Selten hat ein Thema so viele Menschen bewegt, wie derzeit das Corona-Infektionsgeschehen im Raum Schweinfurt. Woher kommen die vielen Fälle, ist die aufkommende Kritik am Krisenmanagement berechtigt, und was können die Behörden überhaupt zur Pandemie-Eindämmung beitragen? Im Interview geben Landrat Florian Töpper, Schweinfurts Oberbürgermeister Sebastian Remelé und der kommissarische Leiter des Gesundheitsamtes, Matthias Gehrig, Antworten auf die brennendsten Fragen.
Landrat Florian Töpper: Die Notenskala ist niemals ein einfaches Thema, nicht in der Schule und auch nicht im übrigen Leben. Aber ich bin definitiv dafür hier eine 2+ zu geben. Niemand kann behaupten, dass in der Pandemie alles ideal gelaufen sei oder läuft, aber man muss auch deutlich sehen, unter welchen Rahmenbedingungen, unter welchen Herausforderungen die Ämter und Behörden, auch unser Gesundheits- und Landratsamt zu arbeiten haben. Die 2+ bedeutet aber auch, dass wir alle verpflichtet sind, mit aller Kraft in Richtung Note 1 hinzuarbeiten, denn darauf haben unsere Bürgerinnen und Bürger Anspruch.
Oberbürgermeister Sebastian Remelé: Wenn ich Schulnoten vergeben müsste, würde ich mir die Freiheit nehmen, die einzelnen Schulfächer zu bewerten. Wenn Sie auf den Anstieg der Inzidenzzahlen anspielen, dann sind wir, was die Stadt Schweinfurt angeht, momentan eher versetzungsgefährdet. Wenn Sie aber nach einer Bewertung für die Arbeit der Stadtverwaltung sowie unseres gemeinsamen Gesundheitsamtes fragen, dann würde ich mich dem Votum des Landrates gerne anschließen wollen. Die Verwaltungen leisten hier Vorbildliches und der Umstand, dass wir bis vor kurzem eine unauffällige Kommune gewesen sind – mit zum Teil wochenlang den niedrigsten Inzidenzwerten in Deutschland – zeigt auch in Gegenüberstellung der jetzigen Situation, dass wir da nicht viel falsch gemacht haben. Dass es bei einer Pandemie zu Pannen, Fehlabläufen, Missgeschicken und auch zu unvorhergesehenen Herausforderungen kommt, liegt in der Natur der Sache.
Töpper: Selbstverständlich darf man das Gesundheitsamt kritisieren, so wie man jede Behörde der öffentlichen Hand kritisieren können muss. Und das ist ja auch letztlich die Botschaft meiner Stellungnahme gewesen. Was meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und auch mich getroffen hat, war die Pauschalität des Vertrauensentzuges. Da muss ich schon die Frage stellen, ob das angemessen ist. Und jeder und jede hat sich die Frage zu stellen, was eine Schlagzeile wert ist. Keine Behörde arbeitet vollkommen fehlerfrei. Und wir haben umfassend deutlich gemacht, was die Hintergründe unserer zeitweiligen Schwierigkeiten gewesen sind. Unser Gesundheitsamt hat, meiner Meinung nach, nach über einem Jahr Pandemie deutlich unter Beweis gestellt, wie vernünftig es organisiert ist und wie stringent und engagiert es arbeitet.
Töpper: Solche Wahrnehmungen sind subjektiv, hier gibt es keine validen Erhebungen. Meine Sichtweise ist nicht, dass das Vertrauen in das Gesundheitsamt oder die Kommunen verloren gegangen ist. Wir hatten praktisch zeitgleich zwei Fragen zu beantworten, was Herr Gehrig im Stadtrat auch getan hat und die ich auch allen Fraktionsvorsitzenden im Kreistag in meiner Wahrnehmung zur Zufriedenheit beantworten konnte, nachdem zuvor schon unsere Pressestelle umfassend aufgeklärt hatte. Das war zum einen die Frage nach den verzögerten Fallmeldungen an das RKI über die Ostertage, aufgrund von einem mittlerweile häufig dargelegten Kompatibilitätsfehler nach einem Update der Meldesoftware Äskulab. Zeitgleich ist unser Gesundheitsamt mitten in der Pandemie entsprechend den Vorgaben der Staatsregierung von unserer eigenen und funktionalen Software auf diejenige mit Namen "Sormas" umgestiegen.
