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Schweinfurt
"Go&Change"-Prozess in Schweinfurt: Anwälte befragen mutmaßliches Opfer erneut, Gericht verliest Chats aus Sex-Forum
Am Donnerstag musste die 30-Jährige, die Kai K. misshandelt und vergewaltigt haben soll, noch einmal vor Gericht. Der Angeklagte ergriff dabei erstmals das Wort.
Prozess gegen Kai K., den Kopf der Gemeinschaft 'Go&Change', vor dem Landgericht Schweinfurt: Der Angeklagte (rechts) mit seinem Verteidiger Hubertus Werner (Zweiter von rechts) und weiteren Anwälten.
Foto: ArchivThomas Obermeier | Prozess gegen Kai K., den Kopf der Gemeinschaft "Go&Change", vor dem Landgericht Schweinfurt: Der Angeklagte (rechts) mit seinem Verteidiger Hubertus Werner (Zweiter von rechts) und weiteren Anwälten.
Benjamin Stahl
,  Christine Jeske
 und  Lisa Marie Waschbusch
 |  aktualisiert: 28.05.2024 02:57 Uhr

Als Kai K. am 16. Verhandlungstag darum bittet, selbst etwas sagen zu dürfen, ist es ganz ruhig im Sitzungssaal 6 des Landgerichts Schweinfurt. Sein Blick geht direkt zu der jungen Frau, die er zwischen dem 10. und 17. Mai 2023 mehrmals vergewaltigt, geschlagen und bis zur Bewusstlosigkeit gewürgt haben soll. "Mir tut das schrecklich leid, wie das eskaliert ist. Aber wir hatten auch schöne Zeiten", sagt er dann. Die 30-Jährige nimmt die Worte regungslos entgegen und verlässt den Raum.

Vorher musste die junge Frau im Verfahren gegen ihren ehemaligen Lebensgefährten auf Antrag der Verteidigung erneut in den Zeugenstand. Was denn überhaupt der Grund dafür sei, wollte Staatsanwältin Melanie Roth wissen. "Weil sich aufgrund ihrer Ausführungen und der des psychiatrischen Sachverständigen die Notwendigkeit einer ergänzenden Befragung ergeben hat", antwortete Verteidiger Hubertus Werner.

Die Vorsitzende Richterin Claudia Guba wies darauf hin, "nicht dasselbe noch einmal durchzunudeln, nur um schönere Antworten zu bekommen". Die 30-Jährige hatte schließlich schon zu Beginn des Verfahrens, das am 19. Februar gestartet war, eine umfassende, mehrstündige Aussage gemacht, in der sie ihre Version des Geschehenen erzählte.

Verteidigung hatte Fragen zu den ersten Tattagen

Besonders das Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen hatte bei der Verteidigung des 42-jährigen Angeklagten Anfang dieser Woche für Unmut gesorgt. Der Gutachter diagnostizierte dem Kopf der Gemeinschaft "Go&Change" eine drogeninduzierte Psychose und eine Substanz-Konsum-Störung, also eine Art Drogenabhängigkeit. Zumindest ab einem nicht bestimmbaren Zeitpunkt am 16. Mai 2023 sieht der Sachverständige Kai K. als schuldunfähig an. Für die mutmaßlichen Taten davor erfülle er die Kriterien der Schuldunfähigkeit nicht, erklärte der Gutachter.

"Sie labern vor sich hin."
Anwalt Hubertus Werner in Richtung Staatsanwaltschaft

Und so stürzte sich die Verteidigung in der erneuten Befragung der jungen Frau auf den Zeitraum vor jenem 16. Mai 2023. Ob und wann vor diesem Tag Drogen genommen wurden, wollten die Anwälte wissen. Ob sie damals an Kai K.s Sohn herangetreten sei und ihm gesagt habe, sie wolle ihm und dem 42-Jährigen etwas antun. Ob sie das Codewort "Blue Moon" genannt habe, um Kai K. beim Sex zu vermitteln, dass sie nicht mehr wolle. Und ob sie sich an jenem Tag "vergewaltigt gefühlt" habe. 

Anwalt fährt aus der Haut

Die Befragung wurde hitziger, Richterin Guba unterbrach die Vernehmung mehrfach. Auch Staatsanwältin Melanie Roth erklärte von der Verteidigung gestellte Fragen immer wieder als bereits beantwortet. Für einen Moment verlor Werner die Selbstbeherrschung, ging Guba und Roth mit lauter Stimme an, wetterte in Richtung Staatsanwältin: "Sie labern vor sich hin." Die Richterin bemühte sich daraufhin um Deeskalation.

Die junge Frau im Zeugenstand forderte Anwalt Werner indes auf, sich bei ihren Antworten "etwas mehr Mühe zu geben". Die entgegnete prompt: "Sie haben keine Ahnung, was es bedeutet, hier zu sitzen."

In der Vernehmung ging es auch um eine Online-Erotik-Plattform, auf der die 30-Jährige gemeinsam mit Kai K. einen Paar-Account gehabt haben soll. Mit diesem soll sie sich zum Sex mit anderen Männern verabredet haben. Während sie behauptete, sie habe sich nie ohne Einwirken ihres Ex-Partners mit Männern getroffen, will die Verteidigung mit den Chats beweisen, dass sie gewaltvollen Geschlechtsverkehr gefordert und "keine Grenzen gekannt" habe, wie es mehrere Zeugen aussagten.

Gericht verliest Chats aus Sex-Forum

Im weiteren Verlauf der Verhandlung verlas das Gericht am Donnerstag mehrere Stunden lang die entsprechenden Chats. Darin ging es vor allem um Sex-Treffen mit anderen Usern aus ganz Nordbayern. Wiederholt wurden dabei Vergewaltigungsphantasien ausgetauscht. Wer die Nachrichten verfasst hat - die 30-Jährige selbst oder der Angeklagte -, ist unklar.

Der Prozess wird am Freitag, 24. Mai, fortgesetzt.

 
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Kommentare
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  • Marek Winkel
    Ja genau. Schuldunfähig, paar Wochen Psychiatrie und weiter gehts. Die arme Frau und die armen verbleibenden Sektenmitglieder. Eine Schande, wie wenig Vergewaltiger und Psychogurus vor Gericht zu befürchten haben.
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  • Ute Schlichting
    Genau,Opfer x mal vor Gericht zerren. Kein Wunder das viele keine Anzeige machen. Mehr darf ich LEIDER nicht sagen.
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  • Peter Koch
    Mein Mitleid mit den erwachsenen Opfern des Kai K. hält sich allerdings in Grenzen. Die waren oder sind allesamt freiwillig Mitglieder von Go&Change.
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