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Schweinfurt
Nitrat: Große Bereiche des Landkreises auf der Roten Karte
Stickstoff fördert das Pflanzenwachstum. Überschüssiger Dung wird ausgewaschen und landet als Nitrat in den sowieso schon überdüngten Flüssen, Seen und im Grundwasser.
Hoch ist die Nitratbelastung der Böden und des Grundwassers bei den intensiv genutzten Flächen der Landwirtschaft, etwa für den Gemüseanbau bei Sennfeld und Gochsheim.
Foto: Gerd Landgraf | Hoch ist die Nitratbelastung der Böden und des Grundwassers bei den intensiv genutzten Flächen der Landwirtschaft, etwa für den Gemüseanbau bei Sennfeld und Gochsheim.
Gerd Landgraf
Gerd Landgraf
 |  aktualisiert: 11.02.2024 23:29 Uhr

Die Rote Karte (Nitratkarte) der bayerischen Düngeverordnung weist Mainfranken als ein Hauptbelastungsgebiet aus. Für den Landkreis Schweinfurt sind vor allem Bereiche zwischen Euerbach und Holzhausen, die Flur rund um Vasbühl, der Gemüseanbau von Sennfeld und Gochsheim, landwirtschaftliche Flächen nördlich von Gerolzhofen bis zum Main, aber auch Gebiete rund um Unter- und Oberspiesheim, Gernach und Kolitzheim sowie größere Flächen jeweils südlich von Heidenfeld und Röthlein, von Oberschwarzach und Waigolshausen zu nennen.

Beim Trinkwasser ist bislang keine Überschreitung des EU-weiten Grenzwertes von 50 Milligramm pro Liter festgestellt. "Im Landkreis wurde wegen der Nitratbelastung kein Trinkwasserbrunnen geschlossen", sagte der Redaktion Andreas Kirchner, der beim Wasserwirtschaftsamt Bad Kissingen für Stadt und Landkreis Schweinfurt zuständig ist.

Nicht direkt schädlich

Nitrat an sich gilt für den gesunden Erwachsenen als nicht direkt schädlich, kann jedoch durch Darmbakterien zu Nitrit umgewandelt werden, das die roten Blutkörper angreift. Insbesondere werden Nitrosamine mit Krebserkrankungen in Zusammenhang gebracht. 

Alle Trinkwasserbrunnen stehen in Schutzgebieten.
Foto: Gerd Landgraf | Alle Trinkwasserbrunnen stehen in Schutzgebieten.

Grundwasser ist nicht gleich Grundwasser. Die Schächte der Trinkwasserbrunnen reichen bis in die unteren und damit in die weniger mit Fremdstoffen angereicherten Grundwasserstockwerke. Auch ist die Qualität der vielen Grundwasserkörper auf dem Gebiet des Schweinfurter Lands ähnlich unterschiedlich wie die der Oberflächenwasserkörper (Seen und Flüsse). Aufbau und Zusammensetzung der Böden wirken sich auf das Wasser aus, das auch vom Klima (Niederschläge, Temperatur) und von der Düngung der Böden durch die Landwirtschaft beeinflusst wird.

Der im letzten Sommer ausgetrocknete Unkenbach bei Schwebheim
Foto: Gerd Landgraf | Der im letzten Sommer ausgetrocknete Unkenbach bei Schwebheim

Die seit dem letzten Jahr gültige und von der Agrarwirtschaft vielfach kritisierte Düngeverordnung begrenzt den Einsatz von Gülle und Kunstdünger anhand der ermittelten und in die Rote Karte eingetragenen Nitratbelastungen. Dass der Landkreis Schweinfurt zu den Belastungsgebieten zählt, liegt auch am Wuchsgebiet der regenarmen Fränkischen Platte, da das von den Pflanzen nicht verbrauchte Nitrat vergleichsweise wenig verdünnt wird. Eine gänzlich exakte Dosierung bei der Düngung ist schon wegen den nicht vorhersehbaren klimatischen Wuchsbedingungen nicht möglich. Als rückläufig stuft Andreas Kirchner den Eintrag von Nitrat ins Grundwasser durch Kanäle und Kläranlagen (Sanierungen, technische Aufrüstung) ein . 

Quellen versiegen, Bäche trocknen aus

Andreas Kirchner bezeichnet das aus den stets geschützten Gewinnungsgebieten im Landkreis geförderte Trinkwasser als "von sehr guter Qualität". Während das Gesundheitsamt das "am besten geprüfte Lebensmittel" unter die Lupe nimmt, untersucht sein Amt neben dem Oberflächenwasser das Grundwasser, wobei die Anzahl der Messstellen aktuell wächst. Bis zum Jahr 2024 soll es bayernweit auf jeweils 5000 Hektar eine Grundwassermessstelle geben. Geschaut wird dort auf die Qualität, aber auch immer stärker auf die Quantität, denn seit Jahren versiegen Quellen und Bäche trocknen durch die sinkenden Grundwasserspiegel aus.

