch zum Bäcker oder zum Metzger zum Einkaufen", weiß Frank Fischer, sie lassen also Kaufkraft im Ort.
Für den 34-jährigen Friseurmeister bedeutet der Neubau eine gewaltige Investition. Für die Gemeinde ist sie ein gelungenes Beispiel für Innenentwicklung. Denn hier hat sich erfolgreich der Funktionswandel vollzogen: vom Bauernhof zum Gewerbebetrieb im Ortskern.
Die Anstrengungen der Allianz Oberes Werntal zur Wiederbelebung der Altorte zeigen Wirkung. Ziel ist es, sogenannte Krapfendörfer zu schaffen, deren Inneres gut gefüllt ist, und Donut-Dörfer zu vermeiden, die in ihrem Kern leer sind. Die verschiedenen Aspekte dieser Innenentwicklung mit Vorbildcharakter beleuchten wir in unserer Serie.