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Schweinfurt
Ein Zollbeamter als Gehilfe eines militanten Neonazis: Welche Verbindung gibt es in die Region Schweinfurt?
Ein Zollbeamter aus dem Landkreis Schweinfurt gab Adressen weiter und kam letztlich glimpflich davon. Warum die lokale Fußballszene eine Rolle spielt.
Ein Zollbeamter soll im FC05-Gruppen-Chat geprahlt haben, er könne ganz einfach Adressen abrufen. Als der Fall ans Licht kam, gab es Durchsuchungen bei ihm privat und auf dessen Dienstelle in Kitzingen. (Symbolbild)
Foto: Jens Büttner | Ein Zollbeamter soll im FC05-Gruppen-Chat geprahlt haben, er könne ganz einfach Adressen abrufen. Als der Fall ans Licht kam, gab es Durchsuchungen bei ihm privat und auf dessen Dienstelle in Kitzingen. (Symbolbild)
Steffen Krapf
 |  aktualisiert: 08.02.2024 12:07 Uhr

Es passierte, was nicht hätte passieren dürfen: Die Adresse eines Journalisten gelang trotz Auskunftssperre in die Hände eines gewaltbereiten Neonazis. Verantwortlich dafür war ein Zollbeamter aus dem Landkreis Schweinfurt, der den Neonazi aus der Fußballfanszene des FC05 Schweinfurt kannte. Die Täter kamen glimpflich davon, der Journalist spricht von einem Justizskandal.

Über den Fall berichteten zuerst der Bayerische Rundfunk und die "Zeit". Im Juni dieses Jahres sollte es zur Verhandlung am Amtsgericht Kitzingen kommen, bei der der Journalist Timo Büchner als Nebenkläger aufgetreten wäre. Dazu kam es nicht. Der Angeklagte zog seinen Einspruch gegen den Strafbefehl zurück und wurde mit einer Strafe von 90 Tagessätzen wegen der "Verletzung des Dienstgeheimnisses in zwei tatmehrheitlichen Fälle" belegt.

Der Geschädigte Büchner zeigt sich aber auf Nachfrage dieser Redaktion erschüttert: "Die Urteile gegen den Zollbeamten und den Neonazi sind empörend, ja skandalös." Der Strafbefehl lag knapp unter einer Vorstrafe, die beamtenrechtliche Konsequenzen nach sich gezogen hätten.

Weitergabe auch von Adressen anderer Personen aus dem Fußballmilieu

Neben der Weitergabe von Büchners Adresse konnten W. noch die Weitergabe einer Adresse eines Fans des FC Würzburger Kickers nachgewiesen werden. Bei weiteren Adressen, die W. nach Recherchen dieser Zeitung in einen internen Chat einer Fangruppe des FC 05, den "Green Boyz", gestellt hatte, fehlte es später teils an Klägern oder die Fälle wurden eingestellt.

Auch die beruflichen Konsequenzen für W. hielten sich nach dem Landesverrat-Delikts in Grenzen. Er wurde innerhalb des Hauptzollamtes Schweinfurt während des laufenden Disziplinarverfahrens gegen ihn versetzt. Komplett eingestellt wurde, laut Recherchen der "Zeit", ein Verfahren des Amtsgerichts Würzburg in dieser Sache gegen den Neonazi R., für den W. die Adresse besorgt hatte.

Der Hintergrund des Falls: Aus Chatprotokollen, die dieser Redaktion vorliegen, geht hervor, dass der Zollbeamte W. im Herbst 2020 im besagten FC05-Gruppen-Chat prahlte, er könne ganz einfach Adressen abrufen, er bräuchte dazu nur Vor- und Zunamen der jeweiligen Person. Ein paar Monate später tauchten über ein Dutzend Adressen von Anhängern der Würzburger Kickers im Chat auf.

Als der Fall ans Licht kam, gab es auch im April 2021 Durchsuchungen bei W. privat und auf dessen Dienstelle in Kitzingen. Der FC05-Fangruppe zuzurechnen gewesen sein soll damals auch Marc R., ein militanter Neonazi aus Osterburken, bei dem es ebenfalls zuvor eine Durchsuchung gab. Über R.s Handy gelangten die Ermittler an den Zollbeamten. Die Verbindung war der Journalist Büchner, der in diesem Zeitraum über die Umtriebe R.s im Rechtsextremismus als Kopf der rechtsextremistischen militanten Gruppierung "Nord Württemberg Sturm", einem regionalen Ableger der "Jungen Revolution", berichtet hatte.

