Eine Anregung wird Saarlands Innenminister Klaus Bouillon (CDU) von seinem Besuch in der Anker-Einrichtung Unterfranken in Geldersheim (Lkr. Schweinfurt) mitnehmen: die psychologische Betreuung von Geflüchteten. "Das haben wir nicht." Das als Soultalk bundesweit bekannte und von den Erlöserschwestern in Würzburg finanzierte Projekt, bei dem geschulte Geflüchtete psychosoziale Beratung für neu angekommene Geflüchtete in Muttersprache anbieten, ist bislang einzigartig in Deutschland. Nun könnte es Schule machen. Bouillon: "Ich halte es für sinnvoll."
Bayerns Innenstaatssekretär Gerhard Eck (CSU) hatte den saarländischen Innenminister am Montag durch die unterfränkische Anker-Einrichtung auf dem Gelände der ehemaligen US-Kaserne Conn Barracks geführt. Bayern und das Saarland waren im August vergangenen Jahres als bundesweite Vorreiter des Anker-Konzeptes an den Start gegangen – Bayern mit sieben Anker-Einrichtungen, das Saarland mit einem Anker-Zentrum in Lebach. Gut ein Jahr nach dem offiziellen Start ziehen beide Innenpolitiker eine positive Bilanz: "Das Anker-Konzept hat sich bestens in der Praxis bewährt. Unsere Einrichtungen haben bundesweiten Vorbildcharakter." Durch die Bündelung aller wichtigen Behörden in den Anker-Einrichtungen sind laut Eck insbesondere die Asylverfahren des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bamf) verkürzt worden. So entscheide das Bamf mittlerweile in rund zwei Monaten über einen Asylantrag, während in anderen Erstaufnahmeeinrichtungen die Asylsuchenden gut drei Monate auf eine Entscheidung warten müssten.
Was aber nach wie vor nicht klappt, sowohl im Saarland als auch in Bayern, das sind die Abschiebungen von abgelehnten Asylbewerbern. "50 Prozent der Abschiebungen im Saarland scheitern", gibt Bouillon unumwunden zu. Entweder, weil die Ausreisepflichtigen am Tag der Abschiebung nicht in der Einrichtung auffindbar sind, oder weil es sich um Dublin-Fälle handelt und das für die Durchführung des Asylverfahrens zuständige EU-Land hohe Hürden für die Rückführung aufbaut. "Das ist ein noch größeres Problem", sagt Bouillon, auch mit Blick auf die fehlende Solidarität anderer EU-Länder bei der Aufnahme von Flüchtlingen. "Wenn wir das nicht ändern, habe ich Sorge, dass wir das politische Klima hier nicht in den Griff bekommen."
Die Verpflichtung für Asylbewerber in einer Ankereinrichtung zu wohnen, ist gesetzlich geregelt. Können abgelehnte Asylbewerber nicht abgeschoben werden, verbleiben sie in der Anker-Einrichtung, gegebenenfalls bis zu 24 Monate. Das kritisieren Wohlfahrtsverbände. Bei einer Expertenanhörung vergangene Woche im bayerischen Landtag hatten diese vor einer zu langen Aufenthaltsdauer von Flüchtlingen in den Anker-Einrichtungen gewarnt und eine unzureichende Beratung der Migranten kritisiert. Vor allem für Kinder sei die Unterbringung völlig ungeeignet, sie lebten dort in einer "angstbesetzten Umgebung", hieß es.
Innenstaatssekretär Eck weist diese Vorwürfe zurück: "Bei uns in Deutschland sind geflüchtete Menschen sicher und gut untergebracht." Die Einrichtung bei Geldersheim sei Beispiel dafür. Sie böte den Geflüchteten ein Umfeld, wie sie dieses womöglich noch nie erlebt hätten. Gerade für Kinder sei das mit Millionenaufwand hergerichtete weitläufige Gelände mit Kindergarten, Spielplatz und schulischer Betreuung ein "Quantensprung" zur Situation in ihrem Heimatland. "Man sollte nicht alles kaputtreden." Bouillon pflichtet ihm bei: "Das ist ein Standard, von dem diese Menschen nur geträumt haben."
Der Leiter des Ankerzentrums, Alexander Warkotsch, stellt klar, dass die mögliche Aufenthaltsdauer von maximal 24 Monaten in der Anker-Einrichtung nur auf Dublin-Fälle zutreffe. Familien würden spätestens nach sechs Monaten auf dezentrale Unterkünfte verteilt. Das ist Gesetzeslage. Eine Verteilung aller Flüchtlinge auf die Kommunen lehnen Eck und Bouillon aber ab. Vor allem aus Sorge, dass Ausreisepflichtige "untertauchen" könnten.
Sicherheitswacht in der Anker-Einrichtung wurde personell aufgestockt
Wichtig ist Staatssekretär Eck die Sicherheit in und um die bayerischen Ankerzentren. Ende August hatte der Bürgermeister der Nachbargemeinde Euerbach auf der Gemeinde-Homepage von Bürgerbeschwerden über das Verhalten von Asylbewerbern beim Einkaufen in seinem Ort berichtet. Vor allem Frauen seien von den meist jugendlichen Afrikanern "angesprochen und bedrängt oder bedroht" worden. Bei der Polizei ist bisher keine Anzeige eingegangen, dass jemand von einem Migranten des Ankerzentrums belästigt wurde oder ein Gewaltdelikt erfahren hat. Gleichwohl weiß die Polizei, dass die objektive Sicherheitslage nicht immer mit dem subjektiven Empfinden der Menschen übereinstimmt. Deshalb gibt es dort nun verstärkt Streifenfahrten. "Auch in der Anker-Einrichtung ist die Polizei ständig präsent", sagt Leitender Polizeidirektor Joachim Mittelstädt. Und Eck weist darauf hin, dass in allen bayerischen Einrichtungen das Personal des Sicherheitsdienstes von knapp 400 auf mehr als 500 Mitarbeiter aufgestockt worden ist. In Schweinfurt ist die Sicherheitswacht mit 50 Kräften vor Ort. Zudem habe der Freistaat ein Gewaltschutzkonzept zur Sicherheit von besonders schutzbedürftigen Personen in der Anker-Einrichtung entwickelt. Bayernweit wurden hierfür 16 Stellen geschaffen. Auch in Schweinfurt ist ein Gewaltschutzkoordinator tätig. "Das ist bundesweit einzigartig", sagt Eck.
Unterm Strich sehen Eck und Bouillon das Anker-Konzept als "Erfolgsmodell" an, an dem sie auch in Zukunft festhalten wollen. Die Zukunft des "Erfolgsprojektes SoulTalk" allerdings, dem Ende vergangenen Jahres das Aus drohte, weil bislang weder Bund- noch Landesregierung bei der Finanzierung mithelfen wollen, bleibt hingegen ungewiss. Die Länderhaushalte sehen dafür keine Mittel vor.