Die seit Wochen hohen Corona-Fallzahlen haben in Teilen der Bevölkerung das Vertrauen ins Schweinfurter Gesundheitsamt schrumpfen lassen. Auch die im April verzögert gemeldeten Fallzahlen, die zu einer verzerrten RKI-Inzidenzberechnung führten, waren ein gefundenes Fressen für viele Kritiker. Nun gerät das Gesundheitsamt erneut in die Schusslinie. Denn positiv auf Corona getestete Schweinfurter erheben schwere Vorwürfe gegen die Behörde.
Unbestritten ist, dass die Mitarbeiter im Gesundheitsamt Schweinfurt in Zeiten der Pandemie alle Hände voll zu tun haben. Ihren Einsatz und Engagement lobten erst kürzlich sowohl Landrat Florian Töpper als auch die Schweinfurter Stadtverwaltung. Immer wieder betont das Gesundheitsamt, die Isolierung von Infizierten sowie die zeitnahe Nachverfolgung ihrer Kontakte sei gewährleistet. Doch genau dem widersprechen nun einige Schweinfurter, die bereits am Coronavirus erkrankten und die dem Gesundheitsamt Überforderung attestieren.
"Ich hätte sage und schreibe fünf Tage etliche Menschen anstecken können"
Einer von ihnen ist Klaus Meder. Der 62-jährige Schweinfurter ist sich sicher, dass die Arbeitsweise des Gesundheitsamtes mitverantwortlich für die hohen Inzidenzwerte in der Region sei. Als er an einem Freitag im April ein positives PCR-Testergebnis erhielt, begab er sich laut eigener Aussage "sofort" in häusliche Quarantäne. "Am Samstag informierte ich von mir aus das Gesundheitsamt Schweinfurt über mein Testergebnis", so Meder. Es sei ihm dabei erklärt worden, dass er sich so lange im öffentlichen Raum bewegen könne, bis das Gesundheitsamt ihn kontaktiere, erzählt Meder.
Dabei sei ihm sogar gesagt worden, dass seine sich eigens auferlegte Quarantäne nicht notwendig sei. Drei Tage später, erzählt der 62-Jährige, habe er das Gesundheitsamt nochmals über sein positives Testergebnis informiert. "Wieder die gleiche Antwort: 'Sie müssen abwarten, bis wir sie anrufen'", erinnert sich Meder. Am Mittwoch habe sich das Gesundheitsamt dann schließlich bei ihm gemeldet und ihn über die Quarantäneverordnung informiert. "Ich hätte sage und schreibe fünf Tage etliche Menschen anstecken können, obwohl das Gesundheitsamt über meinen positiven Test informiert war", staunt Meder.
Wurde zu spät nach Kontaktpersonen gefragt?
Die Aussage des Gesundheitsamtes, wonach alle positiv Getesteten spätestens nach 24 Stunden kontaktiert werden, "klingt wie der blanke Hohn für mich", betont der 62-Jährige. So bekomme Schweinfurt die Pandemie nie in den Griff, da helfe auch keine Verschärfung der Ausgangsperre, sagt Meder. Und er setzt noch eine Schippe drauf: "Der Höhepunkt des Ganzen war, dass die Anrufer zunächst keine Angaben zu Kontaktperson von mir wissen wollten." Meder zeigt Verständnis für das hohe Arbeitspensum des Gesundheitsamtes. "Unverständlich ist aber der leichtfertige Umgang, trotz vorliegender Informationen, mit infizierten Personen." Deshalb müsse sich dringend etwas ändern.
Klaus Meder ist mit seiner Kritik nicht alleine. Weitere Leserinnen und Leser meldeten sich bei der Redaktion und berichteten von ähnlichen Erfahrungen. Eine Frau bezeichnete es etwa als "lachhaft", dass das Gesundheitsamt betone, die Kontaktverfolgung stehe an erster Stelle. In ihrem Fall habe sich das Gesundheitsamt erst am siebten Tag nach dem positiven Corona-Testergebnis bezüglich der Quarantäne gemeldet. Erst nach zwei Wochen sei sie dann nach Kontaktpersonen befragt worden. Weitere Hinweise liegen der Redaktion vor, die auf Probleme bei der Isolierung und Kontaktnachverfolgung von Infizierten hindeuten. Doch führten vereinzelte Fehler zu solchen Pannen oder gibt es generelle Überlastungsprobleme im Gesundheitsamt?
Gesundheitsamt Schweinfurt spricht von Ausnahmen
Von Überlastung will Landrat Florian Töpper nicht sprechen und verweist auf 150 Personen, die im Gesundheitsamt auch für die Kontaktnachverfolgung zuständig sind. Auch auf die scharfe Kritik der CSU reagierte er kürzlich deutlich und verteidigte die gute Arbeitsleistung im Gesundheitsamt. Man habe bereits personell aufgestockt, um weiter eine konsequente Bearbeitung zu gewährleisten. Auf Nachfrage der Redaktion stellte der kommissarische Leiter des Gesundheitsamtes, Matthias Gerhrig, klar, dass die angesprochenen Fälle vorkommen könnten, es sich dabei aber um Ausnahmen handele. Hierfür gebe es mehrere Gründe. So sei etwa die Schnelligkeit der Nachverfolgung abhängig von der Anzahl der eingehenden positiven Befunde. Alle Fälle müssten abgearbeitete werden, jedoch sei auch die Arbeitszeit der Mitarbeiter endlich. Gibt es also sehr viele Fälle an einem Tag, könne dies durchaus mal zu Verzögerungen führen.
Allerdings, erklärt Gehrig, sei es grundsätzlich unproblematisch, wenn ein positiv Getesteter erst einen Tag später kontaktiert werde, da er sich laut Allgemeinverfügung und nach Aufklärung durch den Testenden ohnehin selbstständig in Isolation zu begeben habe. Im Gesundheitsamt seien verschiedene Aufgabengebiete organisiert, die nacheinander abgearbeitet würden. So werde ein positiv Getesteter zunächst nur kontaktiert, um Fragen zu Symptomen und Testung zu beantworten. Erst danach melde sich ein sogenannter Kontaktpersonenerheber beim Infizierten, um nach dessen Kontakten zu fragen.
Probleme mit falschen Personendaten
Danach wiederum würden die Kontaktpersonen nacheinander kontaktiert und in Quarantäne geschickt, bekommen einen Testtermin und werden anschließend von einer dritten Einheit betreut. Eine vierte Arbeitskraft kümmert sich dann darum, dass alle Beteiligten eine schriftliche Bescheinigung der Quarantäneverordnung zugemailt bekommen. Die vielen Arbeitsschritte führten in der Regel allerdings nicht zu solch langen Verzögerungen wie anfangs beschrieben.
Laut Gehrig sei ein weiterer Grund dafür, dass manch positiv Getestete erst verspätet informiert werden, fehlende Daten. Demnach komme es immer wieder zu Schwierigkeiten durch falsche Schreibweisen, falsche Geburtsdaten oder fehlende Adressen und Telefonnummern. So sei es vereinzelt schwierig, Personen überhaupt zu erreichen. In diesen Fällen müsse dann die Polizei helfen und betroffene Personen zuhause aufsuchen, damit sie sich beim Gesundheitsamt melden. Gesundheitsamt, Landratsamt und Stadt Schweinfurt appellierten daher erneut an die Eigenverantwortung der Bürger.
bis vor zwei Jahren gewusst
was ein Gesundheitsamt so macht?