Viel Kritik musste das Schweinfurter Gesundheitsamt in den vergangenen Wochen einstecken. Und das nicht nur aufgrund der hohen Sieben-Tage-Inzidenzen, die Schweinfurt noch vor Kurzem Werte über 300 bescherten. Auch hatten technische Probleme zu verzerrten Inzidenzwerten im April geführt, weshalb die Behörde ebenfalls in die Schlagzeilen geriet. Nun betont das Gesundheitsamt, die Probleme seien behoben worden. Doch spiegelt sich dies auch wirklich in den veröffentlichten Fallzahlen der vergangenen Wochen wider?
Ein kurzer Rückblick: Mit verhältnismäßig hohen Infektionszahlen gehörten die Stadt und der Landkreis Schweinfurt noch vor wenigen Wochen zu den bundesweit am stärksten vom Coronavirus betroffenen Regionen. Dass das Gesundheitsamt dafür jedoch keine eindeutigen Erklärungen lieferte, stieß auf viel Unverständnis in der Bevölkerung. Auch Politiker verschiedener Parteien aus Stadt und Landkreis sowie der Handelsverband äußerten öffentlich Kritik und forderten mehr Aufklärung.
Zahlreiche Corona-Fälle verspätet gemeldet
Noch lauter wurde der Aufschrei, als bekannt wurde, dass technische Probleme im Gesundheitsamt zu verzerrten Inzidenzwerten geführt hatten. So hatte die Behörde im April zahlreiche Corona-Fälle erst verspätet über das Landesamt für Gesundheit (LGL) an das Robert Koch-Institut (RKI) gemeldet, wodurch diese nicht mehr in der Berechnung der tagesaktuellen Sieben-Tage-Inzidenz berücksichtigt wurden. Es zeigte sich also, dass zwischen den tagesaktuellen Werten und den Zahlen, die auch Nachmeldungen mit einbeziehen, massive Abweichungen bestanden haben.
Zwar veröffentlichte das RKI die nachträglich korrigierten Inzidenzwerte – also Werte, in denen die verspäteten Nachmeldungen berücksichtigt wurden. Allerdings hatten diese keine Auswirkungen mehr auf die geltenden Corona-Maßnahmen.
Technische Probleme führten zu verzerrten Inzidenzwerten im Raum Schweinfurt
Recherchen dieser Redaktion zeigten, dass die tagesaktuell gemeldeten Werte und die korrigierten Inzidenzen für den Raum Schweinfurt im April stark voneinander abwichen. Dagegen hielten sich die Abweichungen in den meisten Städten und Landkreisen Unterfrankens in Grenzen. So meldete das RKI etwa am 21. April eine Sieben-Tage-Inzidenz von 166,6 in der Stadt Schweinfurt. Die Korrektur ergab nachträglich eine Inzidenz von 318,2. Wochenlang waren die Abweichungen immens - sowohl in der Stadt als auch im Landkreis Schweinfurt.
Das Gesundheitsamt begründete die Verzerrungen mit technischen Problemen. Ein Software-Update habe dabei zu Übertragungsproblemen geführt. Zudem sei die Software-Umstellung mitten in der Pandemie und zeitgleich mit der dritten Infektionswelle erfolgt, die die Region Schweinfurt besonders hart getroffen hat, erklärte das Landratsamt Schweinfurt damals. Dieses wusste bereits im März über Probleme bei der Datenübermittlung durch die Software-Umstellung Bescheid, was auch der Öffentlichkeit mitgeteilt wurde.
Landrat und Oberbürgermeister stellen sich vor das Gesundheitsamt
Landrat Florian Töpper und Schweinfurts Oberbürgermeister Sebastian Remelé verteidigten das Gesundheitsamt. Zwar arbeite keine Behörde fehlerfrei. Aber: "Was meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und auch mich getroffen hat, war die Pauschalität des Vertrauensentzuges", reagierte Töpper betroffen auf die Kritik. Das Gesundheitsamt habe nach über einem Jahr Pandemie deutlich unter Beweis gestellt, "wie vernünftig es organisiert ist und wie stringent und engagiert es arbeitet". Dass es bei einer Pandemie zu "Pannen, Fehlabläufen, Missgeschicken und auch zu unvorhergesehenen Herausforderungen" komme, liege in der Natur der Sache, sagte Oberbürgermeister Remelé.
Laut Matthias Gehrig, kommissarischer Leiter des Schweinfurter Gesundheitsamtes, hatten die verzerrten Inzidenzwerte keine Auswirkungen auf die Bevölkerung. "Im Nachhinein haben wir aufgrund einer Liste, die beim RKI aufgetaucht ist, festgestellt, dass die Stadt Schweinfurt durchaus sieben bis zehn Tage früher in den Bereich über 300 gekommen wäre und der Landkreis über 200", so Gehrig. Dadurch hätten jedoch keine Geschäfte schließen müssen, da diese ohnehin schon geschlossen waren, "es herrschte ja schon der höchste Grad der Beschränkung". Nach den anfänglichen Schwierigkeiten habe man nun die technischen Probleme in den Griff bekommen.
Seit Mai keine erheblichen Verzerrungen der Inzidenzen mehr
Diese Redaktion hat die Daten erneut analysiert – mit dem Ergebnis, dass die Abweichungen im Mai deutlich geringer ausfielen. So unterschieden sich die nachträglich korrigierten Werte von den tagesaktuell veröffentlichten Zahlen Anfang Mai zwar noch leicht, stimmten dann Mitte des Monats aber größtenteils überein. Die Grafiken zeigen, dass sich die jeweiligen Werte nach und nach annäherten, wie auch in den anderen unterfränkischen Landkreisen und Städten.
Das Gesundheitsamt Schweinfurt hat die Verzerrung offenbar in den Griff bekommen. Doch liegt das daran, dass die technischen Störungen behoben wurden oder schlicht daran, dass die Neuinfektionen zurückgegangen sind?
Bei hohen Fallzahlen, bedingt durch die dritte Welle, ergäben sich auch tendenziell mehr Korrekturfälle, erklärte dazu das Landratsamt Schweinfurt. Pressesprecherin Melina Bosbach teilte erneut mit, dass die Meldeverzögerungen aufgrund der Software-Umstellung mittlerweile "vollständig behoben" seien.
Zu nachträglichen Korrekturen der Fallzahlen für Stadt und Landkreis Schweinfurt könne es dennoch gelegentlich immer wieder kommen. "Es werden beispielsweise fehlerhafte 'Doppelpersonen' korrigiert, die etwa durch die Übermittlung von Testergebnissen mit fehlerhaften Stammdaten entstehen – zum Beispiel durch das Vertauschen von Vor- und Nachnamen, wenn beide Namen sowohl als Vor- als auch als Nachnamen geläufig sind", so Bosbach.
Um solche doppelten Zählungen von Personen zu vermeiden, veranlasse das Gesundheitsamt Schweinfurt in regelmäßigen Abständen Datenabgleiche. Auch in Zukunft werde die Behörde Korrekturen durchführen müssen und die Öffentlichkeit darüber informieren.