Der nahezu ausgetrocknete Jeusingsee im Naturerbegebiet Brönnhof steht für die Trockenheit auf der Fränkischen Platte.
Foto: Gerd Landgraf | Der nahezu ausgetrocknete Jeusingsee im Naturerbegebiet Brönnhof steht für die Trockenheit auf der Fränkischen Platte.

Gespannt ist man in Bad Kissingen stets auf die Ergebnisse nach dem Winter, denn nur in der kalten Jahreszeit und nur bei ausreichenden Niederschlägen erholen sich die Grundwasserstände. In der Wuchsperiode saugen die Pflanzen das Wasser auf, das bei steigenden Temperaturen in Zeiten der Klimaerwärmung zudem stärker verdunstet. Andreas Kirchner: "Mit den steigenden Temperaturen nimmt aber auch der private und gewerbliche Wasserverbrauch zu." So seien etwa die Wasserbecken für den heimischen Garten im letzten Sommer in den Baumärkten ausverkauft gewesen, was Kirchner auch auf den Urlaub im eigenen Garten während der Corona-Pandemie zurückführt.      

Widersprüchliche Ergebnisse

Am 16. Juni hatte der Verein VSR Gewässerschutz auf dem Schweinfurter Marktplatz 99 Proben aus privaten Hausbrunnen entgegen genommen und untersucht. Jede vierte Probe bescherte einen Nitratwert über 50 Milligramm je Liter. Vier Ergebnisse aus Brunnen in oder bei Geldersheim, Hirschfeld, Wipfeld und Röthlein lagen über 150 Milligramm. Andreas Kirchner hält diese Werte nicht für stichfest, da nichts über die Entnahme (Brunnenstandort, Entnahmestelle, Probenahme, Probenbehälter, Lagerung und manches mehr) bekannt sei.  Die qualitativ gesicherten Messstellen im Landkreis ergaben für Nitrat dagegen zwei bis über 100 Milligramm Nitrat je Liter. Diese Ergebnisse fließen in die Beurteilung der jeweiligen Grundwasserkörper ein und bestimmen über die Düngeverordnung die Vorgaben für die Landwirtschaft.  

 
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  • S. S.
    Wo zu viel Nitrat im Grundwasser ist, sind auch zu viele andere Schadstoffe nach denen nicht gesucht wird; von Keimen bis zu hormonell wirksamen Stoffen. Die gängige Landwirtschaft sollte schnellstens auf "Biologisch" umstellen. Natürlich müssten die Verbraucher dann mehr für die Lebensmittel zahlen, aber das sparen sie als Steuer- und Gebührenzahler wieder durch vermiedene Aufbereitungskosten für Trinkwasser und vermiedene Kosten für Krankheitsbekämpfung.
    Die Landwirte könnten alle umstellen, aber sie machen es nicht und deshalb sind sie für mich die Hauptverantwortlichen - nicht die Politiker und auch nicht die Verbraucher.
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  • S. S.
    Wo zu viel Nitrat im Grundwasser ist, sind auch zu viele andere Schadstoffe nach denen nicht gesucht wird; von Keimen bis zu hormonell wirksamen Stoffen. Die gängige Landwirtschaft sollte schnellstens auf "Biologisch" umstellen. Natürlich müssten die Verbraucher dann mehr für die Lebensmittel zahlen, aber das sparen sie als Steuer- und Gebührenzahler wieder durch vermiedene Aufbereitungskosten für Trinkwasser und vermiedene Kosten für Krankheitsbekämpfung.
    Die Landwirte könnten alle umstellen, aber sie machen es nicht und deshalb sind sie für mich die Hauptverantwortlichen - nicht die Politiker und auch nicht die Verbraucher.
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  • D. R.
    Sicher kann die Landwirtschaft nicht pauschal verantwortlich gemacht werden, dennoch ist es unstrittig das in der Summe die größten Einträge durch die Landwirtschaft verursacht sind. Das Problem in unserer Region sind stark expansiven Anbauflächen für Spargel und Co. (Sonderkulturen). Diese Entwicklungen sind weder für Grundwasserpegel noch Qualität verträglich.
    "Bauern düngen bestimmte sogenannte Sonderkulturen wie Spargel, Salat und Brokkoli sogar noch kurz vor der Ernte, wie das Umweltbundesamt erläutert. Allerdings nehme das Gemüse nicht all diese Nährstoffe auf, weshalb sie ins Grundwasser durchsickerten.
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  • M. M.
    ... natürlich wollen wir Bauern auch sauberes gutes Wasser und wollen unseren Beitrag leisten.
    Aber unverständlich ist mir die Einteilung der roten Gebiete. Es wird ja nicht jeder Acker überprüft, aber dennoch sind in unserer Gemarkung einzelne Äcker rot (und müssen alle auflagen für rote Gebiete erfüllen) und die daneben nicht. Wie kann dass sein?
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