Ziel dieser kleinen Serie ist es, das Thema "Kirchenaustritt" nicht im Allgemeinen zu belassen, sondern zu zeigen, dass der Entschluss, aus der Kirche auszutreten, von den Frauen und Männern, die bereit war, über die Gründe ihres Austritts zu berichten, wohl überlegt war. Es wird deutlich, dass der Schritt, aus der Kirche auszutreten, nicht "einfach so" erfolgte, sondern aufgrund fundierter Überlegungen. Vielleicht sind die Gründe, die zum Entschluss führten, die Kirche zu verlassen, nicht für jeden nachvollziehbar - aber sie verdienen es, respektiert und geachtet zu werden. Und Gleiches gilt die Menschen, die bewusst in der Kirche bleiben und Kirche als Heimat betrachten.
Nähe zur Kirche änderte sich
Elke Dressel fühlt sich der Kirche verbunden, sie ist in vielfältiger Weise engagiert. Diese Nähe zur Kirche änderte sich im Laufe ihres Lebens aber immer wieder. "Meine Eltern waren eher kirchenfern, sie besuchten nur selten den Gottesdienst", antwortet Dressel auf die Frage, welche Personen ihr den Glauben vermittelt haben. "Meine Oma war im guten Sinn traditionell-katholisch. Sie hat mich zu den Gottesdiensten mitgenommen." Die Wallfahrten zur Kiliani-Woche nach Würzburg und zum Käppele sind ihr noch in guter, lebhafter Erinnerung.
Diese Selbstverständlichkeit der religiösen Vollzüge war für Elke Dressel selbstverständlich bis zu ihrer Erstkommunion. In der Jugendzeit blieb ihr der Bezug zur Kirche wichtig, weil ihre beste Freundin Kirchenmusikerin war. In Verbundenheit mit dieser Freundin nahm sie auch als Jugendliche öfter an Gottesdiensten teil. "Da waren wir in gewisser Weise Exoten, denn nur wenige Jugendliche in unserem Alter zwischen 15 und 20 waren da zu sehen." Wichtig für sie war der damalige Kuratus und Jugendseelsorger, Dr. Jürgen Lenssen: "Es hat mich angesprochen, wie Lenssen das Evangelium ausgelegt hat und wie er gedacht hat - aufgeschlossen und offen für die Welt."
Pflege der Oma als Grunderfahrung
Elke Dressel pflegte ihre Oma über zwei Jahre lang. Das war eine Erfahrung, die auf den erstens Blick mit dem Glauben gar nichts zu tun hat. Für sie war diese Erfahrung jedoch wesentlicher Beweggrund, Sozialpädagogik zu studieren:"Bei der Pflege meiner Oma habe ich gemerkt: Das kann ich, zu spüren, was andere brauchen, und ich kümmere mich gern darum." Im Rahmen des Studiums und der damit verbundenen praktischen Ausbildungselemente gab es immer wieder Verbindungen zu Institutionen in kirchlicher Trägerschaft.
"Als wir dann unsere Kinder bekamen, war ein relativer Bruch, da waren wir in die Gemeinde nicht eingebunden. Das änderte sich erst, als unser ältester Sohn in den Kindergarten kam. Durch die Feiern des Kindergartens im Jahreskreis, wie St. Martin, Kirchweih, Kindergottesdienste ist wieder eine Anbindung entstanden", erinnert sich Elke Dressel.
Arbeit mit Behinderten
Ihr Vorpraktikum bei der Offenen Behindertenarbeit des Diakonischen Werkes in Schweinfurt erschloss sich ihr die Verbindung zwischen der Sorge für andere Menschen, die sie bei der Pflege ihrer Oma schon als ihre Berufung erfahren hatte, zu ihrem Glauben: "Für mich wurde in dieser Zeit klar, dass die zentrale Botschaft des Glaubens die unbedingte Achtung und Wertschätzung des Menschen ist. So bin ich auch bei der Offenen Behindertenarbeit nach meiner Ausbildung kleben geblieben". Elke Dressel arbeitet in der Einzelbetreuung mit behinderten Menschen verschiedenster Schweregrade von Behinderung.
Ein Erlebnis bekam für Elke Dressel besondere Bedeutung: Sie wusch einem schwer behinderten Mann dessen schwer verformte Füße. "Da musste ich besonders vorsichtig sein, um ihm nicht wehzutun. Für mich hat sich bei diesem Dienst unmittelbar der Kreis zur Fußwaschung geschlossen, über die die Bibel berichtet, und an die am Gründonnerstag in der Liturgie der katholischen Kirche erinnert wird: Den Menschen die Füße zu waschen, für sie da zu sein - das ist ein Kern der Botschaft des Evangeliums. Durch dieses Erlebnis wurde bei mir eine Tür aufgestoßen, die vorher schon angelehnt war."
