Die Suche nach einem Endlager für hochradioaktiven Atommüll aus deutschen Kraftwerken beginnt neu: Nicht mehr Gorleben ist im Fokus, im ganzen Land wird nach einem geeigneten Standort geforscht. Neben Wissenschaftlern ist auch das Nationale Begleitgremium (NBG) damit betraut, das gesellschaftliche Aspekte der Endlagerung berücksichtigen soll. Bayerns früherer Ministerpräsident Günther Beckstein gehört dem Gremium an. Im Interview sagt der 80-jährige CSU-Politiker, was der Stand ist und was das Gremium leisten soll.
Günther Beckstein: Das Nationale Begleitgremium begleitet die Suche nach dem Endlager und soll dazu dienen, den gesamten Beteiligungsprozess der Öffentlichkeit zu überwachen und festzustellen, dass eine umfangreiche Öffentlichkeitsbeteiligung erfolgt. Es hat ein Auskunftsrecht, die Befugnis zur Akteneinsicht und zur Bestellung von Sachverständigen. Der Sinn ist, dass durch das Begleitgremium Vertrauen geschaffen wird, dass nur nach den Kriterien Wissenschaftlichkeit, Transparenz und Unparteilichkeit der optimale Standort für eine Entlagerung gefunden wird.
Beckstein: Im Moment ist das noch relativ wenig der Fall. Und zwar deswegen, weil es keine echte Betroffenheit gibt. Wir sind noch in der Phase eins. Dort haben wir die Teilgebiete festgelegt. Und das waren überraschenderweise mehr als 50 Prozent des gesamten Gebiets der Bundesrepublik Deutschland. Das heißt: Im Moment ist eigentlich noch fast die Hälfte aller Bundesbürger betroffen. Bedeutet aber im Ergebnis, dass sich niemand betroffen fühlt.
Beckstein: Im Moment werden noch 52 Prozent des Bundesgebietes untersucht auf die Wirtsgesteine Granit oder Salz oder Ton. Und man kann noch nicht sagen, wo dann weitere Untersuchungen stattfinden. Im Moment wird überlegt, dass die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE), die diese Arbeiten macht, jedes Jahr Gebiete ausschließt. 2027, wahrscheinlich aber erst später, sollen dann fünf bis zehn Gebiete bleiben, die erst obertägig untersucht werden, ob sie geeignet sind, und dann untertägig.
Beckstein: Im Moment interessieren sich nur relativ wenige Leute dafür - die aber sehr intensiv. Vor allem Menschen, die mit Gorleben zu tun haben, und von Verbänden. In wenigen Fällen auch Vertreter von Gemeinden, die annehmen, dass bei ihnen günstige geologische Voraussetzungen bestehen. Denn es soll ein Lager in 200 bis 500 Metern Tiefe werden, damit es einen geologischen Deckel hat als wirksamen Strahlenschutz. Wo es ein sehr, sehr stabiles geologisches Umfeld gibt, das für eine Million Jahre sicher ist.
Beckstein: Deutschland will das natürlich ganz perfektionistisch machen. Wir sagen: Es muss ein Endlager sein, das für eine Million Jahre sicher ist. Kein anderes Land der Welt hat diese Vorgabe. Das Verfahren soll wissenschaftsbasiert sein, transparent und nur nach sachlichen Kriterien ablaufen. Das Endlager soll kein politischer Kuhhandel werden. Dorthin, wo die Wissenschaftler sagen, dass dies der beste Standort ist, den es in Deutschland gibt, soll das Lager kommen. Das ist natürlich ein ungeheuer anspruchsvoller Weg. Ich selbst bin ein Kritiker, dass sich das Verfahren so extrem verzögert. Man kann nicht ein Verfahren planen, das über 80 bis 100 Jahre läuft. Andere Länder in Europa schaffen das schneller.
Beckstein: Richtig. Die Schweiz beginnt in Kürze mit dem Bau. Wir machen es perfektionistisch. Wir müssen zu einem Verfahren kommen, dass das Endlager spätestens in 50 Jahren in Betrieb geht.
Beckstein: Ohne Berücksichtigung von Klageverfahren und parlamentarischer Prozesse will die Bundesgesellschaft für Endlagerung zwischen 2047 und 2067 einen Standort vorschlagen, wo mit dem Bau begonnen wird. Nach meiner persönlichen Meinung wird das Endlager in diesem Jahrhundert sicher nicht mehr in Betrieb gehen. Nicht mal meine Enkel werden erleben, dass das Lager voll in Betrieb ist.
Beckstein: Die Stoffe sollten ja in zentrale Zwischenlager kommen. Aber es hat große Schwierigkeiten gemacht, sie zu errichten. Gorleben ist ein Beispiel dafür. Dann hat man 1998 gesagt, die Zwischenlager sollen dezentral an den Standorten der Atomkraftwerke sein. Damals ist man davon ausgegangen, dass die Zwischenlagerung 2045 bis 2050 endet. Durch die jetzige extreme Verlängerung des Verfahrens werden die Zwischenlagerstandorte problematischer, weil es länger dauert. Trotzdem ist aus meiner Sicht klar, dass ein Zwischenlager absolut sicher sein muss. Neue Genehmigungen dürfen nur gegeben werden, wenn alles Menschenmögliche getan ist, damit es keinerlei Gefahren durch Strahlung gibt, auch durch Nachrüstungen.
Wie der Herr Beckstein richtig vermutet wird wohl niemand von uns die Inbetriebnahme des Endlagers erleben. Also wird auch niemand betroffen sein.
Von den Zwischenlagern wären wir aber alle betroffen falls eines zerstört wird.