Am vorletzten August-Tag veröffentlichte der Euerbacher Bürgermeister Arthur Arnold auf der Homepage der Gemeinde unter der Überschrift "Ankerzentrum" einen Beitrag, in dem er unter anderem mitteilt: "In der jüngsten Vergangenheit wurden vor allem Frauen von Asylbewerbern angesprochen und bedrängt oder bedroht. Mehrere Frauen haben sich deshalb an die Gemeinde gewandt." Die Bürger-Beschwerden hätten sich auf die Bereiche Netto-Supermarkt, Bäckerei Schmitt und Aral-Tankstelle im Euerbacher Gewerbegebiet bezogen, wohin Bewohner des nunmehr recht nahen Ankerzentrums in der Conn-Kaserne zum Einkaufen kämen. Bei diesen Kunden handelt es sich praktisch ausschließlich um Asylbewerber aus Afrika, meist junge Männer.
Kommentarschlacht auf Facebook
Umgehend begann im so "Sozialen Netzwerk" Facebook eine heftige Kommentarschlacht mit weit über 100 vorwiegend ausländerkritischen bis -feindlichen Einträgen und wenigen, die zur Besonnenheit mahnten. Worin das bedrängende oder gar bedrohende Verhalten der Migranten bestanden haben soll, hatte der Bürgermeister nicht konkretisiert, sondern mitgeteilt, dass es einen Runden Tisch mit den Beteiligten gegeben habe und der stellvertretende Schweinfurter Polizeichef Matthias Wehner die Bevölkerung bitte, in Bedrohungs- oder Gefährdungssituationen die Polizei zu verständigen. Und: "Ohne die Mitarbeit der Bevölkerung wird die Lösung des Problems erschwert."
Welche konkreten Vorfälle oder Probleme gab es denn? Etwa zehn der 1700 Euerbacher Bürger haben sich laut Arnold direkt oder indirekt, auch über Gemeinderäte, an die Gemeinde gewandt und etwa gesagt, dass Migranten dort oft nachmittags in Gruppen Alkohol trinken. Oder dass sich einer aufgebaut habe mit "Ich-bin-der-Größte"-Gehabe. Oder dass die Afrikaner "alles einmüllen". Arnold hat den Eindruck, dass manche Bürger vor allem subjektiv Situationen als bedrohlicher empfinden als sie vielleicht tatsächlich sind. Doch auch dies müsse ernst genommen werden. Vielleicht sei die Anwesenheit der Afrikaner für Euerbach noch "sehr ungewohnt". In der Gemeinde seien schon Syrer und Afghanen untergebracht gewesen – ohne Probleme, mit gutem Verhältnis zu Ortsansässigen.
Hetze ist Arnold "zuwider"
Was dem Bürgermeister überhaupt nicht gefällt, ist, dass sich in Internet-Foren Nicht-Euerbacher auf das Thema stürzen, die damit gar nichts zu tun haben, und teils hetzerisch kommentierten. "Das ist mir zuwider", sagt Arnold, der "ein christliches Menschenbild" vertritt.
Wie ist die objektive Sicherheitslage? Wie viele Anzeigen von Bürgern, die im Umfeld von Netto/Bäckerei/Aral-Tankstelle in Euerbach belästigt oder bedroht wurden, sind bei der Schweinfurter Polizei seit Bezugs des Ankerzentrums im Juni 2019 eingegangen und um welche strafrechtlichen Vorwürfe oder Ordnungswidrigkeiten handelt es sich konkret? Die Antwort der Polizei ist schnell gegeben: Bisher keine einzige Anzeige, dass jemand von einem Migranten des Ankerzentrums belästigt wurde oder ein Gewaltdelikt erfahren habe.
In der Bäckerei Schmitt, im Netto-Markt integriert, heißt es, bedroht oder belästigt habe man sich bisher nicht gefühlt. Die Migranten tränken manchmal ihr Bier draußen. Im Netto aber berichten Verkäuferinnen schon von Zwischenfällen mit Afrikanern aus dem Ankerzentrum – beim Bezahlen, und vor allem, wenn (wie bei anderen Kunden) große Taschen kontrolliert werden. Da flippten manche aus und schrieen herum. Und: Vor allem ab den Nachmittagsstunden bis Geschäftsschluss träfen sich Bewohner des Ankerzentrums, kauften Bier und konsumierten es direkt vor oder neben dem Geschäft. Netto-Beschäftigte wie einige Kunden hätten dabei kein gutes Gefühl.
Subjektive Unsicherheit?
In elf Fällen führten Mitteilungen von Anrufern zu Polizeieinsätzen vor Ort, schreibt die Polizei auf Anfrage der Redaktion. Dabei ging es um Zuwanderer, die entweder durch Alkoholisierung oder Verschmutzung beziehungsweise Lärm aufgefallen seien, "beziehungsweise von denen sich Anwohner gestört fühlten". Bei zwei Einsätzen sei einer vier- beziehungsweise sechsköpfigen Personengruppe ein Platzverweis erteilt und Personalien festgestellt worden. Und: "In den restlichen Fällen konnten oftmals vor Ort keine Feststellungen getroffen werden."
Gleichwohl weiß die Polizei, "dass die objektive Sicherheitslage nicht immer mit dem subjektiven Empfinden der Menschen übereinstimmt. Diese Empfindungen nehmen wir sehr ernst und reagieren darauf."So habe die Polizei die Streifenfahrten dort verstärkt. Nach dem "Runden Tisch" mit der Gemeinde hätten Polizisten mit fünf Personen Kontakt aufgenommen, die sich zuvor mit Mitteilungen an die Gemeinde gewandt hatten. Ergebnis: Kein Hinweis auf auf strafrechtlich relevantes Verhalten. Es sei "auch hier um Alkohol, Lärm und Verunreinigungen durch Zuwanderer" gegangen.
Polizei: Euerbach ist sicher
Strafrechtlich liegen der Polizei seit Mai bislang sechs Anzeigen wegen Ladendiebstählen vor, in denen Bewohner des Ankerzentrums als Verdächtige geführt werden. In fünf Fällen wird noch ermittelt, heißt es. In einem Fall sei ein Urteil über zwei Monate Haft auf Bewährung ergangen. Und: Eine Beleidigung hat die Polizei in den Akten, zu der es gekommen sei, nachdem ein Flüchtling – wie sich herausstellte – von einer Kassiererin zu Unrecht des Diebstahls bezichtigt worden sei.
Wie schätzen die Polizeibeamten bislang die tatsächliche – nicht die gefühlte – Sicherheitslage im Gewerbegebiet Euerbach ein? "Auf Basis unseres ständig aktualisierten Lagebildes stellen wir fest, dass die Sicherheit in Euerbach gewährleistet ist", lautet die Antwort. Vom "Runden Tisch" der Gemeinde Euerbach, hat Alexander Warkotsch, Leiter des Ankerzentrums, von Polizisten erfahren, mit denen er in dauerndem Kontakt steht. Er war nicht dabei.