Der Mann ist verärgert. Er hat von der Stadt Gerolzhofen im Neubaugebiet "Nützelbach II" ein Grundstück gekauft. Ende dieses Jahres wollte er mit seinem Hausbau loslegen. Doch daraus wird nichts. Die Stadt habe den Grundstückseigentümern nun mitgeteilt, dass die Bebaubarkeit der Grundstücke "trotz Zusicherung für Dezember 2021" jetzt doch erst "am 18. Juli 2022 gegeben sein soll", berichtet der Mann. Dabei hätten die neuen Erschließungsstraßen eigentlich schon im November/Dezember wenigstens eine Schotterschicht bekommen sollen, so dass die Baugrundstücke anzufahren gewesen wären.
Bürgermeister Thorsten Wozniak bestätigt auf Anfrage der Main-Post in einer schriftlichen Stellungnahme, dass den neuen Grundstückseigentümern tatsächlich "in Aussicht gestellt" worden sei, die Grundstücke im Dezember zu übergeben - und damit auch deren Bebaubarkeit zu ermöglichen. Denn nach dem ursprünglichen Zeitplan hätten die Straßen im neuen Siedlungsgebiet spätestens im Herbst ihren Schotter-Unterbau erhalten sollen. Doch der Zeitplan sei leider aus den Fugen geraten.
"Es gab keine Zusicherung"
"Eine Zusicherung der Bauzeiten gab es aber nicht", betont der Bürgermeister ausdrücklich. "Eine Zusicherung kann bei Baumaßnahmen leider nicht erfolgen, denn oft kann Unvorhergesehenes geschehen." Dass es seitens der Stadt keine feste Termin-Zusicherung gegeben habe, so Wozniak, sehe man auch an dem Umstand, dass "aus hinweisenden Fairnessgründen" von Beginn an ein Rücktrittsrecht der Bauherren im notariellen Kaufvertrag eingefügt wurde - eben für den Fall, dass die Grundstücke nicht ab Dezember 2021 bebaut werden können.
Doch was sind die Gründe für die Verzögerungen, was ist das "Unvorhergesehene", von dem der Bürgermeister spricht? Da ist in erster Linie das "Artenschutz-Problem", wie es Wozniak bezeichnet. Eigentlich hätte spätestens Anfang Mai - und damit aber auch schon verspätet - der Bau der Ver- und Entsorgungsleitungen und dann der Straßen und Gehwege auf dem Baufeld beginnen sollen. Doch daraus wurde nichts. Das Bauunternehmen rückte zwar mit großem Maschinenpark an, doch die Bagger und Raupen durften nicht beginnen.
Artenschutz verhinderte Bauarbeiten
Der Grund: Auf der in den Monaten zuvor nicht mehr landwirtschaftlich genutzten Fläche, auf der über Wochen auch Archäologen tätig waren, war in der Zwischenzeit eine dichte wilde Vegetation aufgegangen. Und da die Wahrscheinlichkeit hoch war, dass hier Bodenbrüter, insbesondere Feldlerchen, nisten, durften aus Artenschutzgründen keine Trassen mehr freigeschoben werden. Man war gezwungen, das Ende der Brutzeit, die zwischen Mitte März bis Ende Juli liegt, abzuwarten. Die Main-Post hat darüber bereits ausführlich berichtet.
Dass sich auf dem Baufeld überhaupt dieses "Feldlerchen-Biotop" entwickeln konnte, lag an einem Versäumnis der städtischen Bauverwaltung. Im so genannten Umweltbericht, einem Bestandteil des einschlägigen Bebauungsplans, steht ausdrücklich geschrieben, dass man mit den Bauarbeiten auch während der Brutzeit der Bodenbrüter beginnen kann - wenn man dafür sorgt, dass es auf den Äckern bei einer "Schwarzbrache" bleibt, beispielsweise durch Grubbern oder Pflügen des Baulands oder durch den Einsatz von Herbiziden. Hätte man also dafür gesorgt, dass dort keine Blumen, Kräuter und anderer dichter Bewuchs hochkommen, hätten die Bauarbeiten Anfang Mai starten können.
Ablauf der Arbeiten wurde gedreht
So aber musste das Ende der Brutzeit abgewartet werden. Architekten und Baufirma reagierten. Man drehte den zeitlichen Ablauf der Bauarbeiten um. Soll heißen: Statt erst im eigentlichen Siedlungsgebiet zu starten, um den Bauherren das zeitige Beginnen ihrer Häuser zu ermöglichen, und erst danach die lange Kanaltrasse hinüber zum Baugebiet "Nützelbach I" zu errichten, war man gezwungen, erst mit der Kanaltrasse zu beginnen. Man tat also den zweiten vor dem ersten Schritt.
Diese lange Kanaltrasse ist inzwischen so gut wie fertiggestellt. Doch davon haben die Bauherren reichlich wenig. Was sie bräuchten, wären ausreichend befestigte Zufahrtstraßen, damit die Baufirmen ihre Grundstücke erreichen und mit den Bau der Häuser beginnen können. Doch davon ist man noch weit entfernt, wie ein momentaner Blick auf die Baustelle zeigt.
Wer jetzt dachte, gut, die Lerchen sind mit der Aufzucht ihres Nachwuchses fertig und jetzt wird mit Hochdruck das Baugebiet erschlossen, war zu optimistisch. Denn nun hakt es gelegentlich auch bei den Arbeiten direkt im Baugebiet. Bürgermeister Thorsten Wozniak umschreibt dies in seiner Stellungnahme so: "Die Baumaßnahmen sind auch von Lieferketten etc. abhängig." Die Arbeiten leiden jetzt unter dem generellen Baustoffmangel, der in Deutschland herrscht. Zum Beispiel bei den benötigten PVC-Rohren habe es Lieferschwierigkeiten gegeben, weiß der Bürgermeister.
Neuer Zeitplan
Aufgrund der Situation gebe es einen neuen Zeitplan für die Erschließung von "Nützelbach II", berichtet Wozniak. Weil man nun nicht vor dem einsetzenden Winter grob fertig wird, hat man im neuen Zeitplan notgedrungen auch eine Zeitspanne vorsehen müssen, in der auf der Baustelle Winterruhe herrscht. "Wir haben eine lange Pause eingepreist", sagt der Bürgermeister, weil man nicht absehen könne, wie hart der Winter 2021/22 werden wird.
Das Ganze ist abhängig vom Wetter. Wenn man von einer lange Winterruhe ausgeht, dann werde die Erschließung tatsächlich - wie von den Bauwerbern kritisiert - erst im Juli 2022 komplett abgeschlossen sein, bestätigt Wozniak. Man könnte aber auch deutlich früher mit den Arbeiten fertig werden - vorausgesetzt, eine milde Witterung lässt im zeitigen Frühjahr schon wieder Tiefbauarbeiten zu.