Eigentlich sollte spätestens Anfang Mai der Bau der Straßen sowie der Ver- und Entsorgungsleitungen im neuen Gerolzhöfer Baugebiet "Am Nützelbach II" beginnen. Doch daraus wurde bekanntlich nichts. Wie berichtet, teilte die Verwaltungsgemeinschaft im Mai in einer seltsam dürren Meldung mit, dass die Erschließungsarbeiten auf dem Baufeld noch zurückgestellt werden mussten. Der Grund dafür seien "artenschutzrechtliche Belange". Doch dies war, so stellt sich jetzt heraus, nur ein Teil der Wahrheit. Kausaler Auslöser der Verzögerung war letztlich ein Versäumnis der Verwaltung.
Als die knappe Mitteilung aus der Verwaltungsgemeinschaft in der Main-Post-Redaktion einging, brachte ein Anruf beim damals diensthabenden Bürgermeister Erich Servatius (Bürgermeister Thorsten Wozniak befand sich im Urlaub) mehr Klarheit: Weil sich der Beginn der Tiefbauarbeiten vom Jahresbeginn an etwas verzögert habe, sei man nun in die beginnende Brutsaison von Bodenbrütern geraten, sagte Servatius. Und weil auf dem Areal von "Nützelbach II" jetzt möglicherweise Bodenbrüter nisten, wie zum Beispiel die Feldlerche, könnten dort momentan keine Trassen freigeschoben werden.
War also, wie es schon mehrfach kolportierte wurde, der "böse" Artenschutz schuld daran, dass die bereits angerückten Baumaschinen nicht mit der Arbeit beginnen konnten? Nein. Denn offensichtlich lag vorher ein Versäumnis der Verwaltung vor.
Vorherige Untersuchungen
Zum Hintergrund: Bevor der Bebauungsplan für das Neubaugebiet im Süden der Stadt aufgestellt werden konnte, war neben den archäologischen Untersuchungen unter anderem auch erst eine artenschutzrechtliche Beurteilung zum etwaigen Vorkommen von Bodenbrütern nötig. Diese Untersuchung führte das Büro für Faunistik und Umweltbildung aus Haßfurt Anfang Juli 2018 durch. Auf der Fläche des künftigen Baugebiets war damals Getreide angebaut worden. Das Feld wurde entlang der Fahrspuren abgelaufen und mittels Fernglas beobachtet. Das Ergebnis: "Es wurden keine bodenbrütenden Vogelarten auf der Ackerfläche beobachtet."
Eine singende Feldlerche
Während eines Ortstermins der Unteren Naturschutzbehörde (Landratsamt Schweinfurt) gemeinsam mit Verantwortlichen der Stadt sowie dem Planungsbüro Planungsschmiede Braun im Juli/August 2018 konnte durch die verantwortliche Naturschutzfachkraft dann doch eine singende Feldlerche im Plangebiet festgestellt werden. Zwar sind Lerchen in Bayern noch flächendeckend verbreitet, allerdings weisen die aktuellen Schätzungen auf eine enorme Ausdünnung der Bestände in weiten Teilen Bayerns hin. Verluste von Brutrevieren müssen deshalb durch kompensatorische Maßnahmen ausgeglichen werden.
Die vielfältigen Auswirkungen, die das neue Baugebiet auf die Umwelt haben kann und die in verschiedenen Gutachten auch untersucht wurden, sind in einem sogenannten Umweltbericht zusammengefasst. Dieser Bericht ist Bestandteil der Begründung des Bebauungsplans und wurde im Genehmigungsverfahren auch öffentlich ausgelegt. In dem Bericht – jederzeit einsehbar auf der Homepage der Verwaltungsgemeinschaft – steht wörtlich: "Durch die Bebauung im Plangebiet ist vom Totalverlust eines Brutreviers der Feldlerche auszugehen." Als Ausgleich müssen deshalb neue Blühflächen angelegt werden, die an den Rändern des Neubaugebiets vorgesehen sind.
Schutz der Bodenbrüter
Wichtig ist ein Hinweis im besagten Umweltbericht, der sich mit dem konkreten Schutz der Bodenbrüter beschäftigt. Dort heißt es: "Bodenarbeiten, zum Beispiel der Bau der Erschließungsstraßen (Abschieben des Oberbodens), sind außerhalb der Brutzeit der ackerbrütenden Vogelarten, also nicht im Zeitfenster von Mitte März bis Ende Juli, auszuführen." Insofern ist die Information aus der Verwaltungsgemeinschaft richtig gewesen, dass im Mai der Bau der Erschließungsstraßen wegen der Brutzeit nicht möglich war.
Aber: Der Umweltbericht verbietet nicht generell die Bauarbeiten zwischen Mitte März und Ende Juli. Denn er bietet eine Alternative an: "Falls die Bauarbeiten innerhalb des vorgenannten Brutzeitraums geplant sind, sind von Anfang März bis Baubeginn mittels einer dauerhaften Schwarzbrache Bodenbruten auszuschließen." Soll heißen: Hätte man ab März durch Grubbern oder Pflügen des Baulands oder durch den Einsatz von Herbiziden eine Schwarzbrache geschaffen und somit dafür gesorgt, dass dort keine Blumen, Kräuter und anderer Bewuchs hochkommen, hätten die Bauarbeiten plangemäß starten können.
Versäumnis der Stadt
Die offene und vegetationsfreie Schwarzbrache hat man aber versäumt. So wandelte sich das Bauland in eine Blumenwiese. Und die Vogelwelt hat das neu entstandene Biotop gerne angenommen.
Auf Anfrage bestätigte Bürgermeister Thorsten Wozniak das Versäumnis. Es sei richtig, dass man laut Umweltbericht eine Schwarzbrache hätte herzustellen können, um eine Ansiedelung von Bodenbrüter zu vermeiden, wenn Bodenarbeiten innerhalb der Brutzeiten geplant sind. "Nachdem ursprünglich ein früher Baubeginn geplant war, aber aufgrund der damaligen Witterung verschoben wurde, wurde es versäumt, eine Schwarzbrache anzulegen." Der Bauablauf bezüglich der Erschließungsmaßnahmen sei deswegen entsprechend umgestellt worden. Und: "Im Dialog mit den entsprechenden Fachbehörden wird die Situation weiterhin beobachtet."