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SCHWEINFURT
Soultalk: Sprechen wir über die Seele
Sie engagieren sich im Bereich der psychosozialen Gesundheit für Geflüchtete Von links vorne: Abdifatah Hussen Mohamed, Parisa Zare Moayedi, Salahuddin Ali Hamada und Dr. med. Özlem Anvari. Hinten von links: Alexandra Blattner, Praktikantin Isabella Raczycki und Hannah Zanker.
Foto: Team Soultalk | Sie engagieren sich im Bereich der psychosozialen Gesundheit für Geflüchtete Von links vorne: Abdifatah Hussen Mohamed, Parisa Zare Moayedi, Salahuddin Ali Hamada und Dr. med. Özlem Anvari.
Ursula Lux
Ursula Lux
 |  aktualisiert: 09.05.2018 02:21 Uhr

„Nur wer psychisch gesund ist, den kann man integrieren.“ Abdifatah Hussen Mohammed weiß, wovon er spricht. Er ist selbst einst von Somalia nach Deutschland geflohen. In seiner Heimat war er Journalist, heute engagiert er sich als Berater im Projekt Soultalk. Gemeinsam mit seinen beiden Beraterkollegen Parisa Zare Moayedi aus dem Iran und Salahuddin Ali Hamada aus Syrien setzt er sich für die seelische Gesundheit von Geflüchteten ein. „Wir alle haben solche Situationen persönlich erlebt und wissen wie schwierig es ist, neu Fuß zu fassen“, erklärt Zare Moayedi. Sie hat in ihrer Heimat als Sozialarbeiterin gearbeitet, weshalb ihr die Stelle als psychosoziale Beraterin sozusagen auf den Leib geschneidert ist.

Die Berater sind das Herzstück des Projekts

„Die Berater sind das Herzstück des Projekts“, erklärt die Projektkoordination und Psychologin Alexandra Blattner, die gemeinsam mit ihrer Kollegin Hannah Zanker die drei begleitet und supervisiert. Das Projekt Soultalk geht auf einen Arbeitsansatz von Ärzte ohne Grenzen zurück. Seit März 2017 wird es erstmals in Deutschland zusammen mit dem Krankenhaus St. Josef umgesetzt.

Das Josefskrankenhaus betreibt auch die medizinische Ambulanz in der Erstaufnahme. Das allein aber genügt oft nicht. Eine psychologische Versorgung der Geflüchteten stößt allerdings an mehrere Hindernisse. Einmal sind da die Sprachbarrieren, dann sind psychische Beeinträchtigungen in den Herkunftsländern oft stigmatisierend und die Flüchtlinge haben oft Schreckliches erlebt, weshalb es Zeit braucht bis sie wieder Vertrauen fassen können. Für dieses Vertrauen sind die Berater quasi die Türöffner. Sie sprechen dieselbe Sprache, haben Ähnliches erlitten. Sie sind oft die, die nach Jahren das erste Mal ernsthaft fragen: „Wie geht es dir?“

Eine typische Flüchtlingsgeschichte

Blattner beschreibt eine typische Flüchtlingsgeschichte: Ein junger Mann irgendwo in Afrika macht sich auf den Weg nach Europa. Die Hoffnung seiner ganzen Familie ruht auf ihm, denn er soll dort Geld verdienen und die Seinen unterstützen. Er muss durch Libyen, das muss die Hölle sein. Die Flüchtlinge werden von Schleppern gefangen genommen, so lange gefoltert, bis sie nach Hause schreiben und die Familie Geld schickt. Frauen werden vergewaltigt. Wenn sie endlich übers Meer nach Europa übersetzen, haben sie schon Schlimmes hinter sich. Ein Mann erzählt, dass auf dem Weg zwei seiner Kinder gestorben sind und die anderen Kinder zuschauen mussten, ein anderen ist die letzten Meter nach Europa geschwommen, während hinter ihm das Flüchtlingsboot unterging. In Italien sind die Flüchtlinge dann meist auf sich allein gestellt und erkennen, dass sie hier nicht bleiben können. Sie versuchen sich nach Deutschland durchzuschlagen.

