Wer in Gerolzhofen essen gehen will und die gutbürgerliche Küche schätzt, der kommt am Brauerei-Gasthof Weinig nicht vorbei. Das Traditionsgasthaus in der Rügshöfer Straße ist eines der wenigen, noch verbliebenen und urigen fränkischen Lokale: mit gemütlicher Atmosphäre, hellen Holztischen, die in den Frankenfarben Rot-Weiß, aber auch mit blau-weißen Bayern-Rauten eingedeckt sind.
Inmitten des Gastraums steht ein Kachelofen, an holzvertäfelten Wänden hängen Geweihe neben Lebensweisheiten und historischen Fotos einiger Familienmitglieder, die über vier Generationen das Haus geprägt haben. Dass es mit dieser langen Gasthaus-Familiengeschichte bald vorbei sein wird, das steht für Claudia und Paul Wehner nun aber fest.
Personalmangel als Hauptgrund
"Eine Ära geht zu Ende", mit diesen Worten hat das Ehepaar kürzlich auf seiner Internetseite und im sozialen Netzwerk Facebook das nahende Ende angekündigt. Die Nachricht von der Schließung wurde dort vielfach mit Bedauern und Wehmut aufgenommen.
Es ist eine Entscheidung, die über Monate gereift ist. Und bei den Wehners zugleich ein Wechselbad der Gefühle ausgelöst hat. "Manchmal könnte man heulen", sagt Claudia Wehner und gibt einen Einblick in ihr aktuelles Seelenleben. "Und dann wieder ist die Entscheidung nachvollziehbar."
Zum Jahresende wird die Gastwirtschaft der Vergangenheit angehören. Letzter Öffnungstag wird der Zweite Weihnachtsfeiertag sein. Danach ist Schluss, dann werden die Türen für immer geschlossen bleiben. Das ist die Entscheidung in Kurzform, das sind die reinen Fakten.
Zur Langversion gehören die Gründe, warum sie ihren beliebten Gastronomiebetrieb nicht mehr weiterführen wollen. Der Hauptgrund findet sich auf besagter Gasthaus-Homepage direkt über der Abschiedsansage. Dort wird auf "personelle Engpässe" hingewiesen und dass der Gasthof Weinig an Sonntagen derzeit nur noch bis 15 Uhr geöffnet ist.
Entscheidung steht seit etwa zwei Monaten fest
Zu Höchstzeiten, berichtet Paul Wehner bei einem Gespräch mit der Redaktion, habe man bis zu 15 Mitarbeiter beschäftigt. Zuletzt sind es nur noch neun gewesen, darunter einige Aushilfen und in Teilzeit.
"Die Arbeit für uns beide wird immer mehr", klagt er. Zuletzt musste er immer häufiger überlegen, ob das verbliebene Weinig-Team eine Festgesellschaft und größere Feier überhaupt noch stemmen kann.
Als vor zwei Monaten, nicht zum ersten Mal in letzter Zeit, wieder einmal eine Neueinstellung "nicht funktioniert" habe, trafen beide die folgenschwere Entscheidung. "Das war der letzte ausschlaggebende Punkt, damit man sagt: Es reicht jetzt."
Dabei sind sie ihren Angestellten äußerst dankbar für das Geleistete. Es sei ein großartiges Team, "das mit Leidenschaft und Engagement jeden Tag dafür gesorgt hat, dass sich unsere Gäste bei uns wohlfühlen", heißt es auf der Homepage. Alle tatkräftigen Helfer werden ausdrücklich gelobt, darunter die Hauswirtschafterin Irma, die Küchenfee Marianne und der langjährige Koch Michael. Manche sind fast 25 Jahre beschäftigt.
Aber Paul Wehner weiß auch: "Man hat auch Verantwortung für seine Mitarbeiter. Und man kann so einen Betrieb nicht dauerhaft mit nur einem Koch führen." Geschockt, aber auch mit Verständnis hätten die Mitarbeiter auf die Nachricht reagiert, gibt das Paar zu. Man habe allen angeboten, bei der Suche nach einem neuen Job behilflich zu sein, falls es nötig sein sollte.
Zusätzlich hätten nach der Pandemie die allerseits steigenden Kosten, ob für Energie oder den Einkauf, sowie Steuerlast die Situation des Gasthofes erschwert. Diese Preisspirale lässt sich laut Wehner nicht einfach eins zu eins auf die Gäste umlegen. "Wir sind nicht in Volkach und können hier in Gerolzhofen nicht so viel wie dort verlangen."
Anfänge des Gasthofs mit Brauerei reichen 200 Jahre zurück
Damit endet zum Ende des Jahres eine über 200 Jahre währende Gasthaus-Historie der Familie Weinig, die einst Michael Weinig begründet hatte. Und die auch eine lange Geschichte einer eigenen Brauerei aufweist, was sich heute noch im Namenszusatz "Brauerei-Gasthof" wiederfindet.
Weinig bekam 1803 die Konzession zum Bierbrauen, später erlernen die Söhne Johann und Michel das Handwerk des Büttners und Bierbrauers und führen die hauseigene Brauerei fort.
Wie weit die Geschichte des Gasthauses zurückreicht, ist heute nicht mehr genau zu datieren. In dem von Hans Koppelt und dem Historischen Verein herausgegebenen Buch über alle Brauer und Braustätten in der Stadt (Buchreihe "de geroldeshova") heißt es zum Jahr 1829, dass der Erwerb des Gasthauses zur Lilie in der Rügshöfer Straße sich nicht datieren lässt, aber zu diesem Zeitpunkt wohl längst erfolgt gewesen sei.
Wehner gehört zur vierten Generation. Im Jahr 2007 übernahm er den Gasthof, hat selbst noch das Brauhandwerk in Schweinfurt erlernt und ist Braumeister; doch der letzte Sud im Haus wurde 1999 angesetzt, unter der Führung seiner Eltern Mathilde Wehner und Paul Wehner Senior.
Der Namenszusatz, der auf die Brauerei hinweist, blieb dennoch erhalten. Weil bis heute Weinig-Bier gebraut wird, jedoch im Lohnbrauverfahren bei den Brauereien Roth in Schweinfurt und Kesselring in Marktsteft. Der Getränkeverkauf wird übrigens noch über das Jahresende weitergehen, mit einem Abverkauf bis in den Mai hinein.
Schon einige Jahre eingestellt haben Claudia und Paul Wehner ihren Service für Festveranstalter, die sie mit bis zu 250 Sitzbankgarnituren belieferten. Auch der eigene Bierstand am Gerolzhöfer Weinfest sowie bei den Frühlings- und Herbstfesten gehört schon länger der Vergangenheit an. 2015 wurde letztmals ein Oktoberfest im Hof des Anwesens mit einem Festzelt gefeiert.
Nachfolger gesucht, ansonsten gibt es einen Flohmarkt
Die Hoffnung, vielleicht doch einen Nachfolger zu finden, der das Lokal pachtet, hat das Ehepaar noch nicht ganz aufgegeben. Interessenten könnten sich jederzeit an sie wenden. Bis März gibt sich Wehner dafür Zeit, dann wird er einen kompletten Schlussstrich ziehen. Angedacht ist, auf einem hauseigenen Flohmarkt das gesamte Inventar der Gastronomie zu verkaufen.
Welche Pläne haben die Wehners für die Zukunft? "Ich möchte jetzt erst einmal alles ordnungsgemäß übergeben", sagt Paul Wehner. Danach habe er die Gedanken frei, um neue Wege zu gehen. Für ihn und seine Frau steht trotz des Gasthof-Endes eines fest: "Wir schauen positiv in die Zukunft."