Phasenweise wurden wir dadurch unseren eigenen Ansprüchen nicht gerecht. Betonen möchte ich aber: Das Gesundheitsamt Schweinfurt hat im Übrigen immer an das RKI gemeldet, an Wochenenden und an Feiertagen und tut dies weiterhin. Die Verzerrungen, von denen in den Hauptnachrichtensendungen bei Wochenend- und Feiertagsmeldungen immer die Rede ist, betreffen unsere Behörde nicht. Die andere Frage bezog sich auf diese bizarre Falschmeldung aus Nürnberg, wonach auch wir hier doppelte Zählungen vorgenommen hätten. Das war bei uns aber nicht der Fall. Und wir im Landratsamt haben bis heute keine Entschuldigung der Stadt Nürnberg erhalten und auch keine Erklärung, warum man uns in diesem Zusammenhang genannt hat. Dies alles in Summe sorgte letztlich für einen gewissen Aufschrei. Ich denke aber, dass wir dem begegnen konnten.
Töpper: Die große Gereiztheit, die ich gegenwärtig verspüre, fußt meines Erachtens insbesondere auf dem schleppenden Impfgeschehen. Was ich an Rückmeldung bekomme, ist ein hohes Maß an Unzufriedenheit mit der Aufhebung der Impfpriorisierung zum jetzigen Zeitpunkt, mit der Ungleichbehandlung ländlich strukturierter Räume mit vergleichsweise niedriger Arztdichte. Aber ich erlebe keinen Vertrauensverlust in die Institution Gesundheitsamt. Ich weiß auch, dass es andere Stimmen in den sozialen Medien gibt, mit denen auch meine Mitarbeiter zurechtkommen müssen. Dort sind unter dem Denkmantel der Anonymität teils brutale Vorwürfen zu lesen. Mir ist es wichtig zu sagen, dass wir Offenheit und Transparenz wollen und auch liefern können. Den einzelnen Fällen, in denen die Bearbeitung nicht perfekt gelaufen ist und die wir sehr ernst nehmen, stelle ich die Gesamtzahl von etwa 8000 bearbeiteten Positivfällen und fast 19 000 ermittelten engen Kontaktpersonen gegenüber. Da geht mir ein wenig die Relation verloren. Die Zufriedenen erhalten weniger Resonanz in der Öffentlichkeit, das liegt in der Natur der Sache und beschränkt sich ja nicht auf diesen Bereich unserer Arbeit.
Remelé: Wie im Landkreis finden auch in der Stadt Schweinfurt viele Aufklärungstelefonate mit den Bürgern statt. Und sie dauern erheblich länger, als das früher der Fall war. Wir merken allesamt, dass die Nerven in der Bevölkerung blanker liegen, als noch vor einem Jahr. Das ist normal, wenn eine Krise so lange dauert. Dementsprechend hat sich der Ton massiv verändert, verschärft. Beleidigungen und Beschimpfungen nehmen zu, was auch bei unseren Mitarbeitern Betroffenheit auslöst. Ich will uns nicht in Schutz nehmen, aber ich bitte um Verständnis, dass derzeit Abläufe aus besagten Gründen länger dauern können. So etwas kann auch Spuren in einer von Menschen geführten Verwaltung hinterlassen.
Töpper: Dem möchte ich mich gerne anschließen. Noch ein Wort zum Thema Gerüchte: Es ist für alle enorm strapaziös, immer wieder Behauptungen zu begegnen, die in der Gegenwirklichkeit der Sozialen Medien schnell an enormer Breitenwirkung gewinnen. Was auf der Strecke bleibt ist allzu oft das Positive, das was an Gutem erreicht und vor allem mit Blick auf die Todeszahlen im internationalen Vergleich verhindert wurde.
Muss man sich wundern? Es läuft so vieles falsch, darüber könnte man Bücher schreiben! Von politischer Seite aus wird alles "schöngeredet". Das beste Beispiel ist dieses Doppelinterview! Dabei kann man mit Landrat Töppfer oder Oberbürgermeister Remelé fast noch Mitleid haben. In diesem großen unwürdigen Spiel sind das die beiden letztlich auch nur Bauern die auf dem Schachbrett herumgeschoben werden.
Ich glaube vieles wäre besser wenn der ein oder andere Politiker angesichts dieser größten Herausforderung seit der Nachkriegszeit in Deutschland ein wenig Demut zeigen würde.
Bei manchen Politiker könnte man allerdings eher den Eindruck gewinnen, dass sie sich weitere zehn Jahre Pandemie wünschen.
Bei 6 Notenstufen würde ich eher auf 4 setzen.
Wie war der Satz mit Eigenlob noch einmal?
Und noch einmal: An der wahnwitzigen und völlig irregeleiteten Arbeitsteilung im GA mit vier verschiedenen Bearbeitungszuständigkeiten für jeden einzelnen Fall erkennt man überdeutlich: Verwaltungsjuristen können bestimmt viele Paragraphen herunterbeten. Von Arbeitsorganisation verstehen die allerdings rein gar nichts. Wurscht.
Liebe Politiker der Stadt und des Landkreises Sw.... träumt weiter