Als Tobias M. (Name der Redaktion bekannt und geändert) an einem Tag Ende Juli in seinen Briefkasten schaute, traute er seinen Augen nicht. Der Absender des Schreibens: das Amtsgericht Schweinfurt. In einem Strafbefehl wurde eine Geldstrafe in Höhe von 750 Euro festgesetzt. Der Grund: eine vermeintliche Lappalie am Rande der Gegenkundgebung gegen den "Tag der offenen Tür" der rechtsextremen Kleinstpartei "Der III. Weg" in deren Parteibüro im Schweinfurter Stadtteil Oberndorf.
Der 29-Jährige ist Fußballfan des FC 05 Schweinfurt und er stört sich daran, dass sich "Der III. Weg" seit Oktober 2022 in Oberndorf niedergelassen hat. Mit einigen Freunden schloss er sich am 1. Mai wie rund 250 Menschen der Gegenkundgebung an, die unmittelbar vor dem Gebäude der rechtsextremen Partei in der Oberndorfer Hauptstraße stattfand.
Auf dem Weg dorthin wollte man eigentlich noch Freunde aus Würzburg am Schweinfurter Bahnhof "einsammeln", erinnert er sich. Doch die gut zehnköpfige Gruppe, die der Würzburger Antifa zuzuordnen ist, wurde genauso wie zwei "Omas gegen Rechts" länger von der Polizei festgehalten.
Von der Polizei beobachtet, wie ein Aufkleber an ein Fallrohr geklebt wurde
Auch auf M.'s Gruppe warfen die Beamten ein Auge. Am späteren Nachmittag wurde auch diese, als sie die Kundgebung verlassen wollte, festgehalten. "Wir wurden von zehn bis 15 Polizeibeamten umzingelt", schildert M., der dann aus der Gruppe herausgezogen wurde. Er wurde dabei beobachtet, wie er zwei Stunden zuvor einen Aufkleber mit dem Aufschrift "Schnüdel United Kick out the Nazi scum" auf ein Fallrohr des benachbarten Gebäude des Parteibüros klebte.
M. habe an der Stelle einen Aufkleber des "Der III. Weg" gesehen und entfernt, wie er sagt, und den eigenen angebracht. Er räumte die Tat ein und bot den Beamten an, den Aufkleber wieder zu entfernen. Dazu kam es nicht, dafür zu einer Anzeige gegen M. wegen Sachbeschädigung. "Es ging denke ich darum, den Polizeieinsatz zu rechtfertigen", glaubt er. Die Stimmung am 1. Mai in Oberndorf war über den gesamten Tag über friedlich. Zu weiteren Anzeigen kam es noch aufgrund des Verstoßes von Gegendemonstranten gegen das Vermummungsverbot.
Zahlreiche Aufkleber des "III. Weg" an verschiedenen Stellen in Oberndorf
"Der Aufkleber hätte eh nicht lange gehangen", sagte M. mit Blick auf das von den Rechtsextremen geprägten Bild des Stadtteils seit vergangenen Oktober. In der Tat sind in Oberndorf an nahezu jeder Laterne und jedem Straßenschild Aufkleber bzw. deren Überbleibsel des "Der Dritten Weg" zu sehen. Belangt werden konnte dafür bislang niemand.
Bei zwei eingeleiteten Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt konnte kein Täter ermittelt werden, teilt die Staatsanwaltschaft Schweinfurt auf Nachfrage mit. M. verzichtete darauf, gegen die Strafe vorzugehen. Zu gering seien die Erfolgsaussichten. Das Strafmaß belief sich auf 25 Tagessätze á 30 Euro für den Selbstständigen. Vertrauen in die Polizei habe er schon lange keines mehr, konstatiert der Mann aus dem Landkreis Schweinfurt. "Ich empfinde das als eine völlig unnötige Repression. Das ist, um die Leute mürbe zu machen."
Marietta Eder vom Bündnis "Schweinfurt ist bunt" betont, dass die Polizei nur das Gesetz umsetze, aber sie betont auch, dass sie und das Bündnis mit dem bayerischen Versammlungsgesetzt grundsätzlich nicht glücklich seien. "Die Frage ist, wen die Gesetze stärken und wen sie behindern?", so Eder.
Einen Schal über das Gesicht ziehen sei nicht automatisch Vermummung, häufig schlicht Selbstschutz, um sich nicht von Rechtsextremen fotografieren zu lassen. Die Stadträtin sieht dagegen viel mehr, dass im Fall des "Der III. Weg" in Schweinfurt, "eine kleine Minderheit die große Mehrheit regelmäßig behindert". Am 1. Mai war anlässlich des "Tag der offenen Tür" der rechtsextremen Kleinstpartei, zu dem rund 30 Menschen kamen, fast den gesamten Tag über die Oberndorfer Hauptstraße zur Durchfahrt gesperrt.
Sieben Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft gegen "III. Weg"-Mitglieder
Auch die Schweinfurter Staatsanwalt beschäftigt "Der III. Weg" seit jetzt bald einem Jahr. Seit der Eröffnung der Parteizentrale wurden bei der Staatsanwalt sieben Ermittlungsverfahren gegen Mitglieder der Partei geführt. Drei davon wurden eingestellt, eines (wegen Verdacht einer Volksverhetzung) wurde, da die Tat dort stattfand, nach Bamberg abgegeben, in zwei Verfahren wegen Verstoßen gegen das Vermummungsverbot wurden Strafbefehle erlassen.
Ein anderes Verfahren, das vor den Augen von Hunderten stattfand, ist noch nicht abgeschlossen. In einem vollbesetzten Festzelt des Schweinfurter Volksfests zeigte eine Person des "Der III. Weg" auf der Bierzeltgarnitur stehend mehrfach den Hitlergruß und rief rechtsextreme Parolen. Umso wichtiger sei es, dass sich Bürger gegen Rechts einsetzen, findet Eder: "Wir freuen uns, dass Schweinfurt bei den Kundgebungen zeigt, wie bunt es ist und es viele Leute gibt, die sich für Demokratie einsetzen und sagen: Rechtsradikale Parteien mit all ihren Vorhaben und ihrer Ideologie brauchen wir hier nicht."