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Schweinfurt
Glosse Zeug gibt's: Wo Schüler schreien und Anwälte nichts verstehen
Der Prozess gegen vier Angeklagte wegen des Einsturzes der Talbrücke Schraudenbach auf der Autobahn 7 läuft seit Wochen in der Stadthalle. Mit Widrigkeiten.
Das Schweinfurter Justizzentrum (Archivbild aus 2021) wird derzeit neu gebaut und erweitert. Deswegen sind viele Prozesse in andere Gebäude ausgelagert, unter anderem die Stadthalle.
Foto: Anand Anders | Das Schweinfurter Justizzentrum (Archivbild aus 2021) wird derzeit neu gebaut und erweitert. Deswegen sind viele Prozesse in andere Gebäude ausgelagert, unter anderem die Stadthalle.
Oliver Schikora
 |  aktualisiert: 09.02.2024 01:46 Uhr

Richterinnen oder Richter, Justizangestellte, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte, Verteidigerinnen und Verteidiger oder die Angeklagten – seit Jahren ist das Arbeiten in der Schweinfurter Justiz bedingt durch den Neubau des Justizzentrums, immerhin der derzeit teuerste Neubau in Bayern mit über 60 Millionen Euro, erschwert.

Im Sommer lässt man lieber die Fenster im Sitzungssaal zu, damit man vor lauter Baulärm rund um das altehrwürdige Gerichtsgebäude in der Schweinfurter Rüfferstraße nicht Gefahr läuft, sein eigenes Wort nicht zu verstehen. Das kann ja vor allem vor Gericht manchmal nicht so ganz günstig sein, wenn die entscheidende, entlastende Aussage wegen lauten Hämmerns, Bohrens oder Klopfens nicht gehört wurde.

Die Schweinfurter Justiz sehnt das Ende der Bauarbeiten herbei, der Rohbau wächst und gedeiht auch, aber es wird noch einige Jahre dauern, bis alles im neuen Glanz erstrahlt. Bis dahin heißt's Ausweichen, entweder in Räume in der Theresienstraße, über deren Qualität man geteilter Meinung sein kann.

Oder in die Stadthalle, wenn's die ganz große Nummer ist. Da findet derzeit der Prozess gegen vier Angeklagte statt, die wegen des Einsturzes eines Teils der Talbrücke Schraudenbach der Autobahn 7 in der Nähe des Autobahndreiecks Werneck im Juni 2016 vor Gericht stehen. Der Prozess ist komplex, wird bis Anfang April dauern. Die Frage der Verantwortung der Angeklagten für den Einsturz, bei dem ein Bauarbeiter starb und 14 teils schwer verletzt wurden, zu klären, wird sicher nicht einfach für das Gericht.

Dazu kommen Widrigkeiten, mit denen man spontan nicht rechnet. Dass Anwälte der Angeklagten mit allen möglichen Winkelzügen versuchen, das Beste für ihre Klienten herauszuholen, gehört zu ihrem Job und ist für die Vorsitzende Richterin Routine. Auch, dass man zum Beispiel Gutachter immer wieder ermahnen muss, lauter und vor allem ins Mikrofon zu sprechen – die Stadthalle ist groß.

Trotz aller notwendigen Ernsthaftigkeit in der Verhandlungsführung konnten sich die Prozessbeteiligten in der vergangenen Woche aber auch ein Schmunzeln abringen. Denn kaum ist's kurz nach 12 Uhr, geht's in diesem Prozess nicht mehr nur um die Turmjoche, Doppeljoche, Gerüstkupplungen, DIN-Normen, globale statische Berechnungen oder Ingenieurs-Verträge. Sondern um Kindergeschrei.

Genauer die Schülerinnen und Schüler der an die Stadthalle angrenzenden Körnerschule, für die die Mittagsbetreuung beginnt. Trotz Trennwand gut vernehmbares Klappern mit Besteck und Tellern, lautes Stimmengewirr von Schülerinnen und Schülern, die halt genau das tun, was man eben in diesem Alter so tut, nach einem anstrengenden Vormittag auf der Schulbank. Und eine Lehrerin, deren strenge Hand bemerkenswert ist: Ein lautes "Ruhe" und mucksmäuschenstill ist's auf der anderen Seite der Wand.

Dennoch war's sicher eine gute Idee, die Mittagspause im Gerichtsprozess den Essenszeiten der Körnerschule anzupassen, denn lustig ist es für keinen Beteiligten, wenn hinter einem die Schülerinnen und Schüler toben und man gleichzeitig einem für den weiteren Prozessverlauf entscheidenden Gutachten seine volle Aufmerksamkeit widmen soll.

 
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