Adresse des Journalisten war wegen seiner Arbeit besonders schützenswert 

Aufgrund dieser Berichterstattung versuchte R. über W. an die Privatanschrift Büchners zu gelangen. Die Besonderheit: Die Adresse des Journalisten, der unter anderem für die Amadeu-Antonio-Stiftung tätig ist, unterliegt einer Auskunftssperre. Diese erhalten nur Menschen, bei denen "Gefahr für Leben, Gesundheit und persönliche Freiheit" besteht, falls die Anschrift in die falschen Hände gerät. Der Zollbeamte wiederum hatte über seinen Arbeitscomputer auch Zugriff auf Adressen mit Auskunftssperre und gab die von Büchner an seinen Bekannten, den Neonazi R., weiter.

Die beiden Endzwanziger W. und R. sollen mittlerweile nicht mehr der gleichen Fangruppierung angehören. Von Seiten der Fanbeauftragten des FC 05 heißt es, dass Neonazi R. seit "drei Jahren kein Mitglied" der "Green Boyz" mehr ist und man sich "entschieden" distanziere. Auf Nachfrage dieser Redaktion bestätigt FC05-Vorstandsmitglied Dominik Groß, es handele sich nicht um Fanklub-Mitglieder, sondern externe Personen aus dem rechtsradikalen Milieu, die auf Empfänglichkeit in der Szene hoffen. Der Verein sei sensibilisiert und stehe im engen Dialog mit den Fangruppen, "damit diese nicht in die Fänge von Rechtsextremisten geraten."

In vorliegenden Chatprotokollen sprachen sich im März 2021 tatsächlich Mitglieder der "Green Boyz" für den Ausschluss des Neonazis aus. Auch, weil ansonsten ein "Ansehensverlust des Vereins" drohe. Der Zollbeamte, der in den Vernehmungen angegeben haben soll, "politisch neutral zu sein", prahlte in den Chats aber auch mit Aussagen, dass er mal einen Polizisten und in einem Bus zwei ausländische Mitbürger geschlagen haben soll.

Laut der "Zeit" soll der Zollbeamte W. im Jahr 2018 Hitlerbilder und ein Hakenkreuz in einem Chat verschickt und ein Jahr später soll ihm ein Bekannter "Mein Kampf" als E-Book geschickt haben. Auch R. soll bis heute immer wieder bei den Spielen des FC05 Schweinfurt zu sehen sein. Laut Quellen der Redaktion immer wieder auch in Begleitung anderer Neonazis, wie Nils K. aus Hof, der im Umfeld der militanten rechtsextremistischen Kampfsportgruppe "Knockout 51" in Erscheinung tritt.

Journalist Büchner ist empört. "Das Signal, das ausgeht, lautet: Wer der militanten Neonazi-Szene sensible Daten preisgibt, muss keine ernsthaften Konsequenzen fürchten", schlussfolgert er: "Das ist eine bittere Erkenntnis – für mich persönlich, aber auch für alle, die für einen wehrhaften Rechtsstaat streiten."

In einer früheren Version des Textes hieß es, der Zollbeamte sei nun vorbestraft. Dies ist nicht korrekt, da man erst ab einer Verurteilung zu mehr als 90 Tagessätzen als vorbestraft gilt. Wir haben den Text entsprechend geändert.

 
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  • Stefan Fuchs
    Laut der "Zeit" soll der Zollbeamte W. im Jahr 2018 Hitlerbilder und ein Hakenkreuz in einem Chat verschickt und ein Jahr später soll ihm ein Bekannter "Mein Kampf" als E-Book geschickt haben.

    Zollbeamter W . ist unschuldig.
    Das war sein Bruder!

    Liebe MP,bitte dringend an diesem wirklich skandalösen Fall drannbleiben .
    Wenn schon Beamte so ein Mist machen,die eigentlich eine Vorbildfunktionn haben ,sehe ich" braun" für unsere Republik.
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  • Wolfgang Jung
    Da steht: "Der Zollbeamte ist zwar nun vorbestraft [...]". Das stimmt nicht. Vorbestraft ist man erst ab einer Strafe von 91 Tagessätzen.
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