Mit dem Umzug von Familie Dressel nach Gernach verstärkte sich ihr Bezug zum Glauben weiter. Im Gernacher Kindergarten wurden die wichtigen Stationen des Kirchenjahres mit Kindern und Eltern erfahrbar gemacht; als Elternbeiratsvorsitzende war sie natürlich an diesen Überlegungen mit beteiligt, und sie machte es zunehmend mehr zu ihrem Anliegen, den Kindern den Glauben in einer kindgemäßen Form zu vermitteln. "Meine erste öffentliche Rede als Elternbeiratsvorsitzende hielt ich bei der Einweihung des Gernacher Kindergartens im Jahr 1993- die werde ich auch nie vergessen."
Dann kam KOMM-IN dazu, die Kommunikationsinitiative für Offene Jugendarbeit in der Großgemeinde Kolitzheim, an deren Gründung Elke Dressel maßgeblich beteiligt war. "Da haben wir von Anfang an die Verbindung zur Kirche gesucht", blickt sie Dressel zurück. Eher zufällig kam es dann dazu, dass Elke Dressel ein Weihnachtsspiel mit den KOMM-IN-Kindern einübte.
Aktiv in der Firmvorbereitung
Auch aus dem Wunsch heraus, die Jugendlichen dabei zu begleiten, eine auch im Erwachsenenalter tragfähige Form des Glaubens zu finden, hat sie dann die Firmvorbereitung für die Klassenkameraden und -kameradinnen ihres Sohnes übernommen. Dem damaligen Pfarrer von Unterspiesheim, Georg Hartmann, ist sie dankbar für das Konzept zur Firmvorbereitung, das er ihr damals überlassen hat: "Das fand ich richtig gut, mit den Jugendlichen zu arbeiten."
Für Elke Dressel war die gute Beziehung zu Personen, deren Glauben lebendig war, immer wichtig: "Christina Back sprach mir Mut zu, für die Kirchenverwaltung zu kandidieren. Angelina Weis war in vielfältiger Weise in der Gemeinde engagiert, ihr Einsatz für andere war getragen von ihrem Glauben. Das hat mich sehr beeindruckt und gestärkt. Pfarrer Hartmann hat mir jedes Jahr das Buch "Mit der Bibel durch das Jahr" geschenkt. Noch heute lese ich jeden Tag den Abschnitt aus der Bibel und die Gedanken dazu, bevor ich aus dem Haus gehe."
Angelina Weis war es auch, die Elke Dressel ermutigte, die Weiterbildung zur Gottesdienstbeauftragten zu machen. "Die Begegnung mit Johanna Niklaus, die diese Weiterbildung leitete, ist mir heute noch wertvoll. Auch sie lebte ihren Glauben lebendig, überzeugend, das war für mich sehr spürbar und ermutigend. Bei ihr habe ich mich gut aufgehoben gefühlt".
Andere Formen des Glaubens
Gottesdienstbesuche, Meditativer Tanz, Fahrradwallfahrt nach Vierzehnheiligen, die Gespräche mit den älteren Menschen, denen sie die Heilige Kommunion bringt, die Wortgottesfeiern für die Erwachsenen und die Kinder im Rahmen von KOMM-IN, ihr Einsatz in der Nachbarschaftshilfe sind für Elke Dressel Konkretisierungen ihres Glaubens. "Ich kann die Gemeinschaft des Glaubens auch mit Menschen erleben, deren Glauben sich in Formen ausdrückt, die ich nicht wählen würde. Aber mitzuerleben, dass der gemeinsame Glaube uns jenseits der Form verbindet, gibt mir sehr viel."
Zur aktuellen Kirchenkrise hat Elke Dressel eine klare Meinung: "Man muss die hausgemachten Kirchenprobleme trennen von der Botschaft Jesu, vom Glauben. Die unbedingte Würde jedes Menschen, und die Verpflichtung, die aus dem Glauben erwächst, sich um die Menschen in Not zu kümmern, ihnen sozusagen die Füße zu waschen, ist für mich die zentrale Botschaft Jesu. Niemand kann die Welt retten, aber jeder kann an seinem Platz den Menschen, mit denen man zu tun hat, mit Wohlwollen begegnen, und ihre Würde achten."
"Nicht immer nur alte Männer"
Was müsste sich ändern in der Kirche, damit die Kirche wieder auf mehr Akzeptanz stößt? "Dass nicht immer nur alte Männer das Sagen haben, das ist das größte Problem. Wenn Leute, die mitten im Leben stehen, mehr Entscheidungsträger wären, würde sich viel ändern, dann würde man nicht nur auf die Männer setzen. Wenn die Frauen wegbrechen, würde vieles zusammenbrechen. Ihrem prägenden Beitrag zum Leben der Kirche in den Gemeinden müsste viel deutlicher die Beteiligung an der Verkündigung, an der Mitwirkung an Entscheidungen entsprechen."
Wichtig sei zudem die Abwendung von Strukturen, die Hinwendung zum Menschen. "Die Welt ist nicht mehr so wie vor zweitausend Jahren, sie ändert sich dauernd, und darauf muss Kirche reagieren. Spirituell interessiert sind viele Leute, das sieht man auch bei Wallfahrten. Aber sie sehen ihre spirituelle Heimat nicht mehr in der Kirche. Hier Menschen so anzusprechen, dass sie in der Gemeinschaft der Glaubenden wieder eine Heimat finden können, das ist eine zentrale Aufgabe."