Manche der Flüchtlinge sind traumatisiert, „aber nicht alle“, betont Blattner. Sie staunt mitunter über die Resilienz, die diese Menschen haben. Soultalk sei in erster Linie ein präventives Angebot. Menschen mit schweren Traumata werden überwiesen, beispielsweise ins Bezirkskrankenhaus Werneck. Aber auch hier spielen die Berater wieder eine entscheidende Rolle. Sie können den Betroffenen vermitteln, dass sie dort sicher sind und man ihnen helfen will. Die Berater wurden bei Ärzte ohne Grenzen intensiv auf ihre neue Aufgabe vorbereitet, sie haben neben der Tatsache, dass sie ähnliche Erfahrungen machten wie ihre Klienten natürlich auch eine Vorbildfunktion. An ihnen können die Geflüchteten sehen, dass Integration gelingen kann.

Zurück in den Alltag

Neben dem Erstgespräch bei einem der Berater, gibt es auch ein dreiteiliges Gruppenprogramm. Dabei geht es vor allem um „Alltagsaktivierung“ betont Blattner. Den Alltag sinnvoll zu rhythmisieren gehöre ebenso dazu wie Stressbewältigung, Schlafhygiene, das Erkennen und Stärken der eigenen Ressourcen und die Akzeptanz dessen, woran man nichts ändern kann.

Ein stabileres Umfeld ist wichtig, um schlimme Erfahrungen zu verarbeiten, dabei haben die Geflüchteten in der Erstaufnahme mit vielen destabilisierenden Faktoren zu kämpfen. Da ist zuvorderst die Sorge um die Familie, die oft zurückblieb, dann die Unsicherheit, wie es weitergeht, und schließlich die Tatsache, dass sie zum Nichtstun verurteilt sind.

Offiziell läuft das Projekt noch bis April 2019. Die Kongregation der Schwestern des Erlösers, die Trägerin des Josefskrankenhauses ist, stieg richtig groß in dieses Projekt ein. Die beiden Psychologinnen haben eine dreiviertel und eine halbe Stelle, und auch die drei Berater sind mit je einer dreiviertel Stelle angestellt. „Die Kongregation zeigt damit, dass psychosoziale Versorgung nicht auf ehrenamtlichen Schultern aufgebaut werden kann“, erklärt Blattner. Gleichzeitig gibt sie Geflüchteten eine Chance. Die mussten sich ganz offiziell auf die Stelle bewerben. Voraussetzung waren gute Deutschkenntnisse, beherrschen der Muttersprache soziale Kompetenz und eine Arbeits- und Aufenthaltsgenehmigung.

Platz drei für Soultalk

Das Team von Soultalk hat sich auch um den Integrationspreis 2018 beworben und bereits eine erste Hürde genommen. Am 30. April vergab die Hertie-Stiftung die Preise an die Projekte, die in der Rangliste die meisten Unterstützer erreichten. Soultalk Schweinfurt kam auf den dritten Platz und bekommt dafür 10 000 Euro. Mit dem Geld sollen Dolmetscher eingesetzt werden, so dass die Berater auch Geflüchtete anderer Sprachen erreichen können.

Der Hertie-Crowdfunding-Contest 2018 läuft noch bis zum 9. Mai. Wer also das Projekt Soundtalk noch unterstützen will, kann dies auf folgender Internetseite tun:

https://www.startnext.com/soultalk/unterstuetzen

Den psychosozialen Beratern von Soultalk gelingt es, eine Atmosphäre des Vertrauens zu schaffen, in der sich die Geflüchteten öffnen können. Im Bild Salahuddin Ali Hamada, der einen Flüchtling begrüßt.
Foto: Team Soultalk | Den psychosozialen Beratern von Soultalk gelingt es, eine Atmosphäre des Vertrauens zu schaffen, in der sich die Geflüchteten öffnen können. Im Bild Salahuddin Ali Hamada, der einen Flüchtling begrüßt